Totentöchter: Die dritte Generation (Lauren DeStefano)

cbt, 1. Auflage September 2011
Originaltitel: The Last Chemical Garden 1 - Wither
Aus dem Amerikanischen von Catrin Frischer
HC mit SU, 400 Seiten
€ 16,99 [D] | € 17,50 [A] | CHF 24,50
ISBN: 978-3-570-16128-9
Leseprobe

Genre: Dystopischer Roman


Klappentext:

Sie sind jung.
Sie sind schön.
Sie werden sterben.


Rhine ist sechzehn Jahre alt – und wird in vier Jahren sterben. Ein Genexperiment hatte katastrophale Folgen für die Menschheit: Männer leben nur bis zum fünfundzwanzigsten Lebensjahr, Frauen nur bis zum zwanzigsten. In dieser Welt ist nicht ungewöhnlich, was Rhine passiert: Sie wird entführt und auf das Anwesen des reichen jungen Linden gebracht, damit sie seine Ehefrau wird. Der Luxus der neuen Umgebung ist überwältigend und Linden ist freundlich. Doch Rhine will nur eines: ihre Freiheit, bevor es zu spät ist. Da findet sie einen Verbündeten im attraktiven Gabriel ...


Rezension:

Er flicht seine Finger zwischen meine und ich lasse ihn gewähren, spüre die feuchte Wärme unserer Handflächen aufeinander. Ein Aufwallen. Lebendig. Irgendwann geht mir auf, dass ich ihn genauso fest halte wie er mich. Da sind wir also: zwei kleine, sterbende Dinger, und mit der Welt um uns herum geht es zu Ende, wie mit den fallenden Herbstblättern.
(Seite 166)


Einige Jahre in der Zukunft liegt die ganze Welt in Trümmern oder ist überschwemmt. Lediglich Nordamerika bietet noch annehmbaren Lebensraum für Mensch und Tier, doch auch hier stößt die Menschheit immer mehr an ihre Grenzen. Zwar konnten in den vergangenen Jahrzehnten medizinische Durchbrüche in der Krebsforschung erzielt werden, dafür sind andere lebenserwartungsverringernde "Krankheiten" entstanden. So auch das Virus, das die jungen Menschen wieder aus dem Leben reißt, kaum dass selbiges überhaupt richtig angefangen hat. Zum Ausgleich und natürlich zur Forschung nach einem Gegenmittel werden die Frauen frühzeitig in Ehen gezwungen, um für Nachwuchs zu sorgen.
Auch Rhine, blutjunge sechzehn Jahre alt, gehört zu den Frauen, die von den so genannten Sammlern gefangen und reichen Männern zum Verkauf dargeboten werden. Mit ihren unterschiedlich farbigen Augen stellt sie ein Besonderheit dar und wird daher recht schnell an den jungen Linden verkauft. Gemeinsam mit zwei weiteren Mädchen zieht sie in seine große Villa mit weitläufigem Grundstück, auf dem nicht nur seine im Sterben liegende Noch-Erstfrau Rose, sondern auch sein Vater lebt. Dieser gehört zu den Menschen, die alles in die Forschung nach einem Gegenmittel setzen, und scheint ganz eigene Absichten mit den jungen Frauen zu haben.
Während sich die jüngste der drei Schwesterfrauen in dieses aufregende Leben stürzt und die älteste vor allem in sich selbst zurückgezogen bleibt, steht für Rhine von Anfang an fest, dass sie schnellstmöglich aus den Fängen dieses Hauses verschwinden muss. Zurück zu ihrem Zwillingsbruder, von dem sie noch nie wirklich getrennt war und auf den sie sich seit dem Tod ihrer Eltern als einzigen verlassen konnte. Zurück in die wirkliche Welt, in der es noch so viel zu entdecken gibt. Ihre aufgeschlossene und freundliche Art gibt ihr unter der Dienerschaft einen besonderen Stand, was natürlich nicht von Linden und seinem Vater bemerkt werden darf. Schließlich plant sie ihre Flucht und muss daher genau überlegen, wem sie ihr Vertrauen schenkt. Unter anderem der Diener Gabriel gehört zu diesen ausgewählten Personen, doch mit der Zeit wird er für Rhine mehr als nur derjenige, der ihr jeden Morgen das Frühstück aufs Zimmer bringt. Sie beschließt, ihn auf ihrer Flucht mitzunehmen. Doch bis es soweit ist, muss sie den Schein wahren und gute Miene zum bösen Spiel machen …

