Midwinter (Matthew Sturges)

Bastei Lübbe (März 2011)
443 Seiten, 14,00 Euro
ISBN: 978-3-404-28547-1

Genre: Fantasy


Klappentext

Mauritane ist Hauptmann in der Elfenarmee der Seelie. Einst als Kriegsheld gefeiert, sitzt er nun wegen Verrats im Kerker, zu lebenslanger Haft verurteilt. Trotz seiner Unschuld sind seine Tage gezählt. Doch dann unterbreitet die Königin ihm ein einmaliges Angebot: Mauritane soll eine Elitetruppe zusammenstellen und einen geheimen Auftrag für sie erledigen. Hat er Erfolg, weil sie ihn und seine Gefährten begnadigen. Doch die Sache hat einen Haken. Der Auftrag ist ein Himmelfahrtskommando ...


Rezension

Matthew Sturges hat schon so manche Bücher für DC Comics geschrieben und wurde unter anderem für den Eisner Award nominiert. Mit Midwinter präsentiert der heute in Texas lebende Autor nun seinen ersten Roman, entführt den geneigten Leser in eine Welt vielfältiger, moderner sowie klassischer Ideen und beweist, dass das Fantasy-Genre immer noch jung, geradezu frisch, sein kann.

>> „Ich bitte Euch!, sagte Silberdun. „Wenn ich ein Schwindler wäre, warum zum Henker sollte ich dann einen so stümperhaften Abklatsch von meinem Ebenbild erschaffen? Ich seh mir ja nicht mal ansatzweise ähnlich!“ „Vielleicht seid Ihr in Sachen Trugbild einfach nur grausam schlecht“, hielt Satterly dagegen. „Oder das Ganze ist eine ausgeklügelte Finte.“ <<

Mauritane kennt man als unnahbar und zurückgezogen. Ehre und Stolz sind ihm wichtig, ebenso wie sein ausgeprägter Verstand. Ein Verstand, der ihn wissen lässt, dass er für immer eingesperrt bleiben wird; unschuldig und als Verräter beschimpft. Doch es soll gänzlich anders kommen. Denn nicht nur sein Erzfeind scheint ihm weiterhin übel mitspielen zu wollen, auch die Königin verfolgt einen undurchsichtigen Plan, dessen Sinn dem ehemaligen Hauptmann der Seelie verborgen bleibt. Gemeinsam mit anderen Insassen des berüchtigten Gefängnisses soll Mauritane etwas Bestimmtes für die Königin besorgen. Etwas, wie sich herausstellt, von essentieller Natur. Und so begiebt sich Mauritane, vom Pflichtgefühl geleitet, erneut in den Dienst seiner Herrin und muss binnen kürzester Zeit durch unwirtliches Gelände ziehen. Nicht nur Trolle, eine gefürchtete Legende und übersinnliche Portale verstellen den Weg der Gefährten, sondern auch merkwürdige Menschen, die einen Ausweg suchen; zurück in die Moderne.

Ein ansprechendes Cover und ein prägnanter Klappentext haben schon so manches Leserherz zum leidenschaftlichen Zugreifen verführt. Und beinahe jeder Bücherwurm kennt dieses Gefühl, wenn die Farben locken und die Abbildungen der Charaktere gefallen; sich schon ohne viel Vorwissen in den eigenen Gedanken so manch persönliches Highlight entwickelt. Debüt-Autor Matthew Sturges, der mit seinem Roman Midwinter, laut Fantasy Book Critie, zu den besten sowie bemerkenswertesten Newcomern des Jahres zählt, ist mit eben einer solch einnehmenden Aufmachung seines Romans gesegnet worden. Eine Optik, die überzeugt, doch dieser erste Eindruck und das schon typisch gewordene Versprechen, ein kleines Meisterwerk in den Händen zu halten, lässt vor allem rückblickend betrachtet nur bedingt Begeisterung entstehen. Denn mag Matthew Sturges zwar große Geschütze auffahren und sich darüber hinaus als durchaus talentiert erweisen, so lastet seine Kreativität und die Fülle der verpackten Ideen, dicht gedrängt auf vierhundert Seiten, fast schon erdrückend schwer. Schlag auf Schlag geht es in der Handlung voran. Die Ideen mehren sich und werden manchmal vielschichtig, dann aber auch wieder oberflächlich an den Leser gebracht. Wundersame Erfindungen, diverse Zeitreisen, klassische Ideen, unterschiedlichen Charakteren, merkwürdige Prophezeiungen, magische Wesen, fliegende Städte, surrende Automotoren und gründliche Portionen von Humor, Ernst und Ehre begleiten den Leser hierbei auf dieser Reise durch die verwaisten Grenzgebiete der Seelie (Elfen), die schlussendlich gezwungen sind, einer Invasion ins Auge zu sehen und für ihr Überleben zu kämpfen. Action mischt sich mit Spannung, Handlung mit Geschwindigkeit und auf der Strecke bleiben so manche logische Erklärungen ebenso wie die notwendige Ausarbeitung diverser Charaktere. Personen, die natürlich (dem Schema treu, denn Unterschiedlichkeit ist längst nicht mehr gleichbedeutend mit Erfolg) recht verschieden sind und durchaus auch das Interesse des Lesers zu wecken verstehen. Doch der Fülle zum Opfer fallend, bleiben sie hinter ihrem Potenzial zurück und gerade Mauritane ist zu jeder Zeit geheimnisvoll. Er besticht durch seine stolze, autoritäre Persönlichkeit, lässt den Leser jedoch kaum an sich heran und mitunter auch deshalb wirkt Midwinter über weite Strecken bar jeder nahegehenden Emotion.

