Entsorgte Väter (Katrin Hummel)

Lübbe (März 2010)
Paperback, 282 Seiten
€ 16,99 (D) | € 17,50 (A)
ISBN: 978-3-431-03816-3

Genre: Sachbuch


Klappentext

Wenn Frauen den Kontakt zwischen Vater und Kindern nicht wünschen, haben ihre Ex-Männer wenig Chancen, den gemeinsamen Nachwuchs trotzdem zu sehen. Die Dimension dieses Unrechts hat ein tragisches Ausmaß erreicht. Der Grund: Deutschlands Rechtswirklichkeit. Und der weitverbreitete Glaube, dass Frauen die besseren Eltern sind. Deutschland ist das Land der Mütter: Es muss endlich etwas getan werden, damit Gerechtigkeit einkehrt. Denn Vater ist man für immer.


Rezension

Im Krieg und nach der Liebe ist alles erlaubt. Das ist angeblich Fakt in Deutschland, zumindest was das Sorgerecht angeht. Mit unfairen Tricks und Ausreden verhindern viele Mütter, dass Väter ihre Kinder auch nach einer Trennung noch sehen. Katrin Hummel, geboren 1968 in Ulm, studierte Französisch, Geographie und Englisch und zeigt in ihrem Sachbuch Entsorgte Väter grausame Missstände auf, die es möglich machen, dass gute, liebende Väter kaum oder nur mit schwerster Mühe ihre Kinder zu sehen bekommen.

>> Woher die Richter ihre Gewissheit damals nahmen, bleibt im Dunkeln. De facto jedenfalls, das ergibt sich aus der internen Umfrage des Justizministeriums, ist es heute so: Es gibt zwei Klassen von Eltern. Solche mit Sorgerecht und solche ohne. Gewinner und Verlierer. Sieger und Besiegte. Sorgende und Entsorgte. <<

Volker Bode muss seit der Geburt seines sechsjährigen Sohnes um jede Minuten mit ihm kämpfen. Ein langer, ausdauernder Kampf, der nicht nur viel Kraft sondern auch finanzielle Mittel fordert. Anstatt sein Kind in den Armen halten zu dürfen, beginnt er in seiner Verzweiflung ein Tagebuch zu führen und schildert über die Jahre hin so seinen Kampf. Daniel Widmann hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Sein Kind wurde ihm nach und nach entfremdet. Dennoch gibt er nicht auf und kämpft weiter. Solange bis es keine Hoffnung mehr gibt ...

Mit allen möglichen und erdenklichen Mitteln kämpfen muss auch Ralf Koch. Denn nicht nur seine Beziehung wurde von einem Tag auf den anderen beendet, sondern ebenso der Kontakt zu seiner Tochter Miriam. Etwas Zeit vergeht und schlussendlich muss sich der liebende Vater eine fürchterlichen Beschuldigung ausgesetzt sehen: Er soll seine Tochter missbraucht haben; immer und immer wieder. Und nach Wochen des Einflusses bestätigt diese die von ihrem Papa so heftig bestrittene Tatsache: „Wir gehen dann immer ins Schlafzimmer. Der Papa schließt die Türe zu. Ich habe Angst, dass der Papa wieder kommt und mir was macht.“

Wenn Väter ihren Nachwuchs nicht mehr sehen dürfen, hat das zumeist seine Gründe. Das denkt man zumindest. Entweder sie sind von sich aus desinteressiert, haben kein Gefühl für den richtigen Umgang oder aber ihre Gegenwart ist mehr oder weniger schädlich für das Kind. In jedem Fall aber ist der Abbruch des Kontaktes berechtigt, den die Mutter zumeist über die Behörden erwirkt. Oder nicht? Katrin Hummel, Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, geht mit schockierende Klarheit auf diese Frage ein und schildert in ihrem Sachbuch durch drei unterschiedliche Streitfälle die beschnittenen Rechte so mancher Väter, die sich dem Willen der Kindesmutter ausgeliefert sehen. Eine verfahrene Situation, denn glaubt man der Autorin und ihren Quellen (an deren Glaubhaftigkeit keine Zweifel bestehen), so gibt es unglaublich viele Opfer, die nicht nur entsorgt, sondern schlicht abgeschoben werden. Emotional und nicht selten auch räumlich; weit weg von ihren Kindern. Nicht weil sie schädlich für deren Wohl waren oder sind, sondern weil die sorgenden Mütter es in achtzig oder neunzig Prozent der Fälle einfach so wollen. Zumeist aus persönlichen Gründen (manchmal auch bedingt durch psychische Störungen) enthalten sie ihren ehemaligen Partnern den gemeinsamen Nachwuchs vor und unterbinden jeden Kontakt. Schnell darf man in diesem emotionalen Thriller feststellen, dass die meisten Männer kaum oder nur wenig Beistand bekommen. Zumindest, solang es nicht geschafft wurde, ein gemeinsames Sorgerecht zu erwirken. Etwas, dass (sofern man mit der Dame seines Herzens nicht verheiratet war) nur mit Zustimmung der Mutter möglich ist. Für entsorgte Väter, die auf diese Einwilligung nicht zählen können, ein Teufelskreis.