Anfangs scheint der Leser für leicht dumm gehalten zu werden, denn die Autorin sah sich offenbar genötigt, gefühlt alle zwei bis drei Seiten auf die nur sehr kurze zu erwartende Lebensspanne der "dritten Generation" hinzuweisen. Zum Glück kam sie wohl bald dahinter, dass selbst der zurückgebliebenste Leser inzwischen begriffen haben sollte, dass die weiblichen Nachkömmlinge der Erstgenerationer nur zwanzig, die männlichen nur fünfundzwanzig Jahre zu leben haben. Vielleicht werden diese Sätze ab einem gewissen Zeitpunkt aber auch einfach nur überlesen, denn es ist wahrlich nicht besonders unterhaltsam, eine bereits im Klappentext benannte Information in immer wiederkehrendem Wortlaut zu lesen. Im weiteren Verlauf lässt diese leicht nervtötende Angewohnheit nach und dem Leser eröffnet sich vielleicht keine unheimlich spannende, doch aber unterhaltende Welt, wie sie in gar nicht so wenigen Jahren tatsächlich sein könnte. Außerhalb Lindens Villa wird die Welt, auch von Rhine in ihren Erinnerungen, recht trostlos dargestellt, während es auf dem Anwesen kaum etwas gibt, das zu fehlen scheint. Abgesehen von der Freiheit, nach der die Protagonistin sich so sehr sehnt und die so weit entfernt scheint.

Dystopien haben derzeit Hochkonjunktur und das merkt man leider auch den einzelnen Geschichten größtenteils an. Zwar gibt es bestimmte Vorgaben, die eine Dystopie erfüllen muss, um wirklich in dieses Genre zu fallen, doch gerade kleine Details schaffen es meist, das Einzelwerk hervor zu heben. Totentöchter: Die dritte Generation ist dies nur bedingt gelungen, denn ein hübsch anzusehenes Cover und eine schöne Aufmachung liefern noch lange kein gutes Buch. So mag die Geschichte der jungen Frau, die von Natur aus nicht mehr allzu lang zu leben hat, zwar eine so nicht nicht dagewesene Idee sein, jedoch gibt es an der Umsetzung durch Lauren DeStefano einiges auszusetzen. Sprachlich recht einfach gehalten wertet sie ihren Schreibstil durch versteckte Bilder auf, die leider nicht über die grundlegend fehlende Tiefe des Plots hinwegtäuschen kann. Denn genau das ist es, was die Story mehr schlecht als recht vor sich hinplätschernd lässt und dem Leser leider zu oft die Möglichkeit bietet, sich aus dem Geschehen auszuklinken und den eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen. Es fehlt an einigen Spannungsmomenten, die ganze Erzählung besteht im Grunde nur aus den Beobachtungen von Rhine, die sich immer wieder zu wiederholen scheinen. Dass der Erzählstil in der Ich-Form gestaltet ist, macht die Sache nicht unbedingt angenehmer, denn auch die Nähe zur Protagonistin bleibt leider aus. So richtig warm wird man mit ihr nicht, obwohl sie sich reichlich Mühe gibt.

Am Ende bleibt der Leser ein wenig ratlos zurück. So wirklich überzeugt ist er nicht, trotzdem ist da eine gewisse Neugier auf die Folgebände, deren Erscheinungsdatum noch nicht absehbar ist. Im Kopf spielt sich die Frage ab, wie die Geschichte um Rhine und Gabriel weitergehen könnte, welche Rollen die anderen Charaktere weiterführend haben könnten und welche Lösung am großen Ende wohl von der Autorin präsentiert wird. Viel spannender als das Lesen an sich sind also die Gedanken, die der Leser sich anschließend und abwartend macht.


Fazit:

Aus der derzeitigen Masse von dystopischen (Jugend-)Romanen sticht Totentöchter: Die dritte Generation kaum hervor. Langes und uninteressantes Geplänkel, kaum verwertbare Hintergrundinformationen und nur selten tiefgehende Charaktere lassen den Trilogie-Auftakt nur in der Mittelklasse mitspielen. Wenn die Reihe doch noch Erfolg haben soll, muss sich Lauren DeStefano mit den Folgebänden definitiv mehr Mühe geben.


Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5