Stattdessen wird das furiose Geschehen durch die unterschiedlichen Sichtweisen so mancher, kurzweiliger Antagonisten weiter zusammen gedrängt. Munter springt der Leser von Charakter zu Charakter. Zum Teil Positives (unterschiedliche Sichtweisen) sowie auch Negatives (uninteressante, zeitraubende Schicksale) wird hier offenbart und der Versuch, sich auf diese Art um etwas Tiefe zu bemühen, schlussendlich bewundert, denn nur wenige Autoren trauen sich einen solch ausufernden Spagat. Einer, der jedoch (wie so vieles) in einem längeren Roman noch besser zur Geltung gekommen wäre. So jedoch nimmt er den an sich schon dicht an dicht gedrängten Ideen zu viel Platz. Dennoch: Matthew Sturges gelingt es beinahe zu jeder Zeit seine Leser zu unterhalten, ohne dabei nahe an der gewünschten Perfektion zu sein. Manche Dialoge erinnern entfernt an Joe Abercrombie, laden herzlich zum Lachen ein, andere wirken unvermittelt hölzern und voller übertriebenen Elfen-Stolz. Schillernd funkelnd werden Ideen präsentiert wie Portale und Parallelwelten (durch die man mit Autos fahren kann), die etwas gänzlich anderes sind, als man erwartet hat. Sie bestärken den eher verspielten Gesamteindruck, der schussendlich den Leser zu überzeugen versteht, gerne weiterlesen zu wollen. Denn trotz aller Stolpersteine freut man sich auf Fortsetzungen und besonders auf den zweiten Band Schattenspäher, der in diesem Jahr noch erscheinen wird. Spätestens dann geht der Kampf der Seelie und Unseelie in die nächste Runde und der Leser wird dann wohl auch erfahren dürfen, ob sich Matthew Sturges noch ein wenig wird steigern können, indem er weniger tief in die Trickkiste greift.

„Wir leben noch alle“, stellte Raive ungläubig fest. „Fünf gegen ... achtzehn, und wir sind noch alle am Leben. Wie?“ Aller Augen richteten sich auf Mauritane. Es war Eloquet, der schließlich sagte: „Ihr besitzt alle zwölf Gaben, hab ich recht? Kein normaler Mann vermag so zu kämpfen.“ Mauritane gab keine Antwort. „Und läuft die Zeit davon“, murmelte er.

(Seite 393)


Fazit

Midwinter von Matthew Sturges ist ganz sicherlich kein Meisterwerk, aber dennoch ein gut gelungenes Debüt mit viel Potenzial. Neue Ideen (leider überladen) bringen Spannung und Frische und lassen diesen Roman zu einem kurzweiligen Erlebnis werden, das es vor allem für Fans rascher Unterhaltung zu empfehlen gilt. Vielschichtig, etwas gewagt, nicht immer ganz rund und erfreulich anders. - Man ist gespannt auf mehr.


Pro und Kontra

+ interessante Protagonisten & Parallelwelten
+ teils tiefgründig sowie vielfältige Welt
+ frische, unterhaltsame Ideen
+ teils sehr amüsante Dialoge
+ spannend bis zum Schluss
+ keine Schwarz- und Weißmalerei
+ wunderhübsches Cover
+ unvorhersehbar & komplex

o sprachlich solide und simpel
o teils umgangssprachlich

- viel verschenktes Potenzial durch mangelnde Länge
- Ideen zwar neu, jedoch selten wirklich erklärt
- so manch unlogische Handlungen der Charaktere
- oftmals zu sprunghaft und platt
- manche Ausdrücke wollen nicht immer passen

Wertung:

Handlung: 3,5 / 5
Charaktere: 3 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 3,5 / 5


Rezension zu "Schattenspäher" (2)