Christoph Lode (15.11.2011)

Interview mit Christoph Lode

Literatopia: Hallo, Christoph. Schön, dass Du Zeit für dieses Interview gefunden hast. Stell Dich doch bitte kurz unseren Lesern in Deinen eigenen Worten vor: Wer bist Du und was schreibst Du?

Christoph Lode: Christoph Lode, geboren vor nunmehr fast 35 Jahren in Kaiserslautern. Dennoch kein Fußballfan, zumindest kein großer. Faible für Katzen, Billard, HBO-Serien, Essen, Chardonnay, Phantastik aller Art. Früher Sozialarbeiter in einer psychiatrischen Klinik, heute Vollzeit-Schriftsteller. Lieblingsbeschäftigungen: Lesen, Essen, Kino, Sorgen-um-den-Zustand-der-Gesellschaft-machen. Bücher bisher: die historisch-phantastischen Romane „Der Gesandte des Papstes“, „Das Vermächtnis der Seherin“ und „Die Bruderschaft des Schwertes“; die Fantasy-Trilogie „Pandaemonia“, bestehend aus „Der letzte Traumwanderer“, „Die Stadt der Seelen“ und „Phoenixfeuer“.

Literatopia: Nach einigen historischen Romanen wie beispielsweise „Der Gesandte des Papstes“ erschien 2010 Dein Fantasydebüt „Der letzte Traumwanderer“. Würdest Du bitte kurz umreißen, worum es geht? Und warum hast Du Dich nun ausgerechnet für Fantasy entschieden?

Christoph Lode: „Der letzte Traumwanderer“ spielt in der Metropole Bradost, die vage an das London des 19. Jahrhunderts erinnert. Es ist ein riesiger Stadtstaat voller Rauch, Maschinen, Alchemie und sozialer Ungleichheit. Dort kämpfen drei junge Menschen ums Überleben: der bettelarme Schlammtaucher Jackon; der Blitzhändler Liam, der seinen Vater verloren hat; und Vivana, die zwischen der wissenschaftlichen Welt ihres Vaters und der magischen Herkunft ihrer Mutter hin- und hergerissen ist. Die Magie zieht sich allmählich aus der Welt der Menschen zurück, doch Jackon, Liam und Vivana kommen damit aus unterschiedlichen Gründen in Berührung.
Warum Fantasy? Ganz einfach: Ich mag das Genre sehr, und nach drei eher historischen Romanen war es höchste Zeit, dass ich mich an einer waschechten Fantasy-Trilogie versuche.

Literatopia: Fiel Dir der Umstieg von Historik auf Phantastik sehr schwer? Wo liegen Deiner Meinung nach die Herausforderungen bei phantastischen Romanen?

Christoph Lode: Der Umstieg fiel mir sehr leicht, was zum einen daran liegt, dass auch meine ersten drei historischen Romane eine starke phantastische Note haben – und zum anderen, weil Fantasy das Genre ist, das ich seit meiner Kindheit am meisten liebe.
Die schwierigste Aufgabe beim Schreiben eines phantastischen Romans liegt m.E. darin, sense of wonder zu erzeugen, also den Leser buchstäblich mit den Wundern der erschaffenen Welt zu verzaubern.

Literatopia: Wie entstand eigentlich die Idee zum Konzept der „Pandaemonia“-Trilogie? In „Der letzte Traumwanderer“ geht es ja vor allem auch um Korruption und politische Unterdrückung. Stammen diese Themen ein wenig von Deinen historischen Werken?

