Könige der ersten Nacht (Bernhard Hennen)



Heyne-Verlag
Taschenbuch
589 Seiten, 9,99 EUR
ISBN: 978-3-453-53361-5


Genre: Historisch


Klappentext (innen)

Mailand im Jahr 1162. Endlich ist es soweit – nach scheinbar endloser Belagerung fällt die Hauptstadt der Lombardei in die Hände Friedrich Barbarossas. Und mit ihr auch der wertvollste Schatz der Christenheit: die Gebeine der Heiligen Drei Könige. Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln und rechte Hand des Kaisers, wähnt sich am Ziel seiner Wünsche: Die heiligen Überreste der Weisen aus dem Morgneland sollen im Kölner Dom ihre letzte Ruhestätte finden. Zahllose Gläubige aus aller Herren Länder würden in die Stadt am Rhein kommen und sie zur bedeutendsten Pilgerstätte des Abendlandes machen. Doch dann entdeckt Rainald ein ungeheuerliches Geheimnis, das all seine Pläne zunichte zu machen droht: Bei einem der Könige handelt es sich um eine Fälschung! Der mächtige Erzbischof ist jedoch fest entschlossen, alle drei Könige nach Köln zu bringen, und so werden in einer dunklen Nacht vier Ritter aus dem Gefolge Barbarossas ausgesandt, um den dritten König zu finden. Eine abenteuerliche Reise beginnt und führt sie über Konstantinopel bis ins heilige Land. Auf ihren Weg begegnen sie geheimnisvollen Frauen, weisen Mönchen und tödlichen Gefahren, denn nicht nur Rainald von Dassel, sondern auch der Papst ist hinter der kostbaren Reliquie her. Denn wer sie findet, kann den Lauf der Welt für immer verändern …


Rezension

„Könige der ersten Nacht“ ist in mancher Hinsicht komplexer gesponnen, als es der Klappentext vermuten lässt. Das beginnt bei den verschiedenen zeitlichen Ebenen, von denen nur eine sich in der Buchbeschreibung wiederfindet. Schon der Prolog greift jedoch deutlich weiter zurück, bis in die Antike; und die umfangreiche, ebenfalls mittelalterliche Rahmenhandlung spielt im Jahr 1189. Allein sie kompliziert die ganze Anlage der Geschichte schon erheblich, denn Teile der Rahmenhandlung werden immer wieder in die eigentlichen Abläufe eingeschoben. Dazu kommt eine eigene Unterteilung der Haupthandlung in verschiedene Abschnitte, zuerst „Rother“, dann „Heinrich“, schließlich „Ludwig“, in denen jeweils Fokus und Perspektive wechseln.

Inwieweit dieser komplizierte Aufbau tatsächlich notwendig war, um die Geschichte der Suche nach den Drei Heiligen Königen zu erzählen, muss jeder Leser für sich beurteilen. Sobald man sich einigermaßen eingewöhnt hat, findet man sich jedenfalls dank deutlicher Kennzeichnungen der verschiedenen Abschnitte trotzdem gut zurecht. Und gegenüber den vielen allzu geradlinig gestrickten Romanen, gerade aus dem historischen Genre, ist dieser formell spannendere Aufbau eine angenehme Abwechslung.

Abwechslung bietet der Roman auch in anderer Hinsicht, denn es ist eindeutig kein Frauenroman. Der Fokus liegt auf den männlichen Hauptpersonen: den vier Rittern auf ihrer Suche nach den Leichen der legendären Könige und Rainald von Dassel, dem intriganten, schon mehr als nur leicht sinistren, mit allen Wassern gewaschenen Erzbischof. Während der Erzbischof einigermaßen typisch daherkommt, sind die Ritter Anno, Heinrich, Ludwig und Rother entschieden gegen den Strich gebürstet, ein weiterer, höchst erfreulicher Unterschied zu vielen anderen historischen Romanen. Es sind keine hehren Lichtgestalten, erfüllt von glühendem Idealismus (vielleicht mit Ausnahme Rothers, der zum grauslichen Ende seines kurzen Lebens hin selbst eine gewisse Heiligenartigkeit entwickelt), andererseits aber auch keine dumpfen Schlachtmaschinen. Der Erzbischof wählt sie nicht für die Suche aus, weil sie besonders bedeutend, besonders tüchtig, besonders rein oder besonders verderbt wären. Sie sind (wiederum mit der Ausnahme des jungen Rother) vor allem eines, erpressbar. Eng verschlungen mit ihren „tragic flaws“ tragen sie alle vier Sehnsüchte in sich, deren Erfüllung der Erzbischof für den Erfolgsfall vor ihrer Nase baumeln lässt wie die Karotte vor dem sprichwörtlichen Esel. Und folgsam laufen sie ihr nach, durch die halbe Welt und endlich jeder in sein ganz individuelles Verderben.

Sympathieträger sind diese Ritter nicht unbedingt, aber dafür eben menschlich; selbst ohne tiefere psychologische Durchleuchtung ihrer Charaktere. Ihr Wettlauf in den Untergang ist spannend geschildert und gekonnt verflochten mit dem historischen Hintergrund: der für das Früh- und Hochmittelalter so prägenden Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst, den ewig miteinander um die absolute Vormachtstellung ringenden „zwei Schwertern“ der Christenheit. Hennen zeigt hier, ganz unaufdringlich, das tiefe Verständnis des Historikers, der er ja u.a. ist, für übergreifende geschichtliche Zusammenhänge. Dies macht auch der Verzicht auf allzu ausufernde, an sich unwichtige Details deutlich.


Fazit

„Könige der ersten Nacht“ ist ein gekonnt geschriebener, spannend erzählter und sorgfältig recherchierter historischer „Männer-Roman“, der aber nicht in die Falle exzessiver Gewaltschilderungen tappt. Gut gemachte Unterhaltung für etliche vergnügliche Stunden, verbunden mit einer unaufdringlichen Nachhilfelektion in mittelalterlicher Geschichte.


Pro und Kontra

+ gute Vermittlung historischer Hintergründe, dazu ca. 10 Seiten Erläuterungen am Ende des Buchs
+ angenehm lesbar
+ spannend
+ interessante Charaktere
+ keine exzessiven Folter- oder Vergewaltigungsszenen

0 komplizierter formeller Aufbau
0 überarbeitete Neuauflage, Originalroman von 1999

- wenig Sympathie entsteht für Hauptpersonen
- wenig wirklich Neues für das Genre „historischer Roman“


Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Sprache: 3/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Interview mit Bernhard Hennen (2012)

altes Interview von 2009 (mit vielen Leserfragen!)

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