Der Löwe von Burgund (Thomas Vaucher)

Verlag: Stämpfli, August 2010
Hardcover, 356 Seiten, € 32,00
ISBN: 978-3727213045

Genre: Historik


Klappentext

Als der junge Adrian von Bubenberg den Grafen Karl von Charolais am burgundischen Hof das Leben rettet, legt er dabei den Grundstein für eine lebenslange Freundschaft. Doch durch widrige Umstände stehen sich die beiden dreißig Jahre später bei Murten auf dem Schlachtfeld gegenüber. Und während der Stern Karls des Kühnen unaufhaltsam sinkt, beginnt die glorreiche Zeit der Eidgenossen...

Der Löwe von Burgund erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Niedergang des burgundischen Reiches unter Karl dem Kühnen im 15. Jahrhundert. Doch es ist auch die Geschichte von Rudolf Stalder und Georg Wyler, zwei Berner Soldaten, die in die Wirren der Burgunderkriege geraten und letztlich das Schicksal ganz Europas verändern.


Der Autor

Thomas Vaucher wurde 1980 in Freiburg (CH) geboren. Er ist fasziniert vom Mittelalter und begann schon im Kindesalter, Geschichten zu schreiben. Fünf Kurzgeschichten sind in Anthologien erschienen, die Geschichte „Tyrions Wacht“ erreichte beim Deutschen Phantastik Preis 2009 den 2. Platz.

Thomas Vaucher ist auch musikalisch tätig. Er ist Mitglied der Heavy Metal Formation Emerald, die bisher vier CDs veröffentlicht hat.


Rezension

Karl I. der Kühne (französisch: Charles Ier le Téméraire oder le Hardi, niederländisch: Karel de Stoute, englisch: Charles the Bold) (* 10. November 1433 in Dijon; † 5. Januar 1477 bei Nancy) war Herzog von Burgund und Luxemburg aus der burgundischen Seitenlinie des französischen Königshauses der Valois. Seine Eltern waren Philipp III. «der Gute» und Isabella von Portugal. Zu Lebzeiten seines Vaters trug er den Titel eines Grafen von Charolais. Er ist der berühmteste und letzte Herzog aus dem Haus Valois-Burgund. Quelle: Wikipedia

Historische Fakten in eine Romanform zu pressen ist immer ein gewagtes Unternehmen. Der Stoff kann schnell trocken werden, manchmal gibt es nicht genügend Informationen, so dass die dichterische Freiheit eine Rahmenhandlung benötigt. In einem ausführlichen Nachwort belegt Thomas Vaucher die historischen Fakten und erläutert, was er dazu erfunden hat. Man ist erstaunt, denn eigentlich hätte sich alles genauso abspielen können, wie er es beschreibt. Historisch belegt und in einen angenehmen Stil gepackt liegt die Lebensgeschichte von Karl dem Kühnen vor uns, des späteren Herzogs von Burgund. Seinen Beinamen bekommt er aufgrund eines Duells, welches er im Alter von 14 Jahren herausfordert. Er lässt seinen Gegner und sich ein Jahr Zeit, ein Jahr, um kämpfen und das Ritterhandwerk zu erlernen. Dazu engagiert sein Vater den zu dieser Zeit besten Ausbilder, den er finden kann, den Ritter Jacques de Lalaing. Dieser wird nicht nur Karls Ausbilder, sondern steht ihm auch im weiteren Leben treu zur Seite. Karl gewinnt das Duell und weil er so kühn war, einen wesentlich älteren und erfahrenen Ritter herauszufordern, hieß er fortan nun Karl der Kühne.

