Die Bücher der Magie (Neil Gaiman)

Thomas Tilsner Verlag 2004 / Carlsen (1993)
200 Seiten
ISBN: 978-3-933773-82-1 (Carlsen: 978-3551722584)

Genre: Fantasy


Inhalt

Ein schwarz haariger sozial benachteiligter Junge wird eines Tages von vier geheimnisvollen Männern in langen Mänteln angesprochen. Sie frage ihn, ob er an Magie glaubt. Er verneint, versucht davon zu laufen und doch, nach einem kurzen Gespräch mit einem der Männer, willigt er ein, sich die andere Welt zeigen zu lassen. Für den Jungen, Timothy Hunter, beginnt eine Reise von dem Beginn der Zeit, über die Gegenwart und das Elfenreich bis in die Zukunft. Auf jedem Abschnitt wird er von einem der Männer begleitet, sie zeigen ihm, die verschiedenen Erscheinungsformen der Magie. Am Ende muss sich Timothy entscheiden. Will er ein Leben mit oder ohne Magie führen? Hat er überhaupt eine Wahl?



Rezension

Wenn man die Zusammenfassung liest und den Hauptcharakter sieht, denkt man unweigerlich zuerst an Harry Potter. Beide sind schwarz haarig, beide haben sogar eine Eule als Begleiter und beide werden als eine Art Erlöser angesehen. Sind „Die Bücher der Magie“ damit nur ein Plagiat von Harry Potter? Mit Sicherheit nicht. Denn diese Graphic Novel wurde von Neil Gaiman schon 1990 verfasst, zu einer Zeit also, in der J.K. Rowling ihren Helden noch nicht einmal erdacht hatte. Trotzdem ist es auffällig wie viele Parallelen existieren. Allerdings nur vordergründig. Ist Harry Potter eher für Kinder konzeptioniert und will nur eine gute Geschichte erzählen, gehen „Die Bücher der Magie“ viel weiter. Gaiman beschäftigt sich mit dem Wesen und den Auswirkungen der Magie. Wie sie in der Welt verankert ist oder war. Mehr als einmal streift er dabei die Philosophie, wenn er seinen Protagonisten Sätze wie: „Die Wissenschaft beschreibt das Universum mit Worten, die sie in einer gemeinsamen Realität verankern, die Magie beschreibt das Universum mit Worten, die es nicht ignorieren kann.“ in den Mund legt. Gleichzeitig offenbart er profunde Kenntnis der Mythen.

Personen wie Merlin, tauchen auf, sprechen mit Timothy über ihre Erfahrungen und ihr Leben. Dabei verbindet Gaiman die Mythen alter Zeit mit den Mythen unserer. Er lässt Figuren aus verschiedenen Comicuniversen auftreten und einen wichtigen Teil zur Handlung beitragen. Der bekannteste dabei, dürfte Constantine sein, der vor ein paar Jahren von Keanu Reeves im gleichnamigen Film gespielt wurde. Trotzdem wirkt diese Graphic Novel zu keinem Zeitpunkt wie ein weiterer Superheldencomic, dafür liegt zu viel Tiefe in den Charakteren, ist die Geschichte zu durchdacht. Bei einem anderem Autoren wäre es vielleicht nicht gelungen, doch Gaiman schafft es, dass alle Elemente zusammenarbeiten und heraus kommt ein Werk über die Magie an sich, über das Erwachsenwerden und das Schicksal.

Unterstützt wird Neil Gaiman in seinem Unterfangen von vier verschiedenen Zeichnern, die den, ihn jeweils zugewiesenen, Abschnitt in einem komplett anderen Stil darstellen.
Sind John Boltons Zeichnungen noch klar und wirken eher wie Fotos im ersten Teil der Geschichte, sind die Zeichnungen von Scott Hampton für die Gegenwart mehr Aquarelle. Charles Vess bedient sich hingegen des klassischen Comicstils, der auch für Superheldencomics verwandt wird, für das Feenreich und Paul Johnson bildet den Abschluss mit abstrakten Zeichnungen der Zukunft. Jeder Zeichenstil illustriert das Geschehen des jeweiligen Abschnittes eindrucksvoll und passt auch inhaltlich zu diesem.
„Die Bücher der Magie“ sind jedem zu empfehlen, der sich für Magie und gut erzählte Geschichten interessiert, denn nach wie vor ist diese Graphic Novel eins: Packend und interessant erzählt. Die Zeichnungen allein heben sie über den Comiceinheitsbrei hinaus und es ist faszinierend, wie alle Teile zusammenspielen. Klare Kaufempfehlung.

Ein Wermutstropfen bleibt jedoch, da sich diese Graphic Novel nicht an den Einheitsleser richtet, wird man sie wohl nur noch in Comicfachgeschäften erhalten. Hat man sie aber erstmal gefunden, gibt man sie nie wieder her.


Fazit

Wer bisher Comics nur mit Donald Duck, Asterix und Lucky Luke verbindet, sollte auf jeden Fall einen Blick in diese Graphic Novel werfen. Sie ist sehr interessant geschrieben, die Zeichnungen sind teilweise einfach erstaunlich und es wird dem Leser vor Augen geführt, dass auch andere Geschichten als die des typischen Superhelden erzählt werden können. Dazu kommt in den Formulierungen eine literarische Tiefe, die der Durchschnittscomicleser bestimmt nicht gewohnt ist.
Damit wird „Die Bücher der Magie“ auch für Leser interessant, die sonst nicht zu einem „Comic“ greifen würden.


Pro & Contra

+ interessante Geschichte, die Fragen aufwirft
+ Mythen und Legenden werden auf glaubhafte Weise eingearbeitet
+ die Zeichnungen sind auf sehr hohem Niveau und passend zum Inhalt
+ die Charaktere sind gut herausgearbeitet

+/- vier sehr unterschiedliche Zeichenstile, bei denen nicht jeder unbedingt jedem zusagen muss

- eine Vielzahl von Charakteren, die teilweise auch aus Comicuniversen stammen. Das könnte zu Verständnisschwierigkeiten führen, muss es aber nicht.

Bewertung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5

(Bei Gebrauchtkauf bei Amazon sogar 5/5, da die Carlsen-Variante dort für ab 5 Euro zu haben ist. Also besser schnell zu schlagen. Trägt dann aber noch den Titel „Das Buch der Magie")


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