Wolfgang Hohlbein (14.10.2011)

 

Interview mit Wolfgang Hohlbein

(14.10.2011; Buchmesse in Frankfurt)

Literatopia: Guten Tag Herr Hohlbein. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, dem Literaturportal literatopia.de ein paar Fragen zu beantworten. Ihr Name ist wohl bekannt, erzählen Sie uns trotzdem ein wenig von sich? Was sollte man über Wolfgang Hohlbein unbedingt wissen?

Wolfgang Hohlbein: Na, ich hoffe doch spannende sowie abenteuerliche Geschichten und das Vergnügen, für ein paar Stunden in fremde Welten entführt zu werden. Im weitesten Sinne bediene ich mich phantastischer Genres – von märchenhaften Geschichten für Kinder bis zu Thriller à la Stephen King.

Wirklich einordnen lasse ich mich ebenso wenig, wie es meine Geschichten tun. Ich mag auch diese allgemeinen Zu- und Einordnungen nicht. Im Grunde schreibe ich über vieles, das einen halben Schritt neben der Wirklichkeit steht.

Literatopia: Seit 1982 – viele unterschiedliche Projekte, Lobhuldigungen und Kritiken. Wie haben Sie den Erfolg, auch Hype, um Ihre Person wahrgenommen? Welche Höhen und Tiefen erlebt?

Wolfgang Hohlbein: Der „Hype“ um mich kam nicht über Nacht. Gut: „Märchenmond“ hat sich millionenfach verkauft, ist aber nicht von Beginn an ein riesen Renner gewesen. Ich stand mit diesem Titel eigentlich nie auf irgendeiner Bestseller-Liste oder bin großartig im „Stern“ besprochen worden. Später vielleicht, aber am Anfang nicht. Es ist also alles sehr langsam gekommen und wir haben nie ein großes Aufsehen darum gemacht. Meine Kinder haben auch erst in der Schule vom Erfolg ihres Papas erfahren. Also den Moment – „Spot an und berühmt“ – gab es nicht. Finde ich aber auch gut, denn so hatten wir alle Zeit gehabt, den Erfolg zu verdauen.

Literatopia: Also ist es doch vielleicht ein bisschen hart, ein erfolgreicher Schriftsteller – nicht zuletzt auch „Der Wolfgang Hohlbein“ – zu sein?

Wolfgang Hohlbein: Nein, das nicht. Der Vorteil an der Schriftstellerei ist, dass man im gewissen Maß inkognito ist. Außer natürlich hier auf der Messe. Im Hotel – ich war noch nicht mal ganz da – bin ich sozusagen gleich überfallen worden (schmunzelt), aber das ist normal. Genau so möchte man es während den Messen. Es wäre ja auch furchtbar, wenn mich niemand erkennen würde. Ansonst wird natürlich über mich gesprochen, doch ich kann mich immer noch ganz normal in den Biergarten setzen, ohne belästigt zu werden. Das ist alles viel angenehmer, als Popstar, Sportler oder Schauspieler zu sein. Die können sich ja wirklich nur noch maskiert auf die Straße trauen.

Literatopia: Was waren Ihre größten Erfolge?

Wolfgang Hohlbein: Unter anderem natürlich Märchenmond. Ein Roman, den ich gemeinsam mit meiner Frau geschrieben habe. Noch heute überrascht es mich, dass eine so bewusst einfach gehaltene Geschichte so viel Zuspruch gefunden hat und immer noch neue Fans erreicht. Wenn man das bedenkt, so kann man tatsächlich von Erfolg sprechen.

„Der Hexer von Salem“ hat sich auch gut verkauft. Ein viktorianisch gestaltetes Buch, das Fantasyelemente mit Horror sowie Historik mischt. Ich hätte früher nie gedacht, dass so etwas Zuspruch findet. Doch auch hier kam der Erfolg erst mit der Zeit. Ebenso nennenswert ist das „Druidentor“.

Letztendlich entscheidend ist aber natürlich die Frage was man unter Erfolg versteht. Ein erfolgreiches Buch ist nicht unbedingt eines, das sich von heute auf morgen sehr gut verkauft. Darüber freue ich mich zwar auch und ich nehme es billigend in Kauf (schmunzelt) – sicherlich möchte ich auch möglichst viele Bücher verkaufen – aber solche Roman-Reihen wie zum Beispiel die „Chronik der Unsterblichen“ sind für mich so besonders, weil sich darüber hinaus auch wirklich tolle Lesegemeinschaften erreichen, mit denen ich mich seit zehn Jahren, früher über Briefe und heute per Email, austauschen kann. Das ist für mich mindestens so schön, wenn nicht gar noch ein bisschen schöner, als große Absatzzahlen.

