Flashback (Dan Simmons)



Heyne Verlag (Oktober 2011)
Klappbroschur, 640 Seiten, EUR 15,99
ISBN: 978-3453265974


Genre: Science-Fiction, Zukunftsthriller, Dystopie


Klappentext

Die Welt im Jahre 2036. Die Vereinigten Staaten stehen vor dem wirtschaftlichen Kollaps, in den Städten herrscht das Chaos, und die terroristische Bedrohung ist allgegenwärtig. Den größten Teil der Bevölkerung scheint das allerdings kaum zu kümmern, denn die Menschen sind abhängig von einer Droge namens „Flashback“, die es den Konsumenten ermöglicht, die glücklichsten Augenblicke ihres Lebens immer wieder neu zu erfahren. Einer von ihnen ist Nick Bottom, ein ehemaliger Polizist, der seit dem tragischen Unfalltod seiner Frau nur noch in der Vergangenheit lebt und mittels „Flashback“ die schönsten Momente mit ihr wiederaufleben lässt. Dann aber wird er erneut mit einem Fall betreut, dem Mord am Sohn eines hohen Regierungsbeamten, den er in seiner aktiven Zeit nicht aufklären konnte. Eher widerwillig beginnt Bottom mit den Ermittlungen. Bis er einer gigantischen Verschwörung auf die Spur kommt – einer Verschwörung, die für den verheerenden Zustand der USA und ihrer Bewohner verantwortlich ist.

Mit FLASHBACK hat Bestseller-Autor Dan Simmons einen atemberaubenden Zukunftsthriller geschrieben – eine Zukunft, von der wir nur einen kleinen Schritt entfernt sind.


Rezension

In seinem neusten Roman nimmt Dan Simmons uns mit in die nicht allzu ferne Zukunft und beweist damit einmal mehr, dass er mit seinen opulenten Romanen keineswegs an eine Epoche gebunden ist.
Von dieser Zukunft des Jahres 2036, von der wir laut Klappentext „nur einen Schritt entfernt“ sind kann man sich allerdings wirklich nur wünschen, dass sie – im Gegenteil – meilenweit entfernt ist von unserer tatsächlichen Zukunft.
Denn so düster, trostlos und überaus erschreckend wie in „Flashback“ wurde die nahe Zukunft schon lange nicht mehr geschildert:

Chaos und Anarchie regieren überall in den Vereinigten Staaten. Die Städte sind trostlose Ruinen, in denen gleichgültige Wesen, anstatt zu leben, von vergangenen Zeiten träumen.
Zweifellos ist Simmons mit seiner eindrucksvollen und bedrückenden Zukunftsvision in erzähltechnischer Hinsicht ein großer Wurf gelungen – denn fast vermeint man die verlassenen Straßenschluchten und heruntergekommenen Gebäude vor Augen zu haben. Eingängig fängt Simmons die Stimmung des Verfalls ein, der die ruhmreichen, jedoch unwiederbringlich vergangenen Zeiten verschleiert – einst prunkvolle Einkaufszentren werden so zu überfüllten Wohneinheiten für die verarmte Bevölkerung, einstige Zeichen des Aufbruchs und des Fortschrittes wie Windparks und Elektroautos verkommen zu Mahnmalen des Versagens – US-Bürger sehen sich in ihrem eigenen Land zu Bürgern zweiter Klasse degradiert.
Wie aber sieht es aus mit Erklärungen für eine solche Schrecklichkeit innerhalb nicht einmal dreier Dekaden?
Diese hat Dan Simmons durchaus parat, und sie sind es auch, die dieses Buch so „besonders“ machen und dafür sorgten, dass sein neuester Roman sich einem Kreuzfeuer der Empörung und Kritik ausgesetzt sieht:
Der Untergang praktisch der kompletten abendländischen Kultur (denn auch vor Europa macht Simmons nicht halt) ist – unter anderem – zurückzuführen auf die Überschuldung der USA durch Finanzierung von Sozialprogrammen und einen zu weichen Umgang mit fanatischem Islamismus. Denn in Simmons‘ Zukunft werden die USA beherrscht vom „Neuen Kalifat“ – einer Atomsupermacht, die durch die Unachtsamkeit der USA erst entstehen konnte – Stichwort Atomwaffen im Iran - und der der Bankrott der Vereinigten Staaten in die Hände spielte.
All dies sind erst einmal Ideen, gegen die prinzipiell in einem fiktiven Werk nichts einzuwenden ist – egal ob sie Zustimmung bei der Leserschafft finden oder nicht. Wirklich nach Luft schnappen lässt den Leser erst die Ausgestaltung dieser Ideen sowie die Abgeklärtheit – ja man muss es fast Abgebrühtheit nennen -, mit der Simmons heikle Themen genüsslich zerpflückt – natürlich bewusst provozierend, jedoch in einem ungekannten Ausmaß - und dabei vielen, vielen Menschen auf die Füße getreten sein dürfte:



