Asylon (Thomas Elbel)

Piper (August 2011)
442 Seiten, 9,95 €
ISBN: 978-3-492-26792-2

Genre: Dystopie / Thriller


Klappentext

Asylon ist die letzte Stadt der Erde. Das einzige Bollwerk der Zivilisation, umgeben von endloser Wüste und hungrigen Heerscharen. Das jedenfalls denken ihre Bewohner. Torn ist Mitglied einer Spezialeinheit, die das Gleichgewicht zwischen den herrschenden Clans wahrt. Als dunkle Mächte seine Familie und sein Leben zu vernichten drohen, sieht er sich gezwungen, Asylons tödliche Außengrenze zu durchbrechen. Doch das Geheimnis, das sich dahinter verbirgt, wird alles infrage stellen, woran Torn je geglaubt hat.


Rezension

Thomas Elbel studierte Jura in Göttingen sowie Atlanta, promovierte in Berlin und arbeitete in den vergangenen zehn Jahren in verschiedenen, juristischen Berufen, bis er in diesem Jahr eine Fachhochschulprofessur erhielt. Mit seinem dystopisch angehauchten Roman „Asylon“ präsentiert der in Hildesheim aufgewachsene Autor nun sein düsteres, zugleich actiongeladenes Debüt und schildert das Treiben dunkler Mächte im angeblich letzten Bollwerk der Zivilisation.

>> „So aber steht es in Exodus, Kapitel 22, Vers 17“, rief der Mann auf der Kiste den anderen zu. „Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen. Darum lasst uns auch an dieser Hexe den Willen des Herrn vollstrecken.“ Wundervoll. Eine Gruppe fanatisierter Bibelfreaks war genau das, war Torn an diesem Tag noch gefehlt hatte … <<

Meisterleveller Torn besitzt das Recht, jedes Clanmitglied zu ermorden, das die Balance der Machtverhältnisse in Asylon zu schaden droht und als Vorgesetzter einer fünfköpfigen Truppe tut er sein Bestes, um sich weiterhin zu beweisen. Immer an seiner Seite: Nervensäge Scooter, dessen Passion es ist, im falschen Moment gern die falschen Worte zu wählen. Doch ihre Zusammenarbeit soll nicht das einzige sein, das Torn an den Rand seiner Nerven treibt. Denn zwischen den Machtspielen und Ränke der Clans sowie Politiker wird es immer schwerer, einen sicheren Platz zu finden. Selbst für einen Mann seines Ranges. Als sich Torns Ehefrau nach einer Fehlgeburt das Leben nimmt, scheint jede Zukunft sinnenfremdet, doch der zuständige Arzt und Torns Erzfeind hatten ihre Finger mit im Spiel …

Es gibt sie noch: die Debüts angehender Bestseller-Autoren, die schon mit wenigen Seiten viel erahnen lassen. Ebenso auch in den Reihen der überaus modern gewordenen (Jugendbuch-)Dystopien, deren verschiedenfarbige Auswüchse unterschiedlichste Lesergruppen zu überzeugen versuchen. Dmitry Glukhovsky gilt hierbei immer noch als einer der Autoren, die es bravourös vorgemacht haben. Sein Erstling „Metro 2033“ dient nun als Werbetrittbrett für Thomas Elbel und prophezeit „Asylon“ als sprichwörtliches Muss für alle Fans. Düster soll die Welt rund um Thomas Elbels Bollwerk der Zivilisation sein, spannend und einer echten Dystopie würdig – nicht weniger ist man versucht zu erwarten. Und diese Erwartungen werden, trotz des überhasteten, dennoch amüsanten sowie spannenden Einstieges, von Seite zu Seite mehr erfüllt. Rasch schreitet man im Werdegang dieses Thrillers voran, beobachtet abwechselnd unterschiedliche Charaktere im Focus des Geschehens: zum einen Torn, der wichtigste Protagonist, Saina – eine burschikose Hausmeisterin – sowie Torns Ehefrau Yvette. Die Kapitel sind kurz, der Inhalt auf das Wesentliche beschränkt, und so fällt der Leser (beinahe zu) schnell in diese fremde Welt, deren Bewohner zumeist ohne Erinnerungen an ihre frühe Vergangenheit ihr Dasein fristen. Die angebliche Klimakatastrophe hat ihnen beinahe alles genommen und so gilt es schlicht zu arbeiten und zu überleben. Etwas das im gewaltbeherrschten und zumeist unterirdischen Alltag der Stadt kaum leicht zu gelingen scheint. Stimmige Atmosphäre wird hierbei an den Lesern herangetragen, genug, um zu überzeugen. Im Vordergrund stehen allerdings die kurzen, knackigen Kapitel (ständig weiterdrängend), ein wunderbarer Wortwitz (im Gleichklang übergreifend auf zu viele Charaktere) und die teilweise sehr gewaltbereite Handlung (etwas schwächelnd zum Ende hin). All diese Dinge lassen „Asylon“ in den Händen des Lesers zu einem unterhaltsamen Roman werden, der es spielend leicht macht, Gefallen an der furiosen Geschichte zu finden. Eine Geschichte, die auch im Übrigen zu überzeugen versteht.

