Annie Bertram (21.07.2011)

Interview mit Annie Bertram

Literatopia: Hallo Annie! Schön, Dir ein paar Fragen stellen zu können. Im Juni ist bei UBooks Deine neue Anthologie „Obsolete Angels“ erschienen – verrate unseren Lesern doch erst einmal, was sie in Deinem Bildband erwartet

Annie Bertram: Ein Bild- und Textband mit fantastischen Bildern und fantastischen Texten. Hier kann man in eine andere Welt eintauchen und den Alltag hinter sich lassen.

Literatopia: Im Zusammenhang mit „Obsolete Angels“ fällt des Öfteren der Begriff „Steampunk“ und bei Betrachtung der Bilder entdeckt man auch immer wieder passende Elemente. War die Anthologie von Anfang an auf diese Verbindung von Mechanik und Melancholie ausgelegt?

Annie Bertram: Das ist eher zufällig passiert, wobei ich sagen muss, dass der Steampunk-Style mir sehr gefällt. Die Idee zum Buch kam aber woanders her. Ich reise schon seit vielen Jahren durch Europa und besuche und dokumentiere vergessene Orte. Dies inspirierte mich so sehr, das ich mir eigene Geschichten zu diesen Orten ausgedacht habe. Viele der Wesen sind biomechanischer Natur und die Melancholie der Vergänglichkeit schwingt an jedem dieser Orte mit.

Literatopia: Besonders beeindruckend ist wieder einmal das Maskenbild. Wie genau entsprechen die Kostüme Deinen Visionen? Hast Du strenge Vorgaben gemacht oder konnten sich Deine Leute quasi nach Belieben austoben?

Annie Bertram: Ich arbeite sehr gern im Team und wir tauschen untereinander Ideen aus. Am Anfang steht jeweils eine Idee und dann beginnen wir ein Brainstorming zu machen. Bei der Umsetzung des Themas hat jeder seine kreative Freiheit die er braucht. Wir sind alle gleichberechtigt und ich finde diese Arbeitsweise sehr spannend.

Literatopia: Wie ist es dazu gekommen, dass Markus Bär zu jeder Geschichte Zeichnungen beisteuert? Bist Du auf ihn zugegangen oder ist die Idee beim abendlichen Beisammensein und Sprechen über die Anthologie entstanden?

Annie Bertram: Für meine Zeichnungen hatte ich Baupläne/technische Zeichnungen im Kopf. So gestaltete sich das Konzept, dass erst eine Fotografie des jeweiligen Ortes zu sehen ist und gleich daneben ein Bauplan der der Geschichte entspricht. Markus kannte ich über die Band Lost Area, für welche ich Artworks und Fotos gestaltete. Ich wusste, dass Markus technischer Zeichner von Beruf ist und so fragte ich ihn, ob er Lust hätte hier mitzuwirken. Ich schlug die Motive der jeweiligen Zeichnungen vor und er setzte sie um.

Literatopia: Wie viele Personen haben Zeit und Arbeit in „Obsolete Angels“ investiert? Und wie lief die Zusammenarbeit ab? Hattest Du Kontakt zu den Autoren, die die Texte zu Deinen Bildern geschrieben haben?

Annie Bertram: Ich habe nicht die genaue Anzahl im Kopf aber das Netzwerk um „Obsolete Angels“ war schon gewaltig. Mit den Autoren habe ich jeweils Kontakt gehabt im Vorfeld. Ich lieferte ein Storyboard und die Fotos und dann wurden die Schreiber kreativ. Hinter den Kulissen haben allerdings auch sehr viele Menschen gearbeitet, an dieser Stelle herzlichen Dank an alle die das Projekt unterstützt haben.

Literatopia: Zu den Models gehören unter anderem auch Chris Pohl (Blutengel), Holly Loose (Letzte Instanz) und Dennis Ostermann (In Strict Confidence) – magst Du auch Ihre Musik? Und wie sind die Musiker vor Deiner Linse gelandet?

Annie Bertram: Für Chris Pohl / Blutengel habe ich schone mehrere Fotos und Artworks für seine Projekte erstellt. Die Zusammenarbeit mit ihm war immer sehr kreativ und spannend. So dass er nach „Wahre Märchen“ auch in „Obsolete Angels“ vor meiner Kamera stand. Dennis Ostermann schätze ich als Künstler sehr. Ich hatte mich immer gefragt, was rauskommen würde, wenn wir beide die Köpfe zusammenstecken würden. Und mit dem Ergebnis bin ich sehr glücklich. Holly Loose kannte ich über den Verlag und so bot sich eine Zusammenarbeit an. Zuerst sollte es nur der Text sein, später fungierte er als Darsteller in seiner eigenen Geschichte.