Natürlich gibt es viel Krieg zu dieser Zeit. Herzöge, Könige und Kaiser gieren nach Macht und Anerkennung, nur wer viele Länder regiert, ist wirklich einflussreich. Zu dieser Zeit wurde auf dem Schlachtfeld noch Mann gegen Mann eingesetzt, die ersten Kanonen traten allerdings da schon ihren verheerenden Siegeszug an. Zum Glück ergießt sich der Autor nicht in endlosen Beschreibungen der einzelnen Schlachten, aber man bekommt viel von Taktik und Vorbereitung mit. Das Verständnis für einzelne Handlungsweisen wird immer größer, Machtinhaber werden in Korsette gepresst, die bestimmte Konsequenzen nach sich ziehen. Eindringlich wird beschrieben, wie Karl so manche Befehle geben muss, die er lieber nicht erteilt hätte. Auch er ist der Gruppendynamik ausgesetzt, zwar bestraft er kategorisch die Soldaten, die sich im widersetzten, der Schaden ist dann schon angerichtet. Schlechte Nachrichten verbreiten sich nachhaltiger als Gute, will Karl seine Macht erhalten, muss er unermüdlich agieren, reagieren und sich neue Taktiken ausdenken. Er wird verraten und hintergangen, mancher Freund entpuppt sich im Nachhinein als Feind. Nichts Ungewöhnliches allerdings in diesen Regierungskreisen, wer hier ganz oben steht, ist einsam und äußerst wachsam. Wahre Freunde sind selten, umso erfreulicher, dass wir hier auch die Geschichten einiger Männer erfahren, die Karl ihr Leben lang begleitet haben. Der Mensch Karl steht eindeutig im Vordergrund, seine Gedanken und Gefühle wirken authentisch.

Thomas Vaucher gelingt es immer wieder, den doch manchmal drögen Stoff durch kleine Anekdoten aufzulockern. Wegbegleiter und Widersacher Karls werden vorgestellt, ihre Gedanken und Handlungen erzählen Geschichten hinter der Geschichte. Manche begleiten Karl nur kurz, andere wiederum ihr Leben lang. Romantische Gefühlsaufwallungen sucht man hier allerdings vergebens, Karls Liebe zu seiner verstorbenen Frau steht nie außer Frage, leider erfährt man recht wenig von zwischenmenschlichen Beziehungen. Vielleicht haben Eheleute zu dieser Zeit sowieso recht wenig geredet, Frauen in den höchsten Kreisen wurden politisch verheiratet, Gefühle durften sie sich nicht erlauben. Man merkt dem Autor seine Fachkenntnis an, seine Schreiblust und sein Talent, Fiktives mit Realem zu vermischen und eine höchst interessante Beschreibung über das Leben eines realen Menschen abzugeben. Ein Stück Geschichte wird hier hervorragend aufgearbeitet, leicht zu lesen für Interessierte. Allerdings sollte man sich vorher im Klaren sein, dass es viel Kriegsgeschehen gibt, viel Leid, Tod, Blut und Gräueltaten. Das Buch selbst ist von hervorragender Qualität, es ist großformatiger als andere Hardcover und eng bedruckt, versehen mit Karten, Schlachtplänen, Namen- und Ortsverzeichnis. Das geschmackvolle Cover ergänzt das Gesamtbild vortrefflich, man merkt die Liebe zum Detail. Lediglich der Preis erschlägt ein bisschen.


Fazit

Mit viel Liebe zum Detail hat sich Thomas Vaucher ein Stück Geschichte herausgesucht, welches er anhand des Lebens einer Person mit einer gelungene Mischung von Realität und dichterischer Freiheit aufleben lässt. Bildhaft gewaltige Sprache, vermischt mit realistischen Schilderungen des Alltags im 15. Jahrhundert lassen eine Zeit auferstehen, in der Gewalt und Tod zum alltäglichen Wahnsinn gehören. Kriege wurden noch per Hand ausgetragen, derjenige, der seine zur Verfügung stehenden Streitkräfte gewitzter einsetzen konnte, gewann, sofern er nicht durch Verrat hintergangen wurde.


Pro und Contra

+ angenehmer Schreibstil
+ gelungene Mischung aus Fiktion und Realität
+ stimmige Atmosphäre
+ hervorragend recherchiert
+ bekannte Charaktere
+ Geschichte zum Anfassen

o viel Kriegsgeschehen
o wenig Zwischenmenschliches

- zum Schluß ein bisschen zuviel Krieg
- hoher Preis
- ein Fitzelchen mehr Romantik wäre schön gewesen

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5