Christoph Lode: Die Trilogie hat während der Konzeptarbeit sehr viele verschiedene Phasen durchlaufen, und am Ende ist eigentlich nur die Grundidee geblieben: Es gibt drei jugendliche Protagonisten, und einer wird von der Macht korrumpiert. Da schon recht früh feststand, dass eines der Themen der Rückzug der Magie aus einer zunehmend technisierten Welt sein würde, hat sich ein „steampunkiger“ Hintergrund mit einer viktorianisch angehauchten Stadt, bizarren Maschinen und Alchemie angeboten.
Zu den Themen Korruption und Unterdrückung: Mit meinen historischen Romanen hat das nur wenig zu tun, dafür umso mehr mit der politischen Gegenwart. Als ich mit dem „Traumwanderer“ anfing, befand sich die Finanzkrise gerade auf einem (vorläufigen) Höhepunkt, und was wir seit drei Jahren erleben, ist, fürchte ich, die beginnende Zerstörung der westlichen Demokratien durch oligarchische Interessen. Das hat die Romane natürlich beeinflusst.

Literatopia: In der Romanwelt gibt es drei verschiedene Ebenen: Die Stadt Bradost, das Reich der Träume und das Pandaemonium. Was inspirierte Dich zur Erschaffung dieser drei Welten? Wie sind die Ebenen miteinander verbunden?

Christoph Lode: Für Bradost stand das viktorianische London Pate. Das Pandaemonium ist eine Kombination aus verschiedenen Unterwelt-Motiven, die ich diversen irdischen Mythologien entnommen habe. Die Traumlande entstand, nachdem ich viel über Träume, ihre Entstehung und ihre Funktion recherchiert habe. Ich habe mich mit einer befreundeten Psychotherapeutin unterhalten, die viel von tiefenpsychologischer Traumdeutung versteht. Sie hat mir die entscheidende Idee für das Konzept der Seelenhäuser geliefert.
Alle drei Welten stehen in enger Verbindung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig – wie, verrate ich in den Romanen.

Literatopia: Mit Jackon als Charakter hast Du eine Figur geschaffen, die mittels Träumen über die Macht verfügt, die Politik zu beeinflussen und die Weltordnung durcheinanderzubringen. Was war Deine Intension bei der Erschaffung des Traumwanderers?

Christoph Lode: Ich wollte einen Jungen kreieren, der über mächtige Kräfte verfügt und lernen muss, damit zurechtzukommen. Wie diese Kräfte konkret beschaffen sein sollten, wusste ich lange nicht. Zaubermacht, irgendwelche Superhelden-Fähigkeiten – das erschien mir alles abgeschmackt und schon zu oft dagewesen. Also habe ich mich entschieden, ihm die Fähigkeit zu geben, Träume zu manipulieren. Das gab es zwar auch schon in der Phantastik – tatsächlich gab es ALLES schon einmal –, aber es hat sich gezeigt, dass da noch genug Spielraum für mich ist, etwas Neues zu versuchen.

Literatopia: Gibt es eine Figur, die es Dir besonders angetan hat und die Du nun nach dem Abschluss der Trilogie vermisst? Und welcher der Gegenspieler gefällt Dir besonders gut?

Christoph Lode: Vivana ist mir während des Schreibens sehr ans Herz gewachsen, aber auch die anderen Figuren – Liam, Jackon, Nestor Quindal, Lucien – vermisse ich. Es war nicht leicht, von ihnen Abschied zu nehmen, als ich „Ende“ unter „Phoenixfeuer“ tippte. Auf der Gegenspieler-Seite sind meine Lieblinge eindeutig Umbra und Mahoor Shembar, der untote Nigromant.

Literatopia: Im ersten Teil der Trilogie wird das Pandaemonium noch nicht ausführlich vorgestellt. Allerdings kann der Leser ins Reich der Träume eintauchen. Würdest Du dieses als eine magische Welt bezeichnen? Und inwiefern existiert in dieser Welt Magie?

Christoph Lode: Die Traumlande ist insofern eine magische Welt, als dass sie sich stark von unserer Alltagswelt und der Welt der Protagonisten unterscheidet. Richtige Magie existiert darin allerdings nur bedingt. Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass es die Traumlande gibt, und können ihre Seelenhäuser nie verlassen. Alles, was sie davon mitbekommen, sind die Träume, die sie Nacht für Nacht haben. Nur Jackon und die Alben können die Traumlande nach ihren Wünschen verändern, gewissermaßen Magie wirken.