Literatopia: Dieses Mal waren auch von Dir zwei Texte dabei. Unternimmst Du häufiger Ausflüge in literarische Gefilde? Und was hat Dich zu „Mechanical Bird“ und „Edens End“ inspiriert?

Annie Bertram: Ich selbst würde mich nicht als Schriftsteller bezeichnen, ich denke das können andere besser als ich. Ab und zu schreibe ich meine Gedanken nieder oder verarbeite Sachen damit. Oftmals sind die Eindrücke der Fotoshootings so überwältigend, dass ich sie einfach festhalten muss, aus Angst, dass sie eines Tages verblassen könnten.

Literatopia: Was inspiriert Dich allgemein zu Deinen Fotographien? Kann beispielsweise Musik solch surreale Bilder erzeugen oder gar Träume?

Annie Bertram: An erster Stelle ist es das, was in mir ist. Mein Herz und meine Seele. Das Leben im Allgemeinen und was ich sehe. Ich verarbeite Träume und lasse mich von Musik

Literatopia: Wo fanden die Shootings für „Obsolete Angels“ stand? Und welches Setting hat Dir persönlich am besten gefallen?

Annie Bertram: Zum Schutz der Orte möchte ich hier keine Namen oder Daten herausgeben. Leider existieren die meisten dieser Lokalitäten in dieser Form nicht mehr.
Dabei hat jeder Ort seinen eigenen Charme und seine eigene Stimmung. Jeder dieser Orte ist speziell und ich habe sie versucht etwas in diesem Buch unsterblich zu machen.

Literatopia: Wenn Du nicht gerade an einer Anthologie arbeitest, wen und wofür fotographierst Du? Wo können Fans Deine Bilder bewundern?

Annie Bertram: Ich fotografiere Künstler und gestalte Cd-Artworks. Weiterhin mache ich Fashionaufnahmen für Modedesigner. Aber auch tiefgründige Projekte interessieren mich. Soeben habe ich eine Fotostrecke mit einer krebskranken Frau abgeschlossen.
Meine Arbeiten kann man in regelmässigen Abständen in Ausstellungen betrachten. Die aktuellen Termine und Infos kann man auf meiner Website http://www.anniebertram.com nachlesen.

Literatopia: Finden sich Deine Werke nur in Büchern, Zeitschriften oder auf Webseiten? Oder gab es auch schon Ausstellungen mit Deinen Fotographien?

Annie Bertram: In regelmässigen Abständen veranstalte ich Ausstellungen. Meine Werke waren schon in Berlin, London, USA, Italien und im HR Giger Museum in Gruyeres zu sehen. Aktuelle Daten finden sich auf meiner Website.

Literatopia: Bereits 2008 fanden Deine faszinierenden Bilder und düstere Texte in „Wahre Märchen“ zusammen. War es auch damals so, dass die Fotographien zuerst da waren? Woher stammte die Idee, Märchen in einem melancholischen bis morbiden Gewand zu präsentieren?

Annie Bertram: Märchen habe ich schon seit meiner Kindheit sehr gern gelesen. Spannend finde ich, dass die Botschaften der Märchen sogar heute noch Bestand haben. So kam mir die Idee die klassischen Märchen der Gebrüder Grimm und Hans Christian Andersen auf meine Art und Weise neu zu interpretieren. Es entstanden Storyboard und Fotostrecken und die Autoren schrieben die Märchen neu.

Literatopia: Welches klassische Märchen gefällt Dir persönlich am besten? Und welche Umsetzungen in „Wahre Märchen“ haben Dir besonders gut gefallen?

Annie Bertram: Mein Lieblingsmärchen ist das „Mädchen mit dem Schwefelholz“ von Hans Christian Andersen. Aber die Umsetzung aller Märchen hat mir sehr gut gefallen.

Literatopia: Was liest Du privat gerne? Ist Dein Geschmack eher phantastisch und düster oder kannst Du Dich auch für einen Krimi oder gar ein Familiendrama begeistern?

Annie Bertram: Leider bleibt mir nicht sehr viel Zeit zum Lesen, da ich sehr ausgelastet bin mit meiner Fotokunst. Ich lese sehr gern Märchen und Sagen, sowie phantastische Sachen.

Literatopia: Wir hoffen sehr, dass „Obsolete Angels“ nicht die letzte Anthologie ihrer Art bleibt. Gibt es schon Pläne für ein neues Werk?

Annie Bertram: Ich arbeite derzeit an einer Fortsetzung von „Wahre Märchen“ , welche 2013 erscheinen soll.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview, Annie!

Annie Bertram: Herzlichen Dank für das Interview an Euch!


Fotos: Copyright by Annie Bertram

Rezension zu "Obsolete Angels"

Rezension zu "Wahre Märchen"


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.