Der Fluch der Abendröte (Leah Cohn)

Krüger Verlag (Mai 2011)
Hardcover mit Schutzumschlag
464 Seiten, 18,95 EUR (D), 19,50 EUR (A)
ISBN: 978-3-8105-1075-4

Genre: Fantasy


Klappentext

Vereint mit ihrer großen Liebe Nathanael Grigori und ihrer gemeinsamen Tochter Aurora, scheint in Sophies Leben endlich Ruhe eingekehrt zu sein. Aber ihr Glück wird bald durch unheimliche Ereignisse zerstört: Alpträume plagen Sophie, Nathan verschwindet plötzlich spurlos und Aurora wird entführt – genau in dem Moment, als ein alter Widersacher, der totgeglaubte Caspar von Kranichstein, wieder auftaucht. Jetzt muss nicht nur Sophie all ihren Mut zusammennehmen und sich der unheimlichen Gefahr stellen, auch auf Aurora wartet die größte Prüfung ihres Lebens: In ihr erwacht das Erbe ihres Vaters – doch sie wandelt sich nicht einfach nur in eine Nephila – sondern in eine der mächtigsten ihrer Art …


Rezension

Nach dem dramatischen Kampf gegen ihren Erzfeind Caspar von Kranichstein leben Sophie und Nathan mit ihrer Tochter Aurora seit fünf Jahren ungestört in Hallstatt. Aurora kann sich an ihr Erwachen als Nephila nicht erinnern und ist ein mehr oder weniger normales Kind: Ein bisschen ruhig und schüchtern, aber einer innigen Freundschaft zu der gleichaltrigen Mia belebt. Doch das Familienglück wird gestört, als auf einem Schulfest die Zuschauertribüne zusammenbricht und Nathan seine Nephilimkräfte offen zeigen muss, um Sophie und einen alten Mann zu retten. Die ungläubigen Fragen lassen zwar schnell nach, doch von nun an kehren Ängste und Sorgen in Sophies Leben zurück. Als Nathan sie mit der verstörenden Bitte, Hallstatt sofort den Rücken zu kehren, verlässt und Auroa entführt wird, bricht für Sophie die neue heile Welt endgültig zusammen …

„Der Fluch der Abendröte“ krankt an ähnlichen Begebenheiten wie der Auftakt der Reihe, „Der Kuss des Morgenlichts“. Leah Cohn scheint die Phantastik einfach nicht zu liegen. Zwar sind auch hier die mythologischen Hintergründe interessant gestaltet und beinhalten viele Informationen über die Welt der Engel, doch die Erklärungen wirken dieses Mal hastig herunter geschrieben. Vor allem bleiben sie viel zu vage, wenn es um die Welt der Nephilim geht. Zwar scheint deren Hierarchie derer der Engel zu ähneln, doch fehlen individuelle Eigenschaften und Vergangenheit. Der Geschichte selbst mangelt es an Phantasie: phantastische Element sind vorhanden, wirken aber oftmals unpassend und leiden an schwacher Umsetzung. Die Nephilim sind unnatürlich schnell und stark, trotzdem gelingt es Sophie, mit ihrem Tempo mitzuhalten. Die Kräfte der Engelnachkommen unterliegen scheinbar keinen Grenzen, sondern werden je nach Situation ausgeweitet oder beschnitten. Dennoch trägt der mythologische Background maßgeblich zum Lesespaß bei, ebenso wie der flüssig zu lesende Stil. Für manchen Geschmack ist dieser sicher zu einfach, passt aber mit seiner gefühlvollen Note gut zur Story. Außerdem gelungen ist die Einbindung der Geschichte Hallstatts, bei der sich die gute Recherchearbeit der Autorin spiegelt.

Ein weiteres Problem dieses Romans ist Sophie selbst. Im ersten Band war die jugendliche, sanfte Sophie, die das Klavierspiel über alles liebte, noch herzerwärmend und sympathisch. Als Erwachsene konnte sie auch damals kaum überzeugen und zeigt nun wieder die ungeliebten Eigenschaften wie eine ausgeprägte Hysterie und Kopflosigkeit. Zwar bringt man durchaus Verständnis für ihre Sorge um Aurora auf, schließlich ist der Mutter das Kind das Wichtigste, doch bei allen Paranoia und bösen Vorahnungen, die Sophie hat, bleibt der Lesespaß auf der Strecke. Zudem handelt Sophie nicht, sondern erliegt lediglich ihren negativen Gefühlen. Und so kommt alles, wie es kommen muss. Obwohl Sophie die Entführung ihrer Tochter sehr konkret erahnt, bleibt sie untätig und schweigt sich aus, um ihren Nathan nicht zu belasten. Ebenso schweigt sich Nathan aus, um Sophie zu schonen. Das ist zwar emotional hochdramatisch, aber auch nervig und man fragt sich mehr als einmal, warum Sophie und Nathan eigentlich nicht gemeinsam den Gefahren trotzen können. Und vor allem warum die Autorin wieder zum gleichen Mittel wie im ersten Band greifen muss – Nathan verschwindet für gewisse Zeit von der Bildfläche und Sophie allein bekommt nichts mehr auf die Reihe.

Nathan wird dabei nicht mehr als starker Nephilim wahrgenommen, sondern als zögerlicher Feigling. Dabei büßt er die Faszination seiner überirdischen Ausstrahlung nahezu komplett ein. Doch auch die Feinde vermögen es kaum, den Leser zu beeindrucken. Sie wirken ebenso wie Nebencharaktere und Storyaufbau konstruiert. Jeder eingeführte Charakter bringt genau die Eigenschaften mit, die später benötigt werden, um bremsliche Situationen zu überwinden oder noch unangenehmer zu gestalten. Bei nahezu jeder Person erahnt man unmittelbar nach ihrem ersten Auftritt, welche Rolle ihr zu Teil wird. Und auch die Story bietet wenige Überraschungen, denn wer sich den Aufbau genauer anschaut, merkt schnell, worauf alles hinausläuft. Auch das Ende gestaltet sich vorhersehbar und wird von einem Epilog ergänzt, der Spannung schüren soll, aber nur zeigt, was dem Leser ohnehin klar war: es wird einen nächsten Band geben und wieder wird es um die gleichen Feinde und die Besonderheit von Aurora als Nephila gehen. Wobei hier gesagt sei, dass gerade dieses Mädchen etwas Schwung in die Geschichte bringt. Ihr starker Charakter weckt Hoffnungen, dass man im dritten Band eine faszinierende und überlegt handelde Nephila erleben wird.


Fazit

„Der Fluch der Abendröte“ macht weitgehend die gleichen Fehler wie sein Vorgänger. Die Geschichte selbst wirkt durchkonstruiert und bietet daher relativ wenig Spannung. Lediglich Aurora tritt als interessanter Charakter in Erscheinung, kann aber ebenso wie der interessante mythologische Hintergrund nicht über die mangelhafte Umsetzung hinwegtrösten.


Pro & Contra

+ Aurora als starker und faszinierender Charakter
+ gelungene Einbindung der Geschichte Hallstatts
+ interessanter mythologischer Hintergrund

o leicht zu lesender Stil

- Charaktere und Storyaufbau wirken konstruiert
- Ereignisse sind weitgehend vorhersehbar
- logische Schwächen
- Sophie zeigt sich lediglich hysterisch und kopflos

Wertung:

Handlung: 2/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Rezension zu "Der Kuss der Morgenlichts"