Literatopia: Der zweite Teil Deiner Trilogie, „Die Stadt der Seelen“, setzt nahtlos an die Geschehnisse seines Vorgängers an. Das Pandaemonium steht nun im Zentrum der Geschichte. Was erwartet den Leser im Reich der verlorenen Seelen und Dämonen?

Christoph Lode: Horden grotesker Monster, viele scheußliche Gefahren für alle Protagonisten und mindestens zwei bitterböse Überraschungen. Ja, so ist das. Tut mir leid.

Literatopia: Die Covergestaltung der Trilogie ist wirklich sehr gelungen. Konntest Du Deine eigenen Ideen mit in die Gestaltung einfließen lassen oder hast Du als Autor kein Mitspracherecht? Wie gefällt Dir das Endergebnis?

Christoph Lode: Ich bin sehr zufrieden mit der Covergestaltung. Die ist allerdings Sache des Verlags bzw. des Grafikers, der damit beauftragt wird. Ich habe damit nichts zu tun, außer, dass man mir die Entwürfe vorlegt und mich um meine Meinung bittet.

Literatopia: Auf Amazon hat Deine Fantasy-Trilogie durchweg nur positive Rezensionen erhalten und ist bestens bewertet. Erfüllt Dich das mit Stolz oder schaust Du lieber nicht nach Rezensionen? Und wie gehst Du eigentlich mit kritischen Worten um?

Christoph Lode: Natürlich freut mich die positive Resonanz auf „Pandaemonia“, aber man sollte amazon-Rezensionen nicht überbewerten. Wie ich mit Kritik umgehe, hängt davon ab, wie sie formuliert ist: unsachliche und beleidigende stößt bei mir auf taube Ohren, rein geschmäcklerische („Ist ja doof, da kommen gar keine Vampire drin vor!“) ignoriere ich meistens auch. Fundierte nehme ich mir manchmal zu Herzen, aber nur, wenn ich die Motive des Rezensenten einschätzen kann. Wenn einer mein Buch verreißt und ich mitkriege, dass er/sie auch schreibt, werde ich sauer. Besonders, wenn im Verriss der Vorwurf mitschwingt: „So ein Dreck wird verlegt, aber mein epochales Werk nimmt kein Verlag ...“

Literatopia: Hast Du Lieblingsautoren, die Dich geprägt oder inspiriert haben? Und kommst Du neben der ganzen Schreiberei überhaupt noch selbst zum Lesen? Was liegt zurzeit auf Deinem Nachttisch, das darauf wartet, von Dir gelesen zu werden?

Christoph Lode: Terry Pratchett, Neil Gaiman, Tolkien, George R.R. Martin, Ken Follett, Lloyd Alexander (s.u.) zähle ich zu meinen Lieblingsautoren. Natürlich lese ich immer noch sehr viel – wäre ja schrecklich, wenn mich das Schreiben davon abhielte. Momentan liegen da: Thomas Elbel, „Asylon“; Michael Moorcock, „The Coming of the Terraphiles“; Peter S. Beagle, „Das letzte Einhorn“; und ein Stapel Comics.

Literatopia: Gibt es Bücher, die Dich in Deiner Kindheit geprägt haben oder auch welche, die Dich in jüngster Zeit tief beeindruckt haben?

Christoph Lode: Die wichtigsten Bücher meiner Kindheit waren die „Taran“-Romane von Lloyd Alexander. Durch sie bin ich zum ersten Mal mit Fantasy in Berührung gekommen und dem Genre augenblicklich und nachhaltig verfallen. In letzter Zeit hat mich „Harry Potter“ sehr beeindruckt. Ich kannte bisher nur die Filme, die ich sehr mag – aber die Bücher sind tatsächlich um Welten besser.

Literatopia: Wo und wann schreibst Du am liebsten an deinen Romanen? Gibt es einen Ort, der Dich besonders inspiriert? Oder kannst Du quasi immer und überall schreiben?