Literatopia: Die „Chronik der Unsterblichen“ blieb über Jahre bekannt und wurde von vielen Lesern förmlich verschlugen. Doch warum? Was meinen Sie? Was ist das Besondere dieser Reihe?

Wolfgang Hohlbein: Die „Chronik der Unsterblichen“, deren Hauptfiguren die zwei Unsterblichen Andrej und Abu Dun sind, ist von Grund auf vielseitig angelegt. Es liegt meiner Meinung nach an dem historischen und phantastischen Mix. Um ein Beispiel zu nennen: es gibt da eine Episode auf Malta, während der türkischen Belagerung, in der zwölf Johanniter-Ritter die Festung Alamo eine Woche lang gegen dreitausend Angreifer gehalten haben.

Am Ende waren sie trotzdem tot – dennoch: über eine Woche (lacht), dass konnten ja eigentlich nur Unsterbliche sein! Ich glaube darin liegt der Reiz: etwas nehmen, was wirklich passiert ist, und ein andere Deutung hinein bringen. Das macht mir persönlich großen Spaß und ich lese es auch gerne von anderen Autoren. Allgemein scheint es auch bei den Lesern gut anzukommen.

Literatopia: „Der Machdi“ erzählt vor der Kulisse Konstantinopels das insgesamt dreizehnte Abenteuer der grundverschiedenen Helden. War dieser Umfang von Anfang an geplant, wie viele Bände werden noch folgen und gab es wirklich nie einen Punkt, an dem Sie „Schluss machen“ wollten?

Wolfgang Hohlbein: „Die Chronik der Unsterblichen“ war keinesfalls als Serie geplant. Ich habe jedoch schnell beim Schreiben des ersten Bandes bemerkt, dass ich nicht alle meine Vorstellungen erzählen konnte. Deshalb dann auch das offene Ende beim ersten Band und bald darauf kamen auch nachfolgende Ideen für den zweiten. Ich hab mich schon ein bisschen verliebt in diese Figuren, auch beim Verlag kamen die Abenteuer von André und Abu Dun an und bald hatte das ganze Projekt eine relativ breite Fan-Basis gehabt. Der Verlag ist letztendlich das Risiko eingegangen, hat mir gesagt „komm, mach noch einen“, „und noch einen“, und irgendwann hat sich das Ganze ja auch bezahlt gemacht.

Mit „Der Machdi“ bewegt sich ja auch noch nichts dem Ende zu. Der zwölfte Band hat zwar einiges abgeschlossen – es wurden Fragen beantwortet, geklärt was mit dem Sohn ist und so weiter – aber anstatt an dem Punkt Schluss zu machen, ziehen wir jetzt eine neue Geschichte auf. Schon mit den alten Figuren und Verknüpfungen, klar, aber ganz neue Handlungsfäden. Es wird definitiv abenteuerlicher. Ganz grob gesagt: mehr Karl May und weniger Stephen King.

Literatopia: Abu Dun und Andrej Delany sind bald auch in einer eigenen Rockoper zu erleben! Was dürfen Sie uns schon jetzt über die Vorbereitungen, das Projekt selbst und die anstehende Premiere im nächsten Jahr erzählen?

300_217093.pngWolfgang Hohlbein: Sicherlich darf ich was verraten. Die Premiere ist am 21. Januar 2012 und wir befinden uns heftig in den verschiedenen Vorbereitungsphasen. Freuen darf man sich besonders auf ein eigespieltes Team auf musikalischer Ebene. Wir sind sehr froh und stolz auf den Kontakt zu der Band VANDEN PLAS, die schon seit etwa zehn Jahren Erfahrung mit ähnlichen Umsetzungen hat.

Die beherrschen ihr Handwerk richtig gut und verleihen dem ganzen einen grandiosen Heavy Metal-Touch. Das Pfalztheater bietet, von den kreativen Köpfen dort bis zur großen Bühne, viele tolle Voraussetzungen, sodass einem richtigen Fantasy-Spektakel absolut nichts im Wege steht!

Zur Story selbst: am Anfang war natürlich für alle Beteiligten die große Frage, wie man eine Serie von dreizehn Bänden zu einer in sich schlüssigen Rockoper verarbeiten kann. Nimmt man nur einzelne Szenen heraus? Verknüpft man ausschließlich Höhepunkte miteinander? Letztendlich ist es aber dann doch um einiges komplexer geworden. Alles in allem wird eine eigenständige Geschichte zu sehen sein.

