Wolfsnacht (Tom Egeland)

Verlag Goldmann (2006)
Taschenbuch, 503 Seiten,
EUR 8,95
ISBN: 3442462541

Genre: Thriller


Klappentext

Während einer Live-Diskussion mit Politikern im norwegischen Fernsehen nehmen tschetschenische Kämpfer alle Menschen im Studio als Geiseln. Die schockierten Zuschauer sind live dabei. Doch bald wird klar, dass die Freiheit Tschetscheniens nicht das einzige Ziel der Terroristen ist. Aber die mächtigen Hintermänner sind zu allem bereit, um den wahren Hintergrund des Geschehens zu verschleiern ...


Rezension

Die Idee scheint viel versprechend - Skrupellose Terroristen nehmen Geiseln in einem Fernsehstudio und zwingen den Sender dazu, das ganze Drama live zu senden. Gepaart mit einer handfesten Verschwörungstheorie und einigen Rückblenden aus Sicht des Anführers der Geiselnehmer sollte sich daraus ein handfester Thriller stricken lassen. Soviel zur Theorie. Dass die Praxis leider anders aussieht, offenbart sich dem Leser auf 500 mehr oder weniger zähen Seiten.

Denn die Tatsache etwa, dass Milliarden Zuschauer live zuschauen, wird allenfalls in einem Nebensatz mal erwähnt. Der Fokus liegt hauptsächlich bei den Polizisten und den Charakteren im Studio, also Geiseln und Geiselnehmern. Und einigen Politikern, die einen Krisenstab gebildet haben, wie sich das ja nun mal gehört, und dort im Wesentlichen gar nichts tun.
Auch die anderen Charaktere stolpern mehr oder weniger ziellos durch eine dünne Story, etwa die vollkommen unfähigen Polizisten. Da gibt es einen dubiosen Verhandlungstaktiker, der angeblich der beste in seinem Fach ist, aber sich durch ein paar billige psychologische Taschenspielertricks des Wortführers der Geiselnehmer verunsichern lässt. Da gibt es Taktiker, die einen Polizisten nach dem anderen in den Tod schicken, dann obligatorisch Bedauern äußern und sich - mehr oder weniger achselzuckend - wieder ihrer Arbeit zuwenden, oder das, was sie dafür halten. Vollkommen unglaubwürdig auch die Tatsache, dass der Autor allen Ernstes nur einen Nebensatz über die Tatsache verliert, dass die Familie eines getöteten Polizisten das ganze auch noch live im Fernsehen verfolgt hat.

Und auch der Schreibstil kann nicht über die Schwächen hinwegtrösten. Ohne jede Anteilnahme am Leid irgendeines Beteiligten blättert sich der Leser meist genauso lustlos, wie der Schreibstil wirkt, durch die Geschichte. Interesse am Schicksal der Charaktere - Fehlanzeige. Allenfalls die Szenen wirken authentisch, für die der Autor offenbar recht gut recherchiert hat, nämlich solche, die die Polizeiarbeit oder die Geschehnisse in einem Fernsehstudio betreffen.
Einen recht gelungenen Plot-Twist zaubert der Autor dann aber doch noch aus dem Ärmel. Dieser betrifft die wahren Absichten der Geiselnehmer sowie deren Fluchtplan und lässt - sobald der Leser und die Polizisten dahinter kommen - wenigstens streckenweise "Thrillerfeeling" aufkommen.

Genauso seicht dahintröpfelnd wie die gesamte Geschichte, klingt dann auch das Ende in einem dünner werdenden Rinnsal aus, die finale Actionszene wirkt gekünstelt und verfehlt die beabsichtigte Wirkung. Beim Zuklappen der Lektüre bleibt ein fader Nachgeschmack, der Nachgeschmack jener Bücher, die man eines Tages im Regal wiederentdeckt, man sich an so gut wie nichts erinnern kann, aber trotzdem instinktiv weiß, dass man es nicht noch einmal lesen möchte.


Fazit

Ein packender Thriller geht anders; zu viele Unzulänglichkeiten machen die recht gute Idee zunichte. Das regelrechte "Mitfiebern", das einen guten Thriller ausmacht, kommt nicht einmal ansatzweise auf.


Pro & Kontra

+ teilweise recht authentisch
+ annehmbarer Plot-Twist
+ gute Idee ...

- ... die aber leider nicht zufrieden stellend ausgearbeitet wird
- schlechte Charaktere
- teilweise extrem unglaubwürdig
- nicht spannend ...
... was ja eigentlich das Todesurteil für einen Thriller ist ...

Bewertung:

Handlung: 2,5/5
Charaktere: 1,5/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 2/5