Christoph Lode: Ich versuche, jeden Werktag von ca. 9:00 bis 17:00 ein festgesetztes Pensum zu schreiben. Das klingt jetzt sehr nach eiserner Disziplin und protestantischer Arbeitsethik, aber wenn ich ehrlich bin, halte ich das nicht immer durch. Meist sitze ich dabei ganz langweilig mit meinem Laptop am Schreibtisch oder im Wohnzimmer auf der Couch. Schreiben im Café oder so geht gar nicht. Zu viel Lärm, zu viel Ablenkung. Im Zug: manchmal. Wenn nicht gerade wieder mal mein Laptop-Akku leer ist.

Literatopia: Hältst Du oft Lesungen oder Signierstunden und tourst durch Städte, um Deine aktuellen Romane vorzustellen? Und gehst Du selbst gerne auch auf Lesungen anderer Autoren?

Christoph Lode: Lesungen halte ich hier und da, wenn sich die Gelegenheit ergibt, z.B. auf der Leipziger Buchmesse. Manchmal gehe ich auch zu den Lesungen befreundeter Autoren. Ist immer eine willkommene Gelegenheit, hinterher gemeinsam einen zu trinken und über die Branche zu quatschen.

Literatopia: Wie schätzt Du die Bedeutung des Internets für Autoren allgemein ein? Du führst ja auf Deiner Homepage auch ein eigenes Journal. Kommst Du regelmäßig dazu, dieses zu pflegen? Welche Informationen finden interessierte Leser auf Deiner Homepage?

Christoph Lode: Für mich persönlich wäre das Schriftstellerleben ohne Internet wesentlich schwieriger. Allein die Möglichkeiten, die es für die Recherche bietet! Meine Homepage versuche ich, regelmäßig zu aktualisieren und auf dem neusten Stand zu halten, aber wie man am Journal sieht – der letzte Eintrag ist vom 6. September –, gelingt mir das nicht besonders gut. Ein Grund ist, dass sich meine Online-Aktivitäten weitgehend nach facebook verlagert haben; dort kann man seine Leserinnen und Leser einfacher und schneller erreichen. Ansonsten gibt’s auf meiner Homepage das Übliche: Termine, Hinweise auf Neuerscheinungen, Infos über meine Person und meine Romane, Links zu Rezensionen und hin und wieder einen Bericht über meine Arbeit.

Literatopia: Dystopien sind im Moment ganz stark im Kommen. Hast Du Dir schon eimal überlegt, Dich an eine düstere Zukunftsvision zu wagen? Oder gar in ganz andere Genres einzutauchen?

Christoph Lode: Konkret habe ich mich noch nicht mit Dystopien beschäftigt, aber wer weiß, vielleicht kommt das noch? Ich finde das Genre jedenfalls sehr reizvoll. Generell bin ich nicht sehr festgelegt, was Genres angeht. Gut möglich, dass ich in den nächsten Jahren etwas ganz Neues ausprobiere.

Literatopia: Mit „Phoenixfeuer“ erschien im September der Abschluss der Pandaemonia-Trilogie. Planst Du weitere Projekte, die im phantastischen Bereich angesiedelt sind, oder hast Du davon erst einmal genug? Und was dürfen wir als Nächstes aus Deiner Feder erwarten?

Christoph Lode: Ich werde ganz sicher wieder Fantasy schreiben, aber wann das sein wird, steht noch in den Sternen. Gerade arbeite ich an einer historischen Saga, die mich sicher bis Mitte/Ende 2012 an den Schreibtisch fesseln wird.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview, Christoph!

Christoph Lode: Ich habe zu danken!


Autorenfoto: Copyright by Christoph Lode

Autorenhomepage: http://www.christoph-lode.de/

Rezension zu "Pandaemonia - Der letzte Traumwanderer" (Band 1)


Dieses Interview wurde von Shtrojera Lipaj für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.