Aus der Chronik bekannte Schauplätze und natürlich auch Charaktere wird man als Fan sicherlich wiederfinden, wie zum Beispiel die Blutgräfin oder auch Vlad Tepesch. Eine große Station ist auch Venedig. Götter werden um André ringen, seine Unsterblichkeit wird im Vordergrund stehen und letztendlich ist alles ein sehr vielseitiges, in sich schlüssiges Abenteuer geworden. Etwa zeitgleich wird auch der Roman „Blutnacht – Das Buch zur Rockoper“ im Egmont Lyx Verlag erscheinen: ebenso eine Parallel-Handlung, die sich selbstverständlich sehr an der Oper orientiert. Auch für schon bestehende Liebhaber dieser Reihe sowie für Neueinsteiger ist dieser Roman sicherlich sehr interessant.

Literatopia: Bleiben wir für einen Moment bei der Musik – eine große Muse für Sie? Gar ein Schreibbegleiter? Welche Tonfolgen darf man im Zuge der anstehenden Oper erleben? Und was hören Sie als Privatperson immer wieder gern?

Wolfgang Hohlbein: Musik hat mich früher sehr inspiriert. Mehr noch als heute, denn da habe ich sie auch gezielt zum Schreiben eingesetzt. Alles zum Thema passend natürlich. Bei irgendeiner Burg-Belagerungs-Szene kann man ja auch nicht Andrea Berg auflegen. (lacht) Ich persönlich höre Rock-Musik ebenso wie Klassiker. Auch Heavy Metal mag ich sehr gerne, obwohl es da natürlich Grenzen gibt. Ansonst ist bei mir spätestens mit den Wildecker Herzbuben die Schmerzgrenze erreicht und darüber hinaus bin ich mit einer relativ hohen Toleranzgrenze in Sachen Musik gesegnet.

Literatopia: Bisher wurde in der Chronik auf diverse historische Fakten, Hintergründe sowie Mythen zurückgegriffen. Welcher Umfang an Nachforschungen ist für Sie notwendig, um sich an solche Dinge heranzutrauen? Und welcher Hintergrund hat am meisten gefesselt?

Wolfgang Hohlbein: Ich mache es mir leicht, bin faul und gestehe: ich schreibe Geschichten über eine Zeit, die mich ohnehin interessiert, also alles vom späten Mittelalter bis hin zu den Kreuzzügen. Der kleine Junge in mir wird da wieder wach, der gern mit Ritterburgen und dergleichen spielt. Natürlich ist in gewissen Bereichen dann noch Recherche notwendig, aber das lässt sich nicht als „Arbeit“ bezeichnen. Auch Mythologie begeistert mich, die nordische ganz speziell. Von Grönland bis Athen sozusagen.

Um ehrlich zu sein, sehe ich – für mich – zwischen Mythologie, Fantasy oder aber Historik keinen großen Unterschied was die Leidenschaft betrifft. Die Geschichten, die mich begeistern, sind sich in diesen Punkten sehr ähnlich. Man bedenke die Verfilmung „Der Herr der Ringe“. Tauscht man die phantastischen Wesen gegen keltische Krieger oder ähnliches aus, so ist das was bleibt, eine eigentlich sehr historisch angehauchte Handlung. Historische Bilder.

Auch Marion Zimmer Bradley erzählt in solchen. Oder man nehme im Umkehrschluss „Die Päpstin“. Im Grunde ist das ein phantastischer Roman und wenn ich das meiner Frau das sage – sie ist ein großer Fan – ist sie immer wieder aufs Neue beleidigt. Natürlich kann es die Päpstin gegeben haben, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht will man es auch gar nicht wissen und sich belügen lassen? In solchen Dingen bin ich ohnehin recht eigen. Ich mag keine Menschen, die einem die Illusion kaputt machen. Wir haben einen guten Freund, ein Astrophysiker, der mittlerweile Schweigegebot hat, wenn wir ins Kino gehen. Ich will mir keinen Film anschauen und hören was technisch möglich ist oder nicht. Ich will nicht Star Wars sehen und hören, wie unglaubwürdig das ist. Ich weiß ja, dass manches nicht funktioniert, ich weiß, dass es wohl niemals Laserschwerter geben wird, aber wenn sich der kleine Junge in mir freut, dass die damit kämpfen – ja warum nicht? Sind doch schöne Bilder!

Literatopia: Zur Verfilmung „Wir sind die Nacht“ haben Sie einen passenden Roman geschrieben. Wie schwer darf man sich das vorstellen, ein Buch zum Film zu schreiben und sich an einem vorgegebenen Stoff orientieren zu müssen?

