Jonas Wolf (16.01.2012)

Interview mit Jonas Wolf

Literatopia: Hallo Jonas, schön, dass Du etwas Zeit gefunden hast, um uns ein paar Fragen zu beantworten. Erzähl doch zu Beginn ein bisschen mehr über Dich: Wer bist Du und was schreibst Du? Wer verbirgt sich hinter dem Namen Jonas Wolf?

Jonas Wolf: Hallo, Angelika! Hallo, Literatopia! Hallo, liebe Leser! Ich freue mich auch, hier zu Wort kommen zu dürfen - Interviews sind ja immer eine tolle Möglichkeit sich Lesern, Fans und Interessierten zu erklären. Jonas Wolf ist in der Tat nicht der Name, der auf meinem Ausweis steht, sondern ein Pseudonym, das für klassische Fantasy stehen soll. Ich habe in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Romanen mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen und aus unterschiedlichen Spielarten der Phantastik veröffentlicht - insbesondere waren da auch ein paar Bücher darunter, die sich Genrekonventionen ziemlich stark verweigert haben oder sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lassen. "Heldenwinter" ist aber ein Fantasy-Epos der alten Schule, eine Verbeugung vor den Begründern des Genres. Da bot es sich an, einen anderen Autorennamen zu verwenden. Ich habe allerdings auch kein Problem zuzugeben, dass jemand anders hinter diesem Namen steht, denn ich will schließlich nicht für Debut-Preise nominiert werden, die eigentlich anderen zustehen.

Literatopia: In diesem Monat erschien Dein Roman „Heldenwinter“ im Piper Verlag. Im Mittelpunkt des Geschehens: Mensch und Halbling, als Familie vereint, um Vergeltung zu üben. Möchtest Du uns vielleicht mit eigenen Worten ein bisschen mehr darüber erzählen?

Jonas Wolf: "Heldenwinter" ist die Geschichte des Halblings Namakan, der mit seinem Meister Dalarr auszieht, um Rache am grausamen König Arvid und dessen Gefolgsmann, dem Krieger in Weiß, zu nehmen. Auf dem Weg finden sie neue Freunde und Feinde - und man erfährt, wie es den Menschen Dalarr überhaupt zu den Halblingen verschlagen hat und warum er einst in den Diensten König Arvids stand. Eine Zeitlang habe ich das Buch auch gern folgendermaßen beschrieben: "Erbarmungslos" (der Spätwestern mit Clint Eastwood) trifft auf den "Herrn der Ringe". Das war ja auch die Grundidee des Buches: "Was wäre, wenn Aragorn viele Jahre nach dem Ring-Krieg Legolas entsendet, um Gandalf umzubringen?" Natürlich hat sich die Geschichte seitdem stark weiterentwickelt. Insbesondere der Einfluss von Howards Conan-Figur ist immer wichtiger geworden, aber einige der Ur-Elemente sind trotzdem ganz klar erhalten geblieben.

Literatopia: Namakan und Dalarr sind zwei von Grund auf verschiedene Protagonisten und auch sonst legst Du erkennbaren Wert auf Abwechslung in den Reihen Deiner Charaktere. Ein unbedingtes Muss für Dich? Und welche Figur hat es Dir besonders angetan? Warum?

Jonas Wolf: Natürlich muss Abwechslung sein! Menschen sind nun einmal extrem unterschiedlich, also müssen es auch die Figuren in einem Buch sein. Dalarr und Namakan haben ja ein sehr spannendes Verhältnis zueinander, gerade weil sie eben Vater und Ziehsohn, Lehrer und Schüler, Jung und Alt sind - in vielem sind sie Gegensätze, doch gleichzeitig hat Dalarr Namakan sehr in seinem Denken und Verhalten geprägt ...

