Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond (Blakley-Cartwright & Leslie Johnson)

cbt (Februar 2011)
kartoniert, Klappbroschur
Seiten: 296, 12,99 EUR [D]
ISBN: 978-3-570-16124-1

Genre: Dark Fantasy / Märchen


Klappentext

Zehn Jahre ist es her, dass Valeries Kindheitsfreund Peter verschwand und Valerie beim nächsten Vollmond einem Werwolf gegenüberstand – und von diesem verschont wurde. Nun ist Peter wieder da, und als sie ihn wiedersieht, packt die jetzt siebzehnjährige Valerie dieselbe wilde Leidenschaft wie dereinst. Zwar ist sie dem wohlhabenden Henry Lazar versprochen, aber Valerie würde alles dafür tun, um Peter nicht wieder zu verlieren. Doch dann wird am Tag nach Vollmond der leblose Körper eines jungen Mädchens gefunden. Kratzspuren und Bisse sprechen eine eindeutige Sprache: Der Werwolf ist zurück, und er hat sich ausgerechnet Valeries Schwester Lucie geholt. Alles deutet darauf hin, dass der Wolf allein wegen Valerie gekommen ist und nicht ruhen wird, bis er auch sie in seiner Gewalt hat.


Rezension

Sarah Blakley-Cartwright wuchs in Los Angeles sowie Mexico auf, verfasste seit ihrer Kindheit verschiedene Texte und wurde bereits mit mehreren Preisen geehrt. Die derzeit in New York City und  Vancouver lebende Autorin schrieb parallel zur Entstehung des Kinoereignisses Red Riding Hood den gleichnamigen Roman, der ab einundzwanzigsten April in den heimischen Kinos zu sehen sein wird.

>> Peter hielt den Kopf gesenkt. Valerie hatte das Gefühl, Rose wollte sie Henrys wegen bestrafen – obwohl sie doch gar nichts dafür konnte. Valerie wünschte ihnen den Tod. Sie wusste nicht, wen sie mehr hasste, Peter oder Rose. Während sie die beiden beobachtete, verschwamm ihr plötzlich alles vor den Augen. <<

Valerie ist anders als die anderen. Das wusste sie früh und es störte sie nicht. Sie war weder so unbeschwert, noch so schwach oder langsam. Stattdessen kletterte sie auf hohe Bäume und suchte ihre Einsamkeit. Nichts war ihr wirklich wichtig, außer Peter, der schlussendlich aus ihrem Leben gerissen und dem Dorf verstoßen wurde. Warum war nicht bekannt, denn in ihrem Dorf redete man nicht über solche Dinge. Man vergaß sie schlicht. Doch nun, zehn Jahre später ist Peter zurück und mit ihm eine scheinbar uralte, mächtige Gefahr. Valerie muss sich schlussendlich entscheiden: Heiratet sie den Mann, der sie liebt und versorgen kann, oder den leidenschaftlichen, unergründlichen Peter?

Ein Mädchen, das hübsch und begehrenswert ist. Zwei Männer, die es lieben. Ein Wolf und eine Entscheidung. – Die
Inhalte dieses Romans sprechen eine klare, unmissverständliche Sprache. Im Grunde die gleiche, wie viele andere, themenverwandte Jugendbücher auch, die derzeit den Markt überschwämmen. Doch nicht alle werden verfilmt. Oder anders herum: Nur wenige dieser Geschichten werden einem Drehbuch entnommen und in einen Roman gepackt, um zwei Monate vor Kinobeginn noch zusätzlich diverse Kassen klingeln zu lassen. Prinzipiell eine Vorgehensweise die verständlich ist und gegen die man kaum etwas einzuwenden hat, zumindest solange das Ergebnis stimmt. Ob das tatsächlich gelungen ist, bleibt jedoch eine, in diesem Fall, schwierig zu beantwortende Frage. Denn für manche Leser könnte Red Riding Hood wohl tatsächlich ein gut gelungenes, schnell zu lesendes (Jugend-)Buch sein. Die Betonung liegt hierbei jedoch auf schnell; wirklich gut gelungen ist nämlich genau genommen in diesem Roman leider wenig. Eine Tatsache, über die simpel aber effektvoll hinweggetröstet wird durch schnell zu lesende, drehbuchartige Kapitel, die (zumindest das muss man diesem Buch zugestehen) Spannung und Atmosphäre im Stil von The Village und Sleepy Hollow aufleben lassen. Detailarmut wird hierbei großgeschrieben. Sarah Blakley-Cartwright hat, zumindest dem Anschein nach und forsch ausgedrückt, das Drehbuch eins zu eins kopiert; nur da und dort ausgeschmückt wo es nötig war. Emotionen bleiben hierbei außen vor; die Protagonistin Valerie präsentiert sich als Einzelgänger und kann dem Leser nie wirklich sympathisch sein. Dafür ist sie zu kühl, zu undurchschaubar und zu wechselhaft. In einem Moment verehrt sie ihre Jugendliebe Peter; im nächsten wendet sie sich ab und wünscht ihm (aufgrund eines eigentlich leicht durchschauenden Trick seinerseits) den Tod. Und eben solche Dinge lassen den Leser schlicht und einfach den Kopf schütteln; schnell wird klar, dass weder Valerie noch die Menschen in ihrer Umgebung einen näheren, forschenden Blick standhalten. Ähnliche Reaktionen (oberflächlich und manchmal unmenschlich) beobachtet man in Valeries Umgebung. Die Dorfbewohner verkommen hierbei zu einer Masse Statisten, die einmal freundlich und im nächsten Moment furchtbar unmenschlich erscheinen. Sie kichern, sie lachen und Stunden zuvor ist ein unschuldiges Mädchen gestorben. Mal sind sie auf Rache aus, mal wollen sie jemanden opfern, um sich selbst zu retten, und dann reagieren sie schlussendlich doch gänzlich anders als erwartet. Unberechenbar und unglaubwürdig.