Wolfgang Hohlbein: Ich hab damals den Rohschnitt sowie das Drehbuch bekommen. Nichts davon war die Endfassung und so musste ich mich eben danach orientieren. Es ist keine eins zu eins Umsetzung, dass muss man schon sagen. Dazu bin ich aber auch nicht gezwungen worden. Ich hab mit dem Produzenten einen sehr guten Draht und er meinte schon früh „mach was du willst, aber man sollte den Film zumindest widererkennen“. Als Autor hab ich mich damit in Teilen von der Geschichte entfernt, manches weggelassen, anderes erfunden. Gerade für Leser müsste es doch interessante sein, Abweichungen zu erleben, so denke ich. Wer schaut sich schon genau das gleiche an, oder möchte genau das gleiche lesen? Ich zumindest mag auch in diesem Punkt Abwechslung.

Literatopia: Sie werden in manchen Kreisen schon als „wandelnder Buchautomat“ beschrieben – können Sie dieser Bezeichnung augenzwinkernd zustimmen? Wie viele Bücher haben Sie bisher geschrieben und wie hoch ist Ihr selbst auferlegtes Tagespensum?

Wolfgang Hohlbein: (lacht) Also ich hab in etwa zweihundert Bücher geschrieben. Die genaue Zahl weiß ich nicht und es kommt auch auf die Zählweise an.

Ja, ich schreibe relativ viel, habe auch schon andere Autoren kennen gelernt, die auch ständig am Schreiben sind. Die kommen entweder dann aus dem Journalismus-Bereich oder schreiben unter vielen verschiedenen Pseudonymen. Autoren, die in ihrem Leben dreißig oder vierzig Bücher schreiben sind gar nicht so selten. Am Anfang hab ich mich über solche Ausdrücke wie „wandelnder Buchautomat“ geärgert, aber inzwischen nehme ich das als Kompliment. Früher hieß es immer, wenn ein Autor mehr als ein Buch im Jahr schreibt, dann konnte nichts davon wirklich gut werden. Kritisch betrachtet. Leute, die solch eine Meinung vertreten, gibt es heute auch noch, aber sie werden weniger. Dass man auch sehr schnell ein gutes Buch schreiben kann, wurde mittlerweile begriffen. Zum Glück.

Literatopia: Meinen Sie das auch in Bezug auf die angeblich unzähligen „Ghostwriter“? Wie sind sie mit diesen Gerüchten umgegangen. Hat es sehr geärgert?

Wolfgang Hohlbein: Natürlich hat mich das geärgert. Andererseits: ich schreibe fast alle meine Bücher handschriftlich. Von den meisten habe ich sogar noch das Original, also kann ich eigentlich beweisen, dass ich alles selbst geschrieben habe. Es sei denn jemand glaubt, ich würde mich hinsetzen und den Inhalt eines ganzen Romans abschreiben – also so bekloppt bin noch nicht mal ich. (schmunzelt) Ich greife auch heute noch ganz altmodisch zu Papier und Stift. Insofern stören mich die Gerüchte nicht. Ich weiß, dass sie zustande kommen, weil ich mit vielen Autoren zusammenarbeite. Das wird aber merkwürdiger Weise nicht zur Kenntnis genommen. Ist das Endergebnis schlecht, ist es mein angeblicher Ghostwriter gewesen, war es gut, dann hieß es „Wolfgang hat es geschrieben“.

Was das vorhin angesprochene Tagespensum betrifft, so kommt es ganz auf meine aktuelle Tagesverfassung an. Wenn ich wirklich „drinnen“ bin, dann tue ich nichts anderes als zu schreiben. Zehn oder fünfzehn Seiten am Tag ist dann keine Seltenheit. Es gibt aber auch Tage, an denen froh bin eine einzige Seite zu schaffen. Im schlimmsten Fall wandert sie am nächsten Tag auch in den Papierkorb. Wenn es einmal läuft schreibe ich druckreif. Großes Überarbeiten ist oft nicht notwendig, abgesehen vom Ausbessern kleinerer Formulierungsschwächen. Ganze Handlungen umstellen kommt für mich aber nie in Frage. Ich schreibe sehr nach Gefühl und plane wenig.

Literatopia: Eine Frage, die Sie sicherlich schon oft gehört haben, aber sie interessiert auch uns: wann haben Sie zu schreiben begonnen? Plötzlich aus einer Laune heraus? Oder war es immer schon, nach so viel Karl May, Ihr drängender Wunsch, selbst etwas zu erzählen?

Wolfgang Hohlbein: Geschichten erzählen hat mich schon immer fasziniert. Schon fast bevor ich lesen konnte. Ich wollte immer Abenteuer in irgendeiner Form erzählen. Hätte auch sein können, dass ich letztendlich zum Theater gegangen wäre, oder ähnliches, es ist dann aber doch das Schreiben geworden.

