Die Seidenrose (Julia von Droste)

Verlag Knaur, Januar 2011
Taschenbuch, 543 Seiten, € 8,99
ISBN 978-3426506158

Genre: Belletristik


Klappentext

New York 1907: Im Kosmetiksalon ihrer Tante Antonietta erlebt die junge Waise Mirella die faszinierende Welt des Luxus und der Schönheit. Nach Antoniettas Tod baut sie den Salon gegen viele Widerstände zu einem erfolgreichen Unternehmen aus. Als sie dann auf einer Feier den attraktiven Pferdetrainer Nick trifft und sich unsterblich in ihn verliebt, könnte ihr Glück perfekt sein. Doch Nick kann ihre berufliche Unabhängigkeit nur schwer akzeptieren, und so muss Mirella für ihre Liebe und ihr Glück kämpfen.


Die Autorin

Julia von Droste wuchs in Westfalen auf und lebt heute in der grünen Parklandschaft des Münsterlandes. Elizabeth Arden und Helena Rubinstein, die beiden großen Pionierinnen der modernen Kosmetik, brachten sie auf die Idee zu diesem Buch.


Rezension

Bei einem schrecklichen Erdrutsch in einem kleinen Dorf in Italien überlebt die 15jährige Mirella als Einzige die Katastrophe. Zum Glück lebt ihre Tante, die Schwester ihres verstorbenen Vaters in New York, wo sie sich einen Kosmetiksalon aufgebaut hat und es dadurch zu Ruhm und Wohlstand gebracht hat. Zu dieser Zeit, im Jahre 1907, war es nur sehr wenigen Frauen gelungen, alleine durch Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können und sogar in einem gewissen Luxus zu leben. In der gehobenen Gesellschaft gilt es als Versagen des Mannes, wenn seine Frau Geld verdient. Aber Antoinetta ist Single und somit auf ihren Salon angewiesen. Außerdem beweist sie viel Geschick in der Entwicklung ihrer Pflegeprodukte, was sich auf eine gute Kenntnis der Haut und ihrer Eigenschaften bezieht. Ihr Ruf ist tadellos, ihr Geschick einzigartig und so trifft sich bei ihr alles, was Rang und Namen hat. Anfangs fällt es Mirella schwer, sie einzugewöhnen, ist doch für ein einfaches Bauernmädchen aus der Provinz Italiens alles fremd, die Menschen, die Sprache, der Lebensstil und erst recht die Umgebung. Als sie sich aber damit abfindet, dass es kein Zurück mehr gibt, stürzt sie sich mit all ihrer Kraft in den Salon, wo sie von der Pike auf alles lernt, was mit der Haut und den Pflegeprodukten zusammenhängt. Mit ihrem jugendlichen Schwung und ihren frischen Ideen wird der Salon eine wahre Goldgrube, was aber mit Antoinettas Tod in sich zusammenstürzt. Denn so wohlhabend, wie es aussah, war ihre Tante gar nicht und aufgrund widriger Umstände ist Mirella gezwungen, noch einmal ganz von vorne anzufangen.

„Die Jahre von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Ersten Weltkriegs werden in Amerika als das Progressive Zeitalter bezeichnet, eine Reformbewegung der bürgerlichen Mittelschicht.“
Seite 539

Nick ist ein erfolgreicher Pferdetrainer und der älteste Sohn eines Gestütsbesitzers in Kentucky. Von Anfang an ist er von Mirella begeistert, mit seiner Beharrlichkeit erobert er ihr Herz. Allerdings fällt es ihm schwer, ihre Berufstätigkeit zu tolerieren, in seiner Welt sorgen die Männer für ihre Frauen, die freiwillig nie einen Beruf ergreifen würden. Wiederum ist es diese Fremdartigkeit, die Mirella besonders anziehend macht, in vielen kleinen Schritten lernt er, mit ihrer beruflichen Begeisterung Schritt zu halten und seinen Stolz zu unterdrücken. Er lernt, ihr Partner zu sein und nicht der bestimmende Mann, auch wenn so manche heftige Gefühlsausbrüche sich nicht vermeiden lassen. Während Mirella als Charakter relativ gradlinig bleibt, so durchlebt Nick die größte Wandlung, die von seinem ehrbaren Charakter zeugt. Seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg zwingen ihn zum Umdenken, dort erkennt er eindeutig, dass Frauen durchaus in der Lage sind, ihren Mann zu stehen.