Ebenso wenig gefallen die diversen Logiklöcher sowie die innere Aufmachung des Romans. Sarah Blakley-Cartwright soll mit ihren Texten Auszeichnungen gewonnen haben, doch findet man in ihren handwerklichen Fähigkeiten keine Raffinesse; nichts was danach schreit, gelesen zu werden. Ihr Stil ist knapp gehalten; kaum intensiv, doch flüssig zu lesen. Die einzelnen Kapitel des Romans glänzen durch Wechselhaftigkeit; die standartartigen, sonst gut präsentieren Protagonisten werden Szenenweise hin und her geschoben. Kurze Szenen, die als Film sicherlich funktionieren können, so jedoch den Eindruck von unnötiger Hast erwecken, die keinen Leser, der näher hinsehen möchte, auf eine erfüllende Art zufrieden stellen kann. David Leslie Johnson, der Drehbuchautor, hat jedoch seine Arbeit gut gemacht und eine typische Dark Fantasy Geschichte erschaffen, die zwar nichts Neues bieten, jedoch durchaus (trotz der vorhandenen Oberflächlichkeit des Romans) fesseln kann. Als Leser fiebert man mit und gerade die letzten einhundert Seiten vergehen wie im Rausch; lassen nach der Auflösung fragen, die schlussendlich sitzt wie die Faust aufs Auge. Es ist ein bemerkenswertes Ende. Ein bemerkenswert törichtes, was mitunter – und hier ist der springende Punkt – nicht bestehen kann, weil Valerie als Protagonistin in diesem Roman zu wenig emotionalen Raum zugestanden wird. Deshalb ist ihre Entscheidung nicht nachzuvollziehen. Man kann weder ihr noch der Autorin die kopflose, schlussendliche Neigung vergeben, denn so simpel gestrickt ist die Welt nunmal nicht und auch nicht das Herz eines siebzehnjährigen Mädchens, die rollende Köpfe, Tod und Zerstörung, vor allem aber die zerfetzt Leiche ihrer Schwester mitansehen muss.

Was also bleibt? Ein wirklich schnell zu lesender, spannender, oberflächlicher Roman, der sich für einen Lesenachmittag und als wenig anspruchsvolle Zwischenmahlzeit eignet? Vielleicht. Fakt ist, dass der bestehende Charme, Bekanntes aufzugreifen und in eine lesenswerte Atmosphäre zu verpacken, durchaus greifbar ist. Für jugendliche oder eher kritiklosere Leser mag das auch genügen, doch bleibt zu sagen, dass die Handlung eben nicht und auf keinen Fall für Kinder (ab dreizehn laut Verlag) geeignet ist. Weder die Handlung, noch diese Brutalität und erst recht die innere Moral.

Warum rennen sie alle? Was hat ihnen das Leben denn jemals gegeben? Sie haben die ganze Zeit dem Wolf gehört. Und jetzt ist er zurückgekommen und holt sich, was immer schon sein war.

(Seite 190)


Fazit

Red Riding Hood ist eine, trotz vieler Schwächen, unterhaltsame und schnell zu lesende Wiederaufarbeitung eines wohlbekannten Märchens, die fast schon nach einer Fortsetzung schreit. Eine, die neben der eher lieblosen inhaltlichen Aufmachung, zusätzlich eine ebenso unstimmige, wie haarsträubende Auflösung auszugleichen hat. Dennoch kann dieser Roman trotz aller Makel für romantisch angehauchte Leserherzen geeignet sein. Gelungener Atmosphäre und Lesefluss sei Dank: Gerade noch drei Sterne.


Pro und Kontra

+ atmosphärisch dicht
+ spannend und schnell zu lesen
+ annehmbare Standarthandlung

o typische Liebesgeschichte

- haarsträubendes Ende
- ohne Details recht stillos erzählt
- Logikschwächen
- zu kurze, szenenartige Kapitel
- Handwerklich etwas unausgegoren

Bewertung:

Handlung: 2,5 / 5
Charaktere: 2 / 5
Lesespaß: 3 / 5
Preis/Leistung: 2,5 / 5