Ist ja auch einfacher, denn man braucht nichts dafür. Es genügt ein Stift und ein leeres Blatt Papier, dann kann man auch sofort loslegen. Ich konnte, als ich die Gelegenheit erhielt, meinen Jugendtraum zum Beruf machen, was mich immer noch sehr freut. Karl May ist sicherlich mitverantwortlich dafür, dass meine Bücher immer länger werden. (lacht) Er hat mich damals begeistert, weil seine Bücher voller lebendiger Bilder sind. So ging es mir schon als Kind: ich konnte viele seiner Szenen als Film vor meinen inneren Augen sehen. Heute lese ich ihn nicht mehr, ehrlich gesagt. Früher aber hat er mich in jedem Fall stark beeinflusst.

Literatopia: Talent oder Handwerk? Was denken Sie über das Schreiben? Und was muss ein guter Autor Ihrer Meinung nach mitbringen, um seine Leser fesseln und sich darüber hinaus auch noch etablieren zu können?

Wolfgang Hohlbein: Von beidem etwas. Man braucht natürlich auch ein bisschen Talent, aber das Handwerk darf man nicht unterschätzen. Ich persönlich bezeichne mich nicht als Künstler, bin eher ein Handwerker. Und sein Handwerk muss man beherrschen. Ich bin dennoch kein Fan von Ratgebern und hab mir vieles auch einfach selbst beigebracht. Ganz ehrlich: ich glaube einen besonders schlechten Lehrer abzugeben; könnte mein Wissen so gar nicht vermitteln.

Auch wenn die Idee noch so gut ist, muss man sie zu verpacken wissen: Ich habe schon sehr viele gute Ideen gelesen, die so schlecht geschrieben waren, dass ich letztendlich nicht weiter- oder fertiglesen konnte. Auf manche dieser Ideen war ich auch wirklich neidisch und dann ist es für mich besonders tragisch, wenn man sieht, wie so tolle Gedankenwelten förmlich geschlachtet werden. Natürlich stolpere ich aber auch über ganz tolle Bücher, die in allem gefallen und so etwas genieße ich dann sehr.

Literatopia: Ist Vielseitigkeit eine Art Erfolgsgarant?

Wolfgang Hohlbein: Das kann ich wirklich nicht sagen. Für mich war es in jedem Fall das Richtige, mich nicht auf ein Genre zu beschränken. Das „Erfolgsrezept“ gibt es nicht, falls ich es aber doch kennen würde, (schmunzelt), wäre ich dumm es zu verraten. Ich würde es entweder für viel Geld verkaufen oder einen Bestseller nach dem anderem schreiben. Ab und an gelingt mir das sogar, aber es ist ja nicht so, als wüsste ich wie man unter Garantie auf die Spiegel-Liste kommt. Erstaunlicherweise klappt es immer dann nicht, wenn man es sich vornimmt, ganz Tolles zu fabrizieren. Auch sich nach aktuellen Trends zu orientieren bleibt oft erfolglos.

Würd ich eigentlich nie machen. Letztendlich waren nämlich meine größten Erfolge die, die ich einfach geschrieben habe ohne mir über so etwas große Gedanken zu machen. Man muss im Grunde ehrlich an das glauben was man schreibt. Erfolg kann man nicht planen und das ist auch gut so.

Literatopia: Als einer der „älteren Hasen“ des Fantasy Genres haben Sie dessen Entwicklungen bestimmt schon stets verfolgt. Wie schätzen Sie diese ein? Von welchen Ideen dürfen es mehr und von welchen weniger sein? Und wohin geht der aktuelle Trend?

Wolfgang Hohlbein: Dass der Erfolg des Fantasy Genres so groß werden würde, damit hätte ich nie gerechnet. Es ist anders als früher. Was mich letztendlich aber am meisten überrascht hat, war der nicht zu unterschätzende Einfluss der Tolkien-Filme. Einen kleineren Hype hatte ich dem von Beginn an zugestanden – mit den später dazu passenden Buchserien über Trolle und Elfen – aber mit so einer Reaktion war meiner Meinung nach nicht zu rechnen. Toll auch: als ich selbst anfing – ist ja schon über dreißig Jahre her – war Fantasy, Science Fiction und auch Horror noch eher in der „Schmuddelecke“ zu suchen. Heute hat sich alles schon seinen Platz erobert und ich glaube nicht, dass es jemals wieder weniger werden wird. Die großen Erfolge sind zu fünfzig Prozent Fantasy-Titel, oder zumindest phantastisch angehauchte Themen. Find ich toll!

