Seelenhüter (Laura Whitcomb)

Droemer/Knaur (Mai 2011)
Softcover
Seiten: 368, 14,95 EUR [D]
ISBN: 978-3-4262-8332-5

Genre: Fantasy


Klappentext

Calder ist ein Seelenhüter, der den Menschen seit über 300 Jahren die Tür in das Leben nach dem Tod öffnet. Doch als er eines Tages das Zimmer eines kranken Jungen betritt, geschieht etwas Unerwartetes: Er verliebt sich auf den ersten Blick in die am Bett wachende, bildschöne Alexandra. Calder ist überzeugt: Sie ist seine Seelenverwandte! Er bringt es nicht übers Herz, der jungen Frau weh zu tun, und schenkt dem Kind das Leben. Von nun an kann Calder die Schönheit Alexandras nicht mehr vergessen. Aber um sie wiederzusehen, muss er die uralten Gesetze der Seelenhüter brechen – mit fatalen Folgen.


Rezension

Calder ist ein Hüter der Seelen Sterbender. Stets öffnet sich ihm eine neue Tür zu einem Todesschauplatz. Hat sich die Seele entschlossen zu sterben, begleitet er sie auf ihrem Weg durch die Passage gen Himmel. Doch als sich seine nächste Tür öffnet, ändert dies sein ganzes Dasein. Er findet eine schöne Rothaarige vor, die ihr sterbendes Kind in den Armen hält. Die Liebe, die sie dem Kind entgegen bringt, überwältigt Calder. Plötzlich ergreift er Partei und möchte nicht, dass das Kind stirbt, doch damit überschreitet er die unwiderruflichen Regeln des Himmels. Doch der Begleiter kann nur noch an diese Frau denken. Wer ist sie? Hat sie das Schicksal geschickt? Soll sie vielleicht sogar sein Lehrling werden? Hals über Kopf macht sich Calder auf und stiehlt den Körper seines nächsten Toten, um nach dieser Frau zu suchen. Was er noch nicht weiß, ist, dass er damit das Gleichgewicht des Himmels ins Wanken bringt, was schwere Folgen nach sich zieht.

Die Grundidee von Seelenhüter ist wundervoll. Ein sonst gefühlsneutraler Begleiter beginnt an sich und seiner Sache zu zweifeln, als er eine schöne Frau trifft, die ihn absolut fasziniert. Ja, es geht sogar weiter, er bricht mit all seinen Gesetzen, um sie zu finden und sie zu sich zu nehmen als seine Nachfolgerin. Doch endet diese Idee, noch bevor sie begonnen hat und das auch noch sehr nüchtern. Als Calder die Fremde findet, stellt er schlicht beim ersten Zusammentreffen fest, dass er sich wohl geirrt hat und alles umsonst war - sie ist nicht seine Auserwählte. Und hier beginnt der zweite Teil der Geschichte, wie der Verirrte versucht wieder in den Himmel zu kommen. Doch hierzu muss er einige Aufgaben lösen, die ihn um die ganze Welt führen, auf der Suche nach dem verloren Schlüssel in seine Heimat. Direkt danach beginnt die Geschichte sich in die Länge zu ziehen. Aus der vom Klappentext versprochenen Romanze entwickelt sich eine lange Reise im frühen 20 Jahrhundert, die eindrucksvolle, vielfältige Schauplätze bildlich zeigt, an denen aber einfach so gut wie nie etwas passiert. Zwar ist die Geschichte gesät mit ereignisreichen Situationen, doch Laura Whitcomb erstickt jede Spannung durch schnelles Abhandeln und fehlende Informationen sofort im Keim. Irgendwann findet sich der Leser in einem Sumpf aus Monotonie wieder, der sich meist um geistige Banalitäten dreht. Die wirklich wichtigen Schlüsselsituationen, auf die das ganze Buch über hingearbeitet hat, werden schnell abgefrühstückt, so dass man sich am Ende tatsächlich fragt, was eigentlich der Sinn des Romans bzw. der endlosen Reise war.

Und genauso farblos wie der Geschichtsverlauf sind auch die Charaktere. Es ist zwar grundsätzlich gut mitzuerleben, wie sich Calder an seinen neuen Körper gewöhnt, hat er ja sonst nur auf astraler Ebene existiert, aber selbst das geht viel zu schnell vorüber. Seine Gedanken drehen sich immer um die gleichen Punkte, ohne einen Fortschritt erkennen zu lassen. Sehr auffrischend sind hier allerdings die Erinnerungsfetzen aus seinem früheren Leben als Mensch, die ihn immer wieder überrumpeln. Doch auch ihnen wird relativ wenig Bedeutung zugesprochen. Die Kindern, die ihn auf seiner Reise begleiten, bleiben ähnlich flach, was vielleicht damit zu tun hat, dass alles aus Calders Sicht spielt und somit nur die tatsächlichen Handlungen der anderen Charaktere gezeigt werden, nicht aber deren Gefühlsleben.

Der Schreibstil Laura Whitcombs ist wie schon in Silberlicht sehr schön, bildgewaltig und poetisch. Anders aber als ihn ihrem Debüt beschäftigt sie sich diesmal nicht mit der modernen Welt, sonder gibt ihrer Geschichte einen historischen Hintergrund und lässt den Leser so in die Welt rund um die sagenumwobene Zarenfamilie Romanow blicken. Zudem bringt sie mit dem Mystiker Rasputin auch Fantasyelemente mit ein.
Seelenhüter, das nicht an Silberlicht anknüpft, aber von der Umsetzung her auch leider an diese wundervolle Liebesgeschichte heran kommt. Trotzdem ist das Cover wieder sehr schön gestaltet und glitzert diesmal in blau.


Fazit

Seelenhüter von Laura Whitcomb beginnt mit einer innovativen Idee und verspricht eine Liebesgeschichte, die die so gelungene Story von Silberlicht in den Schatten hätte stellen können. Doch schafft es die Autorin nicht, dies umzusetzen und so muss sich der Leser durch viele Seiten Monotonie und konstruierte Wendungen arbeiten, die leider nicht überzeugen können. Für diejenigen, die die Sprachgewalt Whitcombs wiedererleben wollen, könnten hier auf ihre Kosten kommen.


Pro und Kontra

+ schöne Sprache
+ gute Grundidee
+ historische Verknüpfungen

- Spannung kommt nicht auf
- blasse Charaktere
- viele Längen
- wichtige Punkte werden schnell abgehandelt

Beurteilung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5


Rezension Silberlicht