Dann erkannte Val, dass es nur die Feierlichkeiten zu dem alten Festtag, dem 11. September 2001 waren, dem Beginn – wie Val (US-Bürger, Anm. d. Rezensenten) es in der Schule gelernt hatte – des erfolgreichen Widerstands gegen die imperialistische Hegemonie Amerikas und einem wichtigen Wendepunkt für die Entstehung des Neuen Kalifats und einer anderen Weltordnung. Er wusste, dass die christlichen Kirchen die Glocken läuteten, um mit den Hadschis in den Dutzenden Moscheen von Los Angeles zu feiern und um ihre Solidarität und Versöhnungsbereitschaft zu bekunden.

(S. 94)

So etwas will erst einmal verdaut werden. Denn obendrein flechtet Simmons in seine Zukunftsvision immer wieder Aspekte ein, die diese nicht vollkommen aus der Luft gegriffen scheinen lassen. So spinnt er gerade beginnende Entwicklungen weiter und benutzt diese, um eine Grundlage für seine Ideen zu schaffen. Und das gelingt ihm so gekonnt, dass man es als Leser schon manchmal mit der Angst zu tun bekommen kann – vergegenwärtigt man sich die derzeitige globale politische, wirtschaftliche und soziale Lage:
Die Vereinigten Staaten mit ihrem schier ungeheuerlichen Schuldenberg, die Währungskrise im europäischen Raum, die sich zuspitzende Lage im Iran, was Atomwaffentechnologie betrifft – all diese – und weitere – Punkte flechtet Simmons so überzeugend und lückenlos in seinen Roman ein, dass die abendlichen Nachrichten schon mal zum Nervenkitzel mit fadem Beigeschmack werden können: „Das habe ich doch vorhin als eine Begründung für Simmons‘ düstere Zukunftsvision gelesen“, mag dem einen oder anderen Leser dabei durch den Kopf gehen. Und so werden diese Aspekte des Romans selbst zu einem Nervenkitzel. Wenn auch zweifellos zu einem fragwürdigen.

All dies ist jedoch eigentlich nur „schmückendes“ Beiwerk in einem Roman, in dem es vornehmlich um einen unaufgeklärten Mord, um die Droge „Flashback“ und – natürlich – um einen Komplott geht, der so viel größer ist, als man ahnt.
Hierbei zeigt sich, dass Simmons – abgesehen vom Setting – wenig neue Wege beschreitet; die Grundidee ist schon dagewesen und auch, wenn man das Ende nicht wirklich kommen sieht, so ist man auch nicht überrascht – eine Tatsache, die bei einem Autor von Simmons‘ Kaliber natürlich schwerer zu verzeihen ist, als bei anderen. Dennoch kann er durch die gelungene Umsetzung darüber hinwegtrösten, denn auch wenn die Idee nicht neu sein mag, gelingt ihm eine interessante Spielart davon – nicht zuletzt durch seine typische Art, Spannung und Ungewissheit zu erzeugen, die in diesem Buch für einen ganz besonders „schönen“ Schluss sorgen.

Bemerkenswert ist an „Flashback“ noch eine weitere Tatsache: Die nämlich, dass der gesamte Roman ohne einen einzigen wirklich sympathischen Charakter auskommt. Für den Erschaffer von „Raul Endymion“ und anderen tollen Charakteren mag das etwas ungewöhnlich erscheinen. Allerdings muss man anerkennen, dass dieser Kniff hervorragend zur düsteren Grundstimmung passt und das Setting somit abrundet. Denn dass man sich als Leser der heutigen Zeit mit einem „normalen“ Menschen aus Simmons‘ Zukunft nicht identifizieren kann, unterstreicht einmal mehr deren Andersartigkeit, die das zentrale Stilmittel in diesem Roman ist.


Fazit

Mit „Flashback“ liefert Dan Simmons das verstörendste Zukunftsszenario seit Langem ab - und mit diesem ein Setting, das sicherlich nicht jedem gefallen wird. Dennoch ist Simmons‘ erzählerisches Talent unverkennbar, mit dem er auch diesmal eine - zwar nicht neue – Idee umso gelungener und atmosphärischer umsetzt.


Pro & Kontra

+ stimmungsvolle Atmosphäre

o Setting sehr „krass“ umgesetzt
o gelungene Charaktere, mit denen man sich jedoch nicht wirklich identifizieren kann
o Grundidee spannend und gut umgesetzt, wenn auch für Simmons‘ Verhältnisse nicht übermäßig originell

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5


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