Wenn ich den zukünftigen Trend einschätzen könnte, dann würd ich wissen, wie der nächste Bestseller heißt. Ich würde auch da nichts verraten und ihn einfach schreiben. (Lacht). Nächstes Jahr, oder übernächstes, kommt der kleine Hobbit ins Kino – ich glaube also, der aktuelle Trend wird uns noch etliche Jahre erhalten bleiben. Dieser Film wird sogar für mich ein Muss. Wobei: ich fand ja auch die erste Zeichentrickverfilmung von Tolkien gar nicht so schlecht. Alle Welt hat darüber geschimpft, mir hingegen hat die Umsetzung gut gefallen.

Literatopia: Trilogien über Trilogien. Fragen Sie sich als Leser manchmal, wo die großartigen Einzelromane bleiben, die begeistern können, ohne weit auszuholen? Was denken Sie als Autor? Ist kurzhalten schwer? Oder einfach zu wenig modern? Kaum Kommerziell?

Wolfgang Hohlbein: Ich finde jede gute Trilogie sollte mindestens sechs Teile haben! (lacht) Fantasy schreit einfach nach langen, ausgereiften Geschichten und die kann man nicht einfach in einem Buch zusammenfassen. Dass also Trilogien modern geworden sind, überrascht mich nicht. Bei „Anders“ war es das Gleiche: ein dickes, wirklich dickes Buch, das Platz und Freiraum in der Gestaltung brauchte.

Ich persönlich möchte als Leser auch – wenn ich in eine Welt eintauche – lange in ihr bleiben. Deshalb kann ich das mit den Serien gut verstehen. Dünnere Fantasy-Romane mag ich nur, wenn ich den Hintergrund schon kenne, also nichts wirklich mehr erklärt werden muss, wie zum Beispiel bei meinem Kurzgeschichten-Band „Blutkrieg“ von der „Chronik der Unsterblichen“. Das waren Kurzgeschichten, die erst als Hörbuch verlegt wurden. Das erste eigentlich nur eine PR-Geschichte, entwickelte sich die Nachfrage so, dass wir weitere aufnehmen mussten. Von vielen Lesern kam dann zurecht die Beschwerde „warum kriegen wir das nicht“. Das Ergebnis war ein Band für zwischendurch, der vor allen bei den Fans großen Zuspruch fand.

Literatopia: Was liest eigentlich ein Wolfgang Hohlbein, wenn er entspannen will? Fantasy, Krimis oder einen guten Thriller? Wie oft kommen Sie noch zum Lesen? Oder haben Sie als Autor eigentlich kaum noch Muse für ein zweites, buchstabenreiches Hobby?

Wolfgang Hohlbein: Nein, genug hab ich nicht. Ich lese immer noch reichlich, wobei ich das Fantasy Genre – Elfen, Orks und Co – tunlichst zu meiden versuche. Das wäre wirklich zu viel des Guten. Gerne schmökere ich in historischen Romanen, ab und zu auch in einem Science Fiction Roman. Ich bin mit Karl May und Perry Rhodan aufgewachsen und das ist an mir, was meine Auswahl betrifft, hängen geblieben.

Literatopia: Viele Romane – verschiedene Geschichten, Emotionen und Abenteuer: Wenn Sie von ihren unzähligen Büchern nur eines empfehlen dürften, welches würden Sie Ihren Lesern besonders ans Herz legen wollen und warum?

Wolfgang Hohlbein: Wenn ich nur eines empfehlen dürfte, dann wohl „Hagen von Tronje“. Das Lieblingsbuch vieler meiner Leser – wird zumindest gesagt. Kaufen tut es trotzdem keiner. (lacht) Scherz beiseite: das Buch ist natürlich auch über die Jahre relativ erfolgreich gewesen, dennoch mit Abstand nicht mein Bestverkauftes, obwohl es immer und immer wieder so gelobt wird. Ich hab die Vermutung, dass es sehr am Titel und Thema liegt. „Hagen von Tronje“ ist schon etwas älter, aus den achtziger Jahren, und war eine reine Auftragsarbeit. Die Idee kam damals vom Verlag, eine Nibelungengeschichte zu schreiben. Meine recht spontane Antwort: „um Gottes Willen lasst mich doch mit dem Schrott in Ruhe, damit wurde ich schon in der Schule genug gequält!“ Trotzdem bin ich dann aber auf den Geschmack gekommen, den Hintergrund doch einfach mal anders zu beleuchten. Aus der Sicht des Bösen um genau zu sein. Im originalen Nibelungenlied kommt Hagen ja nicht so gut weg, wie bei mir. Ich glaube, viele potenzielle Leser denken gar nicht so weit, wie viel sich hinter so einem Titel verbergen kann.

