Wolfskrieger (M.D. Lachlan)

Heyne (Februar 2011)
Taschenbuch, Seiten: 560
Preis 15,00€
ISBN: 978-3453526754

Genre: Fantasy


Klappentext

Skandinavien, frühes Mittelalter: Als kleine Kinder wurden die Zwillingsbrüder Vali und Feileg von dem mächtigen Wikingerkönig Authun geraubt, doch dann wurden sie voneinander getrennt. Der eine ist dazu bestimmt, als Prinz der Wikinger das Volk zu Ruhm und Ehre zu führen. Der andere wird ' ausgesetzt in der undruchdringlichen Wildnis des Nordens ' von Wölfen großgezogen. Bis eine uralte Prophezeiung einen der Brüder zu einem schrecklichen Schicksal verdammt...


Rezension

Im Schutze der Nacht und mit nur einer Handvoll Berserker erreicht der weiße Wolf Authan, König des Nordens, eine Insel. Einer Prophezeiung folgend muss er dort ein Kind für sich entführen, denn seine Frau kann ihm keinen Sohn schenken und somit hätte er keinen Erben. Als er vor der Krippe steht, findet er aber zwei Jungen: Zwillinge. So nimmt er beide und überlässt eines den Hexen der Trollwand. Vali wächst in der Obhut der Menschen auf als Prinz. Ein Dasein, das er nicht zu schätzen weiß, denn sein Stand hält ihn von seiner Liebe Adisla ab, die eine einfache Freie ist. Zur selben Zeit lebt Feileg im Wald mit Wölfen, wo er seine menschliche Seite beinahe vollständig verloren hat. Doch von Anfang an sind ihre Schicksale miteinander verwoben und so treffen sie bald aufeinander.

M.D. Lachlan, der unter anderem Namen bereits Bücher veröffentlicht hat, betritt das erste Mal die Bühne der Fantasy. Erfreulicherweise wird die nordische Mythologie und das finstere Mittelalter in Europa als Grundgerüst genutzt und auf ein weiteres Mittelerde, dessen Wurzeln ja ebenfalls dorthin reichen, verzichtet. Leider gelingt es dem Autor nicht, aus seiner Idee den erhofften Überflieger zu machen. Dabei beginnt das Buch sehr intensiv und spannend. Lachlan versetz den Leser für die ersten 80 Seiten in einen tranceartigen Zustand, als stünde man unter dem Einfluss der Opiate, die die Berserker vor ihrem Angriff inhalieren. Mit einer verworrenen Sprache, fast gänzlich ohne Dialoge, verfolgt man den König auf seiner Suche nach seinem Thronerben, auf seiner Heimkehr und dem Besuch am Trollhang. Die Atmosphäre ist dicht, die Stimmung finster und die Bildgewalt ungemein intensiv. Stellenweise fühlt man sich in Zack Snyder's Verfilmung von Frank Miller's "300" hineinversetzt, die nicht unwahrscheinlich als Inspiration gedient hatte. In jeder Seite steckt die Magie der nordischen Götter und das Lesevergnügen ist beinahe berauschend. Doch dann kommt der Knick. Lachlan schwenkt einige Jahre in die Zukunft in der Vali und entsprechend Feileg für Wikingerverhältnisse schon erwachsen sind. Die Sprache wandelt sich von mystisch zu schlicht und ebenso die Geschichte. Unter dem Deckmantel der Liebe schickte der Autor die Zwillinge auf eine langweilige Reise, um Adisla zu finden. Dummerweise ist jedes Ereignis wie die Zusammenkunft der Brüder nicht nur unwahrscheinlich sondern auch noch gänzlich vom Zufall geleitet und so geht es das ganze Buch über. Schicksal hin oder her, nur weil es kommen muss, wie es geweissagt wurde, heißt es nicht, dass der Autor sich darauf ausruhen sollte. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, die Charaktere hätten eine Wahl oder wenigstens eine minimale Chance, dem Götterwillen irgendetwas entgegenzusetzen. Sie sind hölzerne Spielfiguren auf dem Spielbrett der Götter bis zum bitteren Schluss.

Leider haben die Protagonisten auch genauso viel Tiefe wie geschnitztes Holz. Authan, der die ersten Seiten mit seiner Präsenz erfüllt, kommt danach nur noch wenig vor. Vali, auf dem der meiste Fokus liegt, ist kein würdiger Ersatz. Seine Wandlung vom "Aschefresser", einem Jungen, der lieber im Warmen mit den Weibern sitz, zu einem Kämpfer ist unglaubwürdig und kann nicht überzeugen. Dafür ist er etwas zugänglicher. Seine Liebe zu Adsila und sein Wille, auf alles für sie zu verzichten, ist rührend. Das Mädchen ist ebenfalls nicht zu oberflächlich geraten und ihre Handlungen sind nachvollziehbar.
Leider gelingt es Lachlan nicht, den eigentlich viel interessanteren Feileg ins rechte Licht zu rücken. Er ist immer da und doch hätte man ihn streichen können, wenn er nicht eine Rolle in der Prophezeiung spielte. Hätte man ihn durch ein Artefakt oder einen Rucksack ersetzt, der Unterschied wäre kaum spürbar. Ebenso Valis alter Lehrer, der es gut mit ihm meint und ihm alles beibringen möchte, aber nie so richtig von dem Jungen gemocht wird. Da er Vali egal ist, ist er es dem Leser auch. Der Fehler für die mittelmäßige Charakterzeichnung wird vor allem in der Wahl der Erzählerperspektive zu finden sein, oder genauer gesagt in der nicht vorhandenen Perspektive. Denn der Autor hat "Wolfskrieger" als allwissender Erzähler verfasst. In einem Satz ist es Vali, der etwas denkt, im nächsten aber schon wieder Adisla, oder eben Feileg. Hätte Lachlan sich nur auf Vali konzentriert, oder systematischer aufgeteilt, wären die Charaktere womöglich nicht ganz so flach geworden.

"Wolfskrieger" macht aber nicht alles falsch. Die düstere Atmosphäre ist für ein solches Szenario sehr gut umgesetzt. Es kommen Götter vor, auch wenn man sich mehr Auftritte gewünscht hätte, die dem Roman sehr gut getan hätten. Brutalität und Härte sind nicht immer gewünscht, aber für die Wikingerzeit ist die Erbarmungslosigkeit sehr passend. Die letztendliche Auflösung ist auch überzeugend, die wiederum ist aber so verwirrend, dass es sich der Autor nicht nehmen lässt, im allerletzten Kapitel, das Geschehene noch einmal zusammenzufassen. Für sich genommen schon etwas eigenartig. Mindestens so irritierend ist Thors Hammer auf dem Cover, der in diesem Buch nicht einmal erwähnt wird. Letztlich bleibt der Roman hinter den Erwartungen zurück, besonders weil der Autor ein Engländer ist, deren Fantasyliteratur sich oft durch Vielschichtigkeit und Kreativität auszeichnet.


Fazit

"Wolfskrieger" ist ein Fantasyroman, der stark anfängt und mit einer guten Grundstimmung und Atmosphäre punktet. Leider führen eine fade Story, flache Charaktere und eine schlecht gewählte Erzählerperspektive letztlich aber doch nur zum Mittelmaß.


Pro und Kontra

+ gute Atmosphäre
+ sehr guter Anfang
+ interessante Wendung zum Schluss

o abgeschlossener Roman, der zwei weitere Bände nach sich ziehen wird

- flache Charaktere
- vom Schicksal gelenkter Ausgang zu eindeutig
- Erzählerperspektive
- unspektakulärer Mittelteil

Beurteilung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 2,5/5