Katrin Hummel schildert den Leidensweg der drei unterschiedlichen Männer im Detail. Man erlebt ihre Sorgen, Zweifel und Geschichten. Ihre Sicht. Sehr erzählend und mit Fakten und Daten untermauert wird dem Leser das ganze Grauen offenbart und deutlich gemacht, woran es liegt, dass solch ein Leid überhaupt möglich ist: Mangelnde Gleichberechtigung. Denn mag die aktuelle Rechtslage zum Teil auch eindeutig sein, so offenbaren sich einer Mutter sehr viele Wege, diese zu umgehen. Das Gericht ist in solchen Fällen meist machtlos; verliert den Atem auf lange Zeit. Oder schlimmer: Wird angestiftet gegen den Vater zu ermitteln, dem in nicht wenigen Fällen unterstellt wird gewalttätig zu sein. Katrin Hummel schreibt sachlich; kaum frauenfeindlich oder emotional fehlgeleitet. Weder sie noch jemand zu dem sie ein persönliches Verhältnis unterhält ist (nach eigenen Angaben) von solch einem Schicksal betroffen. Es liegt schlicht in ihrer Absicht, den Männern eine Stimme zu geben; gut gelungen wie man zugeben muss. Denn Leser, die sich für dieses Thema interessieren, werden mit Informationen und Quellen im Anhang wahrlich überflutet. Schnell wird klar: Die Autorin weiß sehr gut wovon sie spricht; versäumt es jedoch nicht als Ausgleich auch einer entsorgenden Mutter ihre Stimme zu leihen, die den Leser mit dem Vorangegangenen etwas aussöhnen lässt. Denn mehr als einmal wird der Kopf geschüttelt über so viel Egoismus; mehr als einmal geht der Atem aus und mehr als einmal muss dieses Buch zur Seite gelegt werden, um den Inhalt wirken zu lassen. Entsorge Väter ist kein Zeitvertreib für Zwischendurch. Es ist hart und anstrengend dem Inhalt zu folgen, der schlussendlich ganz klar für eine familienfreundlichere Lösung plädiert.

Knapp die Hälfte der Väter erhalt keine oder so gut wie keine Unterstützung zur Durchsetzung des Umgangs durch ein Gericht. Wenn sie ihr Kind dennoch alle zwei Wochen zu sehen bekommen, können sie sich glücklich schätzen, weil sie damit zu einer Minderheit gehören: Lediglich ein Drittel der Väter ohne Sorgerecht sieht seinen Nachwuchs nach der Trennung regelmäßig, ein weiteres Drittel deutlich seltener, als festgelegt, und ein Drittel überhaupt nicht.

(Seite 65)


Fazit

Entsorgte Väter von Katrin Hummel präsentiert sich als wertvolles Sachbuch zum Thema Gleichberechtigung und Sorgerecht, dass durch den inhaltlichen Aufbau zeigt, was sich ändern muss und sollte, um solche für Kinder meist sehr schlimmen Zustände zu vermeiden, die zum Spielball der Eltern mutieren. Realistisch, tragisch und mit dem letzten Kapitel hoffnungsvoll zugleich.


Pro und Kontra

+ berührende Leidensgeschichten
+ authentische Einblicke in die Gesetzgebung
+ überzeugender, inhaltlicher Aufbau
+ Lösungsvorschlag (Cochemer Modell)

o nüchtern und sachlich erzählt

- die Streitfälle gehen fast schon zu sehr ins Detail

Wertung:

Inhalt: 4 / 5
Aktualität: 5 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 3 / 5


Interview mit Katrin Hummel (15.04.2011)