Mit „Hagen von Tronje“ verhält es sich damit sehr ähnlich wie bei vielen anderen meiner Bücher. Es ist kein Bestseller geworden, hat sich aber über die Jahre dennoch gut verkauft und wurde letztendlich nie nur ein paar Monate gelesen, sondern über viele Jahre hinweg. Bestseller-Listen sind überhaupt bei mir so eine Sache. Dorthin schaffte ich es selten. Mein bestes Ergebnis in den letzten Jahren war Platz sieben mit „Anubis“. Was für mich wichtiger ist: Der Roman blieb fast ein Jahr lang auf der Bestseller-Liste, wenn auch meistens im unteren Bereich. Im Nachhinein gesehen ist mir das viel lieber, als mehrere große Erfolge, die dann bald wieder von der Bildfläche verschwinden.

Literatopia: Besteht die Möglichkeit von „Hagen von Tronje“ jemals eine Fortsetzung zu lesen?

Wolfgang Hohlbein: Ich hatte einen guten Grund, am gesetzten Punkt den Roman abzubrechen. Wenn man sich das Nibelungen-Lied einmal wirklich vornimmt, besonders den zweiten Teil, dann liest man ein einziges Gemetzel. Die wirklich spannende Geschichte, die der Menschen, ist zu der Zeit schon abgeschlossen. Sicherlich könnte ich mich irgendwann dazu breit schlagen lassen, einen zweiten Teil zu verfassen – brutale sowie blutige Geschichten hab ich auch schon geschrieben – doch im Moment steht das nicht zur Debatte. Mal schauen, was die Zukunft bringt.

Literatopia: Sie sind immer wieder bei Veranstaltungen, Messen und Lesungen anzutreffen. Wie wichtig ist für Sie der Kontakt zum Leser? Sind sie immer noch nervös? Und gibt es ein Erlebnis, das sie vermutlich nie wieder vergessen werden?

Wolfgang Hohlbein: Der Kontakt zum Leser ist mir sehr wichtig. Gerade Lesungen bieten mir die Möglichkeit, viele meiner Fans oder auch Interessenten gleichzeitig zu erreichen. Das gefällt mir und auch Meinungen zu meinen Büchern – ebenso gute Kritik – höre ich gern. Das ist mir ganz wichtig, denn ich erhalte sonst nicht viel Feedback. Es ist zwar toll wenn die Verkaufszahlen gut sind, aber das allein genügt mir nicht. Mit „ich hab das Buch zwar nicht gelesen, aber es soll so und so sein“ kann ich allerdings überhaupt nichts anfangen und so etwas ärgert mich dann auch. Lieber und hilfreicher sind Aussagen zum Thema, Hintergrund oder Stil.

Egal ob Podiumsdiskussion, Lesung oder aber auch bald mein Auftritt im Rahmen der Rockoper – da werde ich auch mitmachen, als Gag – lassen mich nicht kalt. Gerade die ersten zwei oder drei Minuten brauche ich, um mit der Situation warm zu werden. Sicherlich hilft Erfahrung, aber sie dient eigentlich nur dazu, schneller in die Situation zu finden. Leser die mich schon live erlebt haben, werden bestätigen, dass ich mich anfangs vor Nervosität manchmal verspreche. Ich habe auch schon mal mit Fieber auf einer Lesung gestanden – gehört alles dazu. Was das Erlebnis betrifft – vermutlich fallen mir morgen noch tausend andere Sachen ein – momentan kann ich aber nur an meine allererste Lesung denken:

Ich war damals sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig, total unerfahren – mein erstes Buch war gerade auf dem Markt – und ein Mitarbeiter des Bastei Verlages hat mich in die kleine Buchhandlung seiner Eltern eingeladen. Er frage mich damals, ob ich nicht vielleicht etwas für ein paar Zuhörer lesen wolle. Als ich dort angekommen bin, war nichts vorbereitet. Ich hab weder Stühle noch sonst etwas gesehen, da dachte ich: wir gehen wohl in irgendeine Kneipe im kleinen Rahmen oder ähnliches. Lampenfieber noch höher gestiegen. Dann ist plötzlich der liebe Michael gekommen und meinte zu mir „ich hab deinen Stuhl schon aufgebaut“. Er nahm mich wortwörtlich an der Hand, führte mich aus der Buchhandlung und brachte mich auf einen Marktplatz. In der Mitte ein großes, hölzernes Podest mit rotem Plüschsessel und Mikrophon. Zu derzeit war dort ein Schützenfest im Gange. Da starrten also etwa dreitausend Menschen zu mir hoch und ab da weiß ich nichts mehr. Als alles vorbei war hatte man mich gelobt und gemeint, ich hätte meine Sache gut gemacht. Das kann ich bis heute weder bestätigen noch dementieren. (lacht) Ich hatte einfach ein Black Out. So lernt man glaub ich auch schwimmen, oder? Ins kalte Wasser stoßen und wer nicht ertrinkt, der kann es.