Ich mag wirklich alle meine Figuren. Im Laufe eines Buches wachsen sie einem sehr ans Herz. Mein Geheimfavorit ist sicher die junge Hexe Morritbi, weil sie als starke, unabhängige Frau mit ganz eigenen Moralvorstellungen einen wichtigen Gegenpol zu den beiden männlichen Protagonisten darstellt - Morritbis Pendant ist dann wiederum die alte Krähen-Priesterin Ammorna, und die könnte ich mir ohne den entrechteten Landadeligen Kjell an ihrer Seite gar nicht vorstellen, aber wer "Kjell, der entrechtete Landadelige" sagt, muss auch "Tschumilal, die Halbelfenprinzessin" sagen. Und wenn wir gerade von Tschmuilal reden ... Wie gesagt, ich mag all meine Figuren.

Literatopia: Inspiriert zu „Heldenwinter“ hat Dich allem voran J.R.R. Tolkien und Robert E. Howards „Conan“. Wie bist Du auf die Idee gekommen, die Grundzüge dieser beiden Handlungen miteinander zu vermengen? Welche Zielgruppe hattest Du vor Augen?

Jonas Wolf: Sind die Zielgruppen dieser beiden Autoren denn wirklich so unterschiedlich? Meiner bescheidenen Meinung nach stellen sie vielmehr die beiden Eckpfeiler dar, auf die sich der absolute Großteil der modernen Fantasy gründet - und als Klassiker sind sie über solche Kleinigkeiten wie Geschmack und Mode weit erhaben ;-)

"Heldenwinter" richtet sich vor allem an zwei Gruppen: den erfahrenen Genre-Freund, der gerne Verweise auf andere Werke entdeckt, und zum anderen den Fantasy-Neuling, der einen Einstieg in der Welt der klassischen Fantasy sucht, von dem aus er in die unendlichen Weiten der Phantastik vorstoßen kann. Der Roman ist sicher auch von der modernen Fantasy beeinflusst, beispielsweise von Abercrombie oder George R. R. Martin, doch das ist eher dem Umstand geschuldet, dass ich nun mal im 21. Jahrhundert lebe, schreibe und lese.

Literatopia: Sich an Vorbildern zu orientieren stellt einen stets vor Stolpersteinen oder aber auch helfenden Anhaltspunkten. Wie hast Du das empfunden?

Jonas Wolf: Wie bereits erwähnt habe ich mich eine Zeitlang mit meinen Büchern relativ stark gegen Genre-Konventionen gewehrt. Um mal ein Bild zu benutzen: Ich habe Genres mit dem Vorschlaghammer zertrümmert, um mir aus den Bruchstücken was "ganz Eigenes" aufzubauen. Das hat zwar Spaß gemacht und ich konnte mir ein paar Sachen von der Seele schreiben, die mich seit Jahren umgetrieben haben, aber auf Dauer ist das Zertrümmern ebenso einengend wie das Befolgen der Konventionen - insbesondere wenn man eigentlich ein Genre-Freund ist. Mit "Heldenwinter" erkämpfe ich mir also noch etwas mehr Freiheit: Ich verwirkliche mich innerhalb des Fantasy-Genres und kann dem Genre hoffentlich ein bisschen von der Freude und dem Spaß zurückzahlen, die es mir seit vielen Jahren schenkt. Natürlich stecken immer noch ganz viele eigene Ideen und auch der eine oder andere kleine Bruch im Buch, aber ich wehre mich nicht mehr aus reinem Trotz gegen die Konventionen.

Literatopia: Warum Fantasy? Was fasziniert Dich so sehr an diesem Genre und wo fand Deine Leidenschaft ihren Anfang? Gibt es für Dich, außer „Herr der Ringe“ oder „Conan“, noch andere, unvergessliche Vorreiter?

Jonas Wolf: Wie ich zur Fantasy gekommen bin, erfährt man im Nachwort von "Heldenwinter", das möchte ich an dieser Stelle also nicht wiederholen. Fantasy und die Phantastik im Allgemeinen haben viele faszinierende Eigenschaften, vor allem schätze ich aber die unglaubliche Bandbreite an unterschiedlichen Werken, die man im Genre findet. Die Phantastik ist trotz aller Moden und prägender Bestseller sehr abwechslungsreich geblieben - also bietet sie dem Leser (und dem Autor) auch ganz viel Freiheit.

Es gibt eine ganze Menge Autoren, die diese Freiheit ermöglicht haben - Tolkien, Howard, George R. R. Martin, Ray Bradbury, Marion Zimmer Bradley, Stephen King, aber auch Michael Ende, Ursula K. LeGuin und J. K. Rowling (um nur eine Handvoll der bekannteren Namen zu nennen) haben einen unschätzbaren Beitrag zur Phantastik geleistet. Und genau so vielfältig, wie die Werke dieser Autoren sind, ist eben auch die Phantastik insgesamt.

Literatopia: Im Juli 2012 wird „Heldenzorn“ im Piper Verlag erscheinen. Eine Fortsetzung? Oder doch etwas gänzlich anderes? Kannst Du uns schon ein bisschen mehr über die Schwerpunkte Deines zweiten Romans verraten?

Jonas Wolf: Bei den "Skaldat"-Romanen handelt es sich nicht um eine Reihe im engeren Sinne, bei der die Handlung von Band zu Band direkt aufeinander aufbaut. Vielmehr bietet jeder der Romane eine abgeschlossene Handlung mit kleinen Verweisen auf die anderen Bücher, der Schwerpunkt ist aber in jedem Band ein anderer - de facto soll die Reihe ein bisschen ein Spiegel der High Fantasy und bekannter epischer Erzählungen sein.

Während also "Heldenwinter" sich eher an Tolkien und Howard orientiert, lehnt sich "Heldenzorn" stärker an Herberts "Dune - Der Wüstenplanet" und die Idee des Auserwählten an, wie man sie in ganz vielen Fantasy-Werken findet. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein junger Schamane von den bereits aus "Heldenwinter" bekannten Pferdestämmen, der in die Sklaverei gerät. Sein Besitzer ist der Dominex, eine Art Gottkaiser, der nach Unsterblichkeit strebt und das übermächtige Dominum regiert. Unser Held besitzt eine geheimnisvolle Gabe, die ihm zunächst das Leben rettet und später auch dafür sorgt, dass er seine Freiheit zurückgewinnt - doch lässt er sein Volk nun in der Sklaverei zurück oder stellt er sich der Herausforderung, das übermächtige Dominum zu stürzen? Bei "Heldenzorn" geht es um Revolutionen, die Macht der Vorsehung und die Verantwortung des Einzelnen - und natürlich gibt es dramatische Kämpfe, Fluchten, Liebe und Verrat. Epische Fantasy mit ganz großem E.

Literatopia: Ordnungsmensch oder Chaot? Welches von beiden trifft auf Dich zu und wie weit hat Dich diese Eigenschaft beim Schreiben behindert oder unterstützt?

Jonas Wolf: Ich bin eher ein Ordnungsmensch und plane meine Romane relativ detailliert im Voraus, aber während des Schreibens verselbstständigen sich die Handlung und die Figuren hin und wieder, sodass man sich letzten Endes eben doch immer wieder selbst überrascht. Dieses Sich-Selbst-Überraschen kann zwar ein Vorteil sein, aber manchmal ist es auch hinderlich. Im Großen und Ganzen halte ich das Planen für sehr sinnvoll und produktiv, denn so schreibt man sich nicht ganz so leicht in eine Ecke und weiß eigentlich immer zumindest grob, in welche Richtung die Handlung zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade gehen soll.

Literatopia: Wo und wann schreibst Du? Brauchst Du ein gewisses Umfeld, um in Stimmung zu kommen, oder könnte um Dich herum die Welt im Chaos versinken, während Du tief konzentriert die Tasten zum Glühen bringst?

Jonas Wolf: Mein Tagesablauf ist verhältnismäßig strukturiert: Ich setze mich morgens an den Computer in meinem Arbeitszimmer und schreibe dann den ganzen Tag, bis ich abends aufstehe und mich auf dem Sofa entspanne. Um in Stimmung zu kommen, ist mein Arbeitszimmer sicher hilfreich, aber keine echte Notwendigkeit. Manchmal schreibe ich zur Abwechslung auch per Hand auf einen Block oder tippe auf dem Sofa mit dem Netbook. Wenn ich erst mal im Schreibfluss bin - dem berühmt-berüchtigten Flow, wenn man es lieber auf Denglisch haben möchte -, dann kann mich kaum etwas ablenken. Am besten läuft es eigentlich, wenn ich mich tatsächlich morgens an den PC setzen und dann den ganzen Tag schreiben kann.

Literatopia: Talent oder Handwerk? Wie denkst Du über das Schreiben und was muss man als Autor Deiner Meinung nach besonders beherrschen, um seine Leser fesseln zu können?

Jonas Wolf: Von beidem etwas, würde ich sagen. Ich glaube zwar, dass wirklich jeder Mensch ein (sicher auch gutes) Buch schreiben kann, sofern er nur ausreichend Zeit und Mühe investiert, aber als hauptberuflicher Autor kann es ja nicht bei einem Buch bleiben - und um regelmäßig Bücher schreiben zu können, braucht es eben etwas Talent und noch viel mehr Handwerk. Als Autor sollte man vor allem zwei Dinge tun: viel lesen und viel schreiben. So lernt man andere Techniken und Methoden kennen und kann sie auch selbst ausprobieren. Als Autor muss man sich an anderen Texten "reiben", damit man immer besser wird. Beim eigentlichen Schreiben sollte ein Autor sich vor allem noch in die eigenen Geschichten verlieben können. Nur wenn man sich noch selbst mit den eigenen Texten bezaubern kann, kann man auch Leser in seinen Bann schlagen.

Literatopia: Bekennst Du Dich dazu, selbst gern und ausgiebig zu lesen? Wenn ja, verrätst Du uns welches Buch Dich in den letzten Monaten besonders beeindruckt hat? Und die Frage aller Fragen: Welcher Autor ist Dein persönlicher Favorit?

Jonas Wolf: In der Tat ich lese ziemlich viel, wobei ich aber auch gerne mal Ausflüge in andere Genres unternehme. Im Vorfeld eines neuen Projekts "sichte" ich auch gerne mal ein Subgenre und versuche dann, möglichst viele Klassiker und typische Vertreter zu lesen, um mich einzufinden. Vor Kurzem habe ich gerade erst den neuen Stephen King gelesen, und der hat mir wirklich sehr gut gefallen - vor allem auch, weil er es schafft, eine funktionierende Zeitreise-Geschichte zu erzählen, die ganz viel über das Lebensgefühl und die Gesellschaftsumstände der betreffenden Zeit vermittelt. Es ist faszinierend, wie fremd uns die sechziger Jahre aus heutiger Perspektive in vielerlei Hinsicht schon geworden sind.

Stephen King ist wohl auch mein Lieblingsautor aus der Phantastik, dicht gefolgt von G. R. R. Martin, der mein Fantasy-Favorit ist. In der Sci-Fi bin ich glühender Iain Banks-Verehrer, der in Deutschland leider viel zu wenig bekannt ist. Alle drei sind aber zugegebenermaßen auch echte Titanen innerhalb ihres Genre-Bereichs, doch diese Stellung haben sie sich redlich verdient.

Literatopia: Was dürfen wir in ferner Zukunft von Dir erwarten? Hast Du nach „Heldenzorn“ schon etwas Konkretes in Planung oder wartest Du noch auf eine bestimmte Inspiration?

Jonas Wolf: Die Skaldat-Reihe möchte ich mit Jonas natürlich gerne fortsetzen. Pläne für einen dritten Teil habe ich auch schon in der Schublade, aber bis dahin wird es wohl noch ein paar Tage dauern.

Zwischendurch muss ich mich nämlich auch noch um ein paar andere Projekte kümmern: Aktuell habe ich gerade das Sachbuch für mich entdeckt, und eines dieser Projekte wird wohl schon Ende des Jahres erscheinen - natürlich wieder unter einem Pseudonym ;-)

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview, Jonas!


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Rezension zu "Heldenwinter"


Dieses Interview wurde von Angelika Mandryk für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.