Katrin Hummel (15.04.2011)

Kurz-Interview mit Katrin Hummel

Literatopia: Im März 2010 erschien Dein Sachbuch "Entsorgte Väter" im Lübbe-Verlag. Magst Du unseren Lesern ein wenig über den Inhalt erzählen?

Katrin Hummel: Das Buch handelt von Vätern, die ihre Kinder nicht mehr sehen können, weil die Mütter dieser Kinder es so wollen. Es zeigt, wie Mütter mit unfairen Tricks dafür sorgen, dass ihre Expartner ihr gesetzlich garantiertes und richterlich angeordnetes Umgangsrecht nicht wahrnehmen können. Und wie der Gesetzgeber dabei zuschaut, ohne einzugreifen. Es handelt aber auch von den betroffenen Kindern. Ein junger Mann berichtet, wie es für ihn war, seinen Vater nicht mehr zu sehen. Und es beschreibt die Motive einer Mutter, die den Vater ihrer Tochter entsorgt hat. Außerdem bietet es Lösungsvorschläge.

Literatopia: Väter im Kampf um das Sorge- oder zumindest um ein Besuchsrecht stehen bei Dir im Mittelpunkt. Warum hast Du ausgerechnet etwas über dieses Thema berichten wollen? Was war Dein Antrieb?

Katrin Hummel: Ich finde Umgangsboykott wirklich schrecklich, und ich finde es skandalös, dass er immer noch stattfinden kann, ohne dass den betroffenen Elternteilen wirklich Steine in den Weg gelegt werden. In meiner journalistischen Arbeit schreibe ich oft über Ungerechtigkeiten gesellschaftspolitischer Art. So fand ich die Idee, ein ganzes Buch über dieses Thema zu schreiben, sehr interessant.

Literatopia: Wie und nach welchen Kriterien hast Du die Männer ausgesucht, über die Du schreiben wolltest. Gab es ein bestimmtes Schicksal oder eine Information, die Dich besonders berührt hat, oder Dir vielleicht nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist?

Katrin Hummel: Ich habe mir viele Fälle angeschaut und dann diejenigen herausgesucht, die ich insgesamt am Berührendsten fand und in denen die Gerichte auch deutliche Worte für das gefunden hatten, was die Frauen ihren Expartnern und Kindern mit dem Umgangsboykott antun. So konnte ich die Ungerechtigkeit, die diesen Männern widerfährt, am besten zeigen, und auch die Ohnmacht, die sie spüren.

125246608_3ff7a11cc9.jpgLiteratopia: Konntest Du die entsorgenden Frauen in gewisser Weise verstehen? Oder musstest Du – vielleicht sogar ein bisschen wütend über Dein Geschlecht – eher mehrmals den Kopf vor Unmut schütteln?

Katrin Hummel: Ich kann diese Frauen überhaupt nicht verstehen. Es gibt aber auch Männer, die ihre Exfrauen entsorgen. Das ist also nicht nur ein reines Frauenproblem.

Literatopia: Stichwort Recherche. – Wie viel Aufwand war notwendig, um „Entsorgte Väter“ einen würdigen Rahmen zu verleihen? Hast Du Dich intensiv mit der Thematik befasst, oder versucht Dich eher so unbeeinflusst wie möglich ans Werk zu machen?

Katrin Hummel: Ich habe sehr viel Literatur zu dem Thema gelesen, viele Väter befragt und dicke Aktenberge gelesen, denn ich wollte mich ja auch vergewissern, dass diese Männer mir die Wahrheit sagen. Es war also eine sehr aufwendige Recherche.

Literatopia: Was gibt es Deiner Meinung nach über die allgemeine Gesetzeslage in Sachen Sorgerecht unbedingt zu wissen? Denkst Du, die Mehrheit der Menschen ist sich der aktuellen Situation bewusst? Oder wird das Leid mancher Väter schlicht nicht wahrgenommen?

Katrin Hummel: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bundesregierung im Dezember aufgefordert, ledige Väter bei der Vergabe des Sorgerechts besser zu stellen. Im Moment bereitet das Justizministerium einen entsprechenden Gesetzesantrag vor. Es wäre ein wichtiger Schritt, wenn ledige Väter künftig bei der Geburt ihres Kindes automatisch das Sorgerecht bekommen würden. Dann wären sie der Mutter gleichgestellt. Ich glaube aber nicht, dass Menschen, die nicht von Umgangsboykott betroffen sind, sich besonders für das Thema interessieren. Ich selbst konnte mir das Ausmaß des Leides, das sie ertragen müssen, vor meiner Recherche auch nicht vorstellen.

Literatopia: Welche Konsequenzen wäre notwendig, um die Sorgerechts-Politik zu optimieren, bzw. was müsste in Deinen Augen verändert werden? Mehr Beratungsstellen? Psychologische und rechtliche Unterstützung der Väter und Familien? Oder etwas gänzlich anderes?

Katrin Hummel: Die automatische Anerkennung der Vaterschaft auch für ledige Väter bei der Geburt eines Kindes wäre schon mal eine gute Sache. Dann müsste eine gesetzliche Pflicht zur psychologischen Beratung für Paare eingeführt werden, die um den Umgang oder das Sorgerecht streiten. Und wenn ein Elternteil den Umgang dauerhaft blockiert, sollte man schneller als bisher Geldstrafen verhängen und als Ultima Ratio nicht davor zurückschrecken, ihm das Sorgerecht zu entziehen. Nicht als Bestrafung, sondern um das Kind zu schützen. Außerdem sollten die Reisekosten zur Durchführung des Umgangs geteilt werden. Im Moment trägt sie allein derjenige, bei dem das Kind nicht wohnt. Es müsste auch eine Weiterbildungspflicht für Familienrichter geben. Die kennen sich oft nicht gut genug aus, weil es keine Ausbildung für Familienrichter gibt, die auf einem von Fachleuten einheitlich konzipierten Lernkonzept beruht. Ein Richter, der heute Baurecht macht, kann morgen Familienrichter werden. Das ist doch ein Unding!

Literatopia: Vielen Dank für das Interview, Katrin!


Rezension zu "Entsorgte Väter"


Dieses Interview wurde von Angelika Mandryk für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.