Literatopia: Stichwort Stil – wie definieren Sie ihre Art zu schreiben? Haben Sie bestimmte Eigenheiten oder Angewohnheiten, die erwähnenswert sind?

Wolfgang Hohlbein: Ich schreibe recht schlicht, also sehr bewusst. Auch bei der Wortwahl achte ich auf Einfachheit und muss stets bedenken, dass ich recht jugendliche Leser bediene. Es gibt zwar auch ältere, aber die meisten sind jünger und mögen meine Art. Erstaunlicherweise. Ich glaube ein ruhiger, manchmal auch etwas ausufernder Stil, wie bei Karl May, begeistert Kids.

Literatopia: Hand aufs Herz: Gibt es eine Interviewfrage, die Sie einfach nicht mehr hören können? Oder gar eine, auf die Sie warten, die sich aber niemand zu stellen traut? Wenn ja, welche? Und würdest Sie uns diese auch gleich beantworten?

Wolfgang Hohlbein: Die Frage „woher haben Sie Ihre Ideen“, musste ich vielleicht schon ein bisschen zu oft hören. Ich hab mich früher einmal darüber lustig gemacht, im Grunde ist das aber unfair. Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten – wenn jemand das wissen möchte, ist es nun eben für ihn interessant. Allerdings fällt mir auch ein: bei jeder zehnten Lesung habe ich immer wieder jemand dabei, der mir eine so übertrieben intellektuelle und verschachtelte Frage stellen muss, dass ich sie erst gar nicht verstehe, dann aber mit kurzem Schweigen kommentiere, um schlussendlich ganz simpel mit „ja“ oder „nein“ zu sagen.

Das macht mir inzwischen großen Spaß. Und so etwas amüsiert, bis auf den Fragensteller selbst, auch das Publikum.

Literatopia: Was dürfen wir in naher, aber auch ferner Zukunft aus dem Hause Hohlbein erwarten? Sind neben den Fortsetzungen altbekannter Reihen auch neue geplant? Oder gar die Umsetzung eines weiteren Musicals? Welche Projekte warten? Und, sicherlich auch interessant, was wird Ihre Tochter zum Besten geben? Oder bekommt man als Vater auch in diesem Punkt manchmal nicht alles mit?

Wolfgang Hohlbein: Derzeit ist ja, wie vorhin schon besprochen, der neue Teil der „Chronik der Unsterblichen“ erschienen, dicht gefolgt von „Elfentod“, dem neuen Roman zur „Elfenchronik“ bei Otherworld – sollte eigentlich im Sommer kommen, aber der Autor hat zu spät abgeliefert. (schmunzelt) Zurzeit sitze ich gerade an der Fortsetzung von „Thor“, doch zuvor kommt im Januar noch das Buch „Blutnacht“ zur Rockoper. Alles darüber hinaus ist noch nicht wirklich fix geplant. Ich bin auch kein Freund davon, lange im Voraus zu planen und schreibe das, was mir Spaß macht. Diesen Luxus kann ich mir erlauben – wobei, nein, eigentlich nicht, aber ich tue es trotzdem (lacht). Mir ist wichtig, zu wollen was ich fabriziere. Und ich glaube das merkt man auch, denn ich denke, diese Begeisterung kommt beim Leser an. Was meine Tochter betrifft, so bin ich eigentlich gar nicht auf dem Laufenden und verweise da gerne an meinen Agenten, Dieter Winkler. Denn, ja: alles bekommt der Papa nicht mit.

Dieter Winkler: Ihr nächster großer Roman, gerade in der Fertigstellung, wird nächstes Jahr zur Buchmesse bei Heyne erscheinen. Es wird auch wieder eine sehr phantastische Geschichte sein, die ganz anders ist, als das, was Wolfgang als Vater schreibt. Ihr erster Roman hat viel mit Vampiren und Werwölfen zu tun, so ähnlich wird es auch dieses Mal, aber es ist keine Fortsetzung von „Himmelwärts“, sondern ein für sich stehendes Werk.

Beide, Tochter und Vater, haben schon gut zusammengearbeitet, aber es ist, so glaube ich, gut wenn beide ebenso eigene Wege gehen.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne, ausführliche Interview!

(Dieter Winkler, Wolfgang Hohlbein und Angelika Mandryk; 14.10.2011)


Autorenhomepage von Wolfgang Hohlbein

Rezension zu "Irondead - Der zehnte Kreis"

 
 

Dieses Interview wurde von Angelika Mandryk für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.