Denn betrachtet man auch die kleineren Makel und die seltenen Ungereimtheiten, die das Vorankommen des Lesers begleiten, so wird sich dennoch niemand um die Freude am Lesen betrogen fühlen. Thomas Elbel verknüpft die einzelnen Schritte verschiedener Charaktere dazu viel zu außergewöhnlich, um in der Masse unterzugehen. Kleinere Details, die vorerst unwichtig wirken, werden später wieder aufgegriffen und zum Puzzlestück des Großen Ganzen. Das ermöglicht in der ersten Hälfte ein befriedigendes Rätseln, um selbst dem Geschehen im Hintergrund Stück für Stück auf die Schliche zu kommen. Die Lösung ist spektakulär (wenn auch nicht in höchstem Maß innovativ) und auch das Ende fügt sich der Klasse des Anfangs, die im letzten Drittel leider ab und an versiegt. Auf lange Sicht, sind die vielen Charaktersprünge (die sich auf zusätzliche Antagonisten ausweiten) dann aber doch ein bisschen zu hektisch; die großen Spannungsressourcen davor schon aufgebraucht. Das, im wahrsten Sinne des Wortes, explosive Ableben eines liebenswerten Protagonisten kann diese Tatsache auch kaum aufwerten und wird sicherlich nicht jedem Leser gefallen. Denn, um der Wahrheit die Hand zu geben, gab es davor tausend bessere Möglichkeiten, sich des Charakters angemessen zu entledigen, um diesem berührenden Ende nicht im Weg zu stehen. Ein Ende, das – ebenso wie der gute Rest – eindeutig Lust macht auf mehr aus Thomas Elbels Feder. Und auf einen weiteren Roman, mit einer solch überzeugenden  Mischung aus gelungenem Thriller, angenehmer Dystopie, ausschweifenden Humor sowie glaubwürdigen Charakteren.

Torn schloss die Augen und öffnete sie wieder. Die Welt war noch da. Sonnenhitze in seinem Nacken. Der Wind zerrte an dem kleinen Flechtenbüschel. Er bückte sich, zupfte einen der blassgrünen Triebe heraus, zerrieb ihn zwischen den Fingern und schnüffelte daran.

(Seite 290)


Fazit

Thomas Elbel beweist sich mit seinem Debütroman „Asylon“ als vielversprechender Autor mit unabdingbaren Talenten und einem Hang zur Komplexität. Seine Geschichte über die verschiedenen Schicksale in einer Stadt unter, sowie über, der Erde lässt sich Liebhaber von Thrillern, echten Männergeschichten (obwohl durchaus auch starke Frauen vertreten sind), düsteren Dystopien oder aber auch Fans guter, vielleicht ebenso härterer Unterhaltung von Herzen empfehlen.


Pro und Kontra

+ überaus spannende Handlung
+ komplex sowie stimmungsvoll
+ interessante, annehmbare Grundidee
+ gelungenen Action
+ glaubwürdige Protagonisten
+ sprachlich gelungen & unterhaltsam

o nichts für Zartbesaitete
o thrillerfokussiert

- schwächer werdendes, letztes Drittel

Bewertung:

Handlung: 4 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5


Interview mit Thomas Elbel