Schattenspäher (Matthew Sturges)

Bastei Lübbe (August 2011)
528 Seiten, 14,00 Euro
ISBN: 978-3404200061

Genre: Fantasy


Klappentext

Im tiefsten Midwinter griffen die Unseelie die Stadt Selafae mit einer geheimnisvollen Waffen an – der Eiszorn. Diese Waffe war so mächtig, dass sie die Stadt in einer einzigen Säule aus weißem Licht vergehen ließ. Nach der glorreichen Schlacht von Sylvan langweilt sich der Ex-Häftling Perrin Alt als Klostermönch fast zu Tode. Als Königin Titania ihn erneut bittet, dem drohenden Untergang seines Volkes entgegenzutreten, erklärt er sich nur allzu gern bereit, das Geheimnis der Eiszorn-Waffe zu ergründen. Dazu tritt er den „Schatten“ bei: einer Organisation aus Spionen, so geheim, dass man sie für eine Legende hält …

Zusammen mit der Empathin Sela und dem kampferprobten Thaumaturgen Eisenfuß beginnt für Silberdun eine Hatzjagd, in dem sich das Schicksal der Seelie ein für alle Mal entscheiden soll.


Rezension

Matthew Sturges hat schon so manche Bücher für DC Comics geschrieben und wurde unter anderem für den Eisner Award nominiert. Mit „Midwinter“ präsentiert er im März 2011 sein deutschsprachiges Debüt und überzeugte mit innovativen, modernen Ideen sowie vielschichtigen Charakteren. Heute in Texas lebend, setzt er seine begonnene Reihe mit „Schattenspäher“ fort und knüpft die Ränke der Unseelie zu einem Muster tückischer Angriffe. Nur Perrin Alt, ehemals Mauritanes Gefährte, scheint das Königreich noch retten zu können ...

>> Prior Tebrit war nichts weiter al ein arroganter Schwachkopf, Punkt, aus. Wenn sonst nichts, so konnte sich Silberdun zumindest daran ergötzen, Tebrits selbstgefällige Fratze nie wieder sehen zu müssen. Und da war er nun, wieder mal einen Plan verfolgend, den jemand anderes für ihn ausgeheckt hatte. Und wie schon zuvor, hatte er auch jetzt nicht den blassesten Dunst, worauf er sich da eingelassen hatte. <<

Optisch dem Vorgänger „Midwinter“ sehr ähnlich, weiß der neue Roman von Matthew Sturges sogleich durch Einband und Klappentext zu überzeugen: düster, verschneit und kriegerisch. Perrin Alt, auch Lord Silberdun genannt, bemüht sich nach einem Jahr seines großen Abenteuers immer noch um den Ausstieg aus der ihm inzwischen viel zu feinen Gesellschaft. Doch die ersehnte Ruhe wird weder vom eigenwilligen Abt des Kosters, noch von seiner Königin gegönnt. Im Gegenteil, sie erteilt dem ehemaligen Gefährten Mauritanes erneut einen gefährlichen Auftrag, um ihr Königreich zu retten. Denn die Unseelie bereiten sich unablässig auf einen weiteren, womöglich letzten großen Schlag vor. Sie wollen Regina Titanias Reich wie eine mächtige Flutwelle überrollen. Perrin Alt muss deshalb nicht nur einem dunklen Orden beitreten, sich hart und wenig herzlich ausbilden lassen, sondern auf höchstem Niveau spionieren. Ihm zur Seite wird die schöne Empathin Sela und der erfahrene Kämpfer Eisenfuß gestellt. Matthew Sturges beginnt die Geschichte turbulent mit einem furiosen Rückblick, baut so schon früh Spannung auf und unterhält überraschend gelungen mit frühzeitigem Humor. War Mauritane noch rau und unergründlich, so ist Lord Silberduns Sicht der Dinge (wieder) erfrischend sarkastisch. Es fällt leicht ihn gern zu haben, mit oder über ihn zu lachen und die unzähligen Details der Welt in sich aufzunehmen. Sie ist freilich immer noch vielschichtig, bedient sich moderner Begriffe, klassischer Schlüsselreize aber auch magischer Techniken. Das Augenmerk des Autors liegt unbeirrt auf ausgeklügelten (teils auch zu neuzeitlichen) Kleinigkeiten, die nun, in Verbindung mit dem Vorwissen aus „Midwinter“, Handlung sowie Charaktere besser schultern können. Geschildert wird kurzweilig, trotz der ausufernden Beschreibungen. Verschiedene, an politisch unterschiedlichen Ufern stehende Charaktere bieten Abwechslung. Egal ob die Bel Zheret Natter und Hund, die Timha dazu erpressen, schnellstmöglich eine zerstörerische Waffe aus schwarzer Magie zu schmieden, oder aber die unschuldige, dennoch kluge Sela - für jeden Geschmack ist ein Protagonist dabei. Sie alle wirken im großen Spiel um die Vorherrschaft wie Schachfiguren, fügen sich in ihr Schicksal oder kämpfen letztendlich tapfer dagegen an.

Matthew Sturges zählte mit seinem Debüt laut Fantasy Book Critie, zu den besten sowie bemerkenswertesten Newcomern des vergangen Jahres. Wo „Midwinter“ trotz aller Lorbeeren nicht überzeugen konnte, setzt „Schattenspäher“ nun gelungen nach. Inhaltich ebenso in sich abgeschlossen, türmen sich mehr Emotionen, