Nachtprinzessin (Sabine Thiesler)

thiesler s-nachtprinzessin

Heyne Verlag, 1. Oktober 2011,
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 576 Seiten
19,99 € (D) | 20,60 € (A) | CHF 28,50
ISBN: 978-3-453-26632-2

Leseprobe

Genre: Thriller


Klappentext

So sollst du sterben – selig vor Lust
Eine Mordserie versetzt Berlin in Angst und Schrecken. Ein perfider Mörder, der sich als »Prinzessin« bezeichnet, sucht sich seine Opfer auf den nächtlichen Straßen und erdrosselt sie beim Liebesspiel.
Die Nachtprinzessin ist erfolgreich im Beruf, lebt unauffällig und wohlsituiert in einer Berliner Villa. Sie ist charmant und elegant und liebt die italienische Lebensart. Aber auch in der Toskana, wo sie ein weiteres Domizil hat, kann sie ihrem inneren Dämon nicht entfliehen. Obwohl ihr die deutsche und die italienische Polizei dicht auf den Fersen sind, mordet sie weiter. Ihre Sehnsucht nach Liebe ist unersättlich.

In Siena lernt die Nachtprinzessin den schönen Fremdenführer Gianni kennen und verliebt sich unsterblich in ihn. Der schüchterne Junge ahnt nicht, dass die Prinzessin töten muss, wenn sie liebt, und läuft ins offene Messer ...


• Der neue große Thriller von der Autorin der Bestseller Der Kindersammler, Hexenkind, Die Totengräberin und Der Menschenräuber
• Über 1,5 Millionen verkaufte Bücher von Sabine Thiesler im deutschsprachigen Raum
• Ihre Thriller standen monatelang auf den Bestsellerlisten

 


Rezension

Ein Thriller über eine dämonische Serienkillerin in Berlin? Das ist neu. Das ist innovativ. Den muss ich haben, dachte ich mir, als ich zu Sabine Thieslers Nachtprinzessin griff. Ausgehend vom Klappentext war ich daher nicht wenig verblüfft, als sich die erwartete Serienmörderin während der ersten 50 Seiten als Serienmörder herausstellte. Aber der Reihe nach …

Matthias von Steinfeld hat alles, was man sich nur wünschen kann: er ist erfolgreich als Immobilienmakler, finanziell unabhängig und sein gepflegtes Äußeres sorgt dafür, dass ihm die Herzen der Menschen schnell vertrauensvoll zu fliegen. Eigentlich könnte er mit seinem Leben zufrieden sein, wäre da nicht der unkontrollierbare Faktor Mensch.

Schon in der Schule ein Außenseiter und zugleich von der allein erziehenden Mutter in vielfacher Hinsicht psychisch unter Druck gesetzt, vereint er in sich sowohl Zynismus als auch extreme Angepasstheit. Wirklich interessieren tut er sich nur für zwei Menschen: seinen Sohn Alex – das unglückliche Produkt seines ersten Mals – sowie seine Mutter, in deren Haus er wohnt und die er abgöttisch verehrt.

Letztere findet er eines Tages regungslos im Wohnzimmer. Die Diagnose: Schlaganfall mit ungewissen Aussichten.
Matthias Leben gerät aus den Fugen. Nicht nur psychisch, sondern auch wahrhaftig, weil seine Mutter sich um seinen Haushalt, seine Kleidung, all seine Probleme kümmerte. In dieser Nacht überschreitet er das erste Mal die Grenze vom Freier zum Mörder, und ist wie berauscht von dem Gefühl der Macht …

Nicht nur die ungewöhnliche Idee, einschließlich der interessanten Wahl des Mörders – ein schwuler Misanthrop in den Vierzigern – machen Thieslers Nachtprinzessin zu einem ungewöhnlichen Buch.

Neben Matthias, den wir in seiner ungewöhnlichen Weltsicht von Anfang an begleiten, erhält der Leser Einblick in das Leben vieler Personen, die das Leben der Nachtprinzessin berühren oder auch nur streifen. Darunter unter anderem Alex, der in den Großküchen von Berlins Sternehotels in 16-Stunden-Schichten schuftet und innerlich wie zerrissen ist zwischen dem Hass auf den schwulen, in seinen Augen schwächlichen Vater und der Liebe eines Sohnes; die Kommissarin Susanne, alleinerziehende Mutter und Jägerin der Nachtprinzessin sowie Matthias Ex-Frau oder sogar den Bier liebenden Küchenchef seines Lieblingsrestaurant.

Die einzelnen Personen und ihre Handlungsstränge fügen sich fließend zusammen, sind meist auch interessant und füllen das Buch mit einer gehörigen Person Realismus - auch wenn man sich bei dem ein oder anderen fragen mag, ob er wirklich nötig gewesen wäre. Den höhsten Unterhaltungswert bietet jedoch immer wieder Matthias, vor allem, wenn er in seiner Menschenverachtung schwelgt, Mitmenschen und ihre Verhaltensweisen mit treffenden Adjektiven belegt oder einfach mal so nebenbei einen Mitreisenden von Deck eines Luxusschiffes hebelt, weil er ihn in seiner Ruhe stört.

>> Fette Leiber. Feiste Bäuche, die sich über einer winzigen Badehose wölbten, behaarte, dralle Waden und Oberschenkel, die besser verborgen geblieben wären. Frauen über der Zwei-Zentner-Grenze, weiß, weich und schwabbelig, denen man offenbar unter Strafe befohlen hatte, einen Bikini zu tragen (...) Er sah Missbildungen, Hautkrebs, monströse Wucherungen und wundgescheuertes Fett. Er sah Körperteile, die flammend rot verbrannt waren, verdrehte Gliedmaßen, verzerrte Gesichter und verkrüppelte Kinder. Er sah das ganze Elend dieser Welt, zur Schau gestellt an einem Strand, in der Sonne der Toskana, nackt, entblößt und hemmungslos präsentiert.
Nach zweihundert Metern, die er in Richtung Castiglione della Pescaia ging, war er kurz davor, sich zu übergeben. << (S. 298)

Vielleicht ist es der Diversität der Erzählstränge, der Komplexität der Personen geschuldet, dass die Spannungskurve irgendwo nach dem zweiten Mord auf der Strecke bleibt. Matthias wankt zwischen der Lust (zu töten), dem Verlangen, seinem Sohn zu helfen, der Angst um die Mutter, dem Bedürfnis nach Urlaub und alsbald auch dem unsinnigen Trieb, der Polizei verschlüsselte Botschaften zukommen zu lassen, was sein Ende absehbar macht. Zur gleichen Zeit sitzt die Kommissarin in Berlin, weiß nicht, wie sie vorgehen soll, um die Nachtprinzessin zu fangen und verlegt sich deshalb aufs Warten und die Klärung der Frage, mit wem sich ihre Tochter verabredet, so dass ingesamt ein durchwachsenes Gesamtbild entsteht.


Fazit

Nachtprinzessin ist kein gewöhnlicher Thriller, sondern ein Buch angefüllt mit Personen, die im Privaten oder auch beruflich ins Schlingern geraten sind, und in dieser Hinsicht erschreckend realistisch und ehrlich. Sabine Thiesler gelingt es auch, die verschiedenen Ebenen gekonnt und flüssig zu verknüpfen. Allerdings leidet die eigentliche Geschichte unter dem Mangel des Genre-typischen Spiels zwischen Jäger und Gejagtem.


 Pro & Contra

+ divers ausgestaltete Figuren
+ interessante und sehr unterhaltsame Hauptfigur

o zahlreiche Perspektiven

- Handlungsstrang bietet wenig Raum für Spannung
- Ende vorhersehbar

Wertung: alt

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5