„-Ich will, dass eine Frau ohne Make-up sich nackter fühlt als wenn sie ohne Kleider über den Broadway gehen müsste.- Getreu ihrem Motto revolutionierte die Kanadierin Elizabeth Arden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Welt der Schönheit. Im lebenslangen Konkurrenzkampf schufen sie und ihre Rivalin Helena Rubinstein die Grundlagen der modernen, an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten Kosmetik. Vor allem ihrem Genie ist es zu verdanken, dass aus der Schönheitspflege ein Milliardengeschäft wurde. Sie schufen nicht nur das moderne Konzept der Rundumpflege, das wir heute Wellness nennen, sondern holten auch Lippenstift, Mascara, Make-up und Nagellack aus ihrer anrüchigen Existenz im Umfeld der Prostitution. Mit Erfolg: Zu Beginn der zwanziger Jahre trat ein neues Frauenideal seinen Siegeszug um die Welt an – das der geschminkten, emanzipierten, sportlichen, berufstätigen und sexuell unabhängigen Frau.“ Seite 539

Inspiriert durch den Konkurrenzkampf zwischen Elizabeth Arden und Helena Rubinstein entführt uns Julia von Droste in die privilegierte und schillernde Welt der gehobenen Gesellschaft zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Glanzvolle Namen wie Astor und Waldorf, deren Familien das glorreiche Waldorf Astoria gründeten tauchen auf, auch der Untergang der Titanic spielt eine einschneidende Rolle. Nach einem Besuch des Spielzeugparadieses von Frederick August Otto Schwarz ist man völlig verzaubert und stellt mit Bedauern fest, dass es so ein Paradies heutzutage kaum noch gibt. Anschaulich schildert die Autorin das New York vergangener Tage, glorreich, bezaubernd und glanzvoll, im Zeichen des Umbruchs und die Wiege vieler Träume. Sie entführt uns in die Anfänge der Welt der Kosmetik, angefangen von der Planung und der Herstellung, der Anwendung und der Forschung nach neuen Produkten. Mirella stellt ihre Salben und Cremes noch in der eigenen Küche her, dort ist auch der Ort, an dem sie ihre Forschungen betreibt. Ihr Ehrgeiz erlaubt es ihr nicht, sich an der Seite eines Mannes auszuruhen, sie ist zu intelligent, um nur eine Dame von Wohlstand zu sein. Ihre Freundin, Lady Nora Kendrick, bestärkt sie in ihren Ansichten. Sie selbst musste auf die harte Tour erfahren, was es bedeutet, nur eine Frau zu sein. Anhand dieser beiden Frauen erleben wir einen gesellschaftlichen Aufbruch, Mirella und Nora bestärken die Rolle der Frau heraus aus dem Schatten des Mannes, die aber auch genau wissen, wann sie wieder einen Schritt zurücktreten sollten. Zum Glück verlieren sie ihr eigenes Glück nie aus den Augen, ihre Kompromisse sind gerechtfertigt und belegt. Bei Nick wird deutlich, wie schwer es dem Mann fällt, mit einer emanzipierten Frau umzugehen, geprägt durch Konventionen und Erziehung ist er in seiner Meinung stark eingeschränkt, sich auf etwas Neues einzulassen ist für ihn ein großer Schritt, der viel Mut gegenüber der Gesellschaft kostet. Julia von Droste hat einen einprägsamen Stil, der einen zurück in die Zeit versetzt und die Seiten nur so fliegen lässt. Die Aufmachung des Buches ist sehr geschmackvoll, die geprägten Buchstaben auch auf dem Buchrücken entfalten ihren ganz eigenen Reiz.


Fazit

Bezaubernd, schillernd und glanzvoll, so stellt sich New York in den frühen Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts vor. Eine Welt, in der Frauen die ersten Schritte in eigene Selbstständigkeit wagen, eine Welt, in der die Kosmetik einen Siegeszug antritt. Eine Welt, in der Frauen erkennen, was Frauen wollen und sich mit all ihrer Kraft dazu aufschwingen, diese Wünsche zu verwirklichen. Ein Buch mit einer ungeheuren Sogwirkung, welches uns die Veränderungen der letzten einhundert Jahre deutlich vor Augen führt.


Pro und Contra

+ Entwicklung der Kosmetik
+ vielschichtige und sympathische Charaktere
+ stimmige Atmosphäre
+ fesselnder Erzählstil
+ interessante Ereignisse
+ viele abwechslungsreiche Hintergründe
+ klangvolle Namen und historische Ereignisse

- am Ende ein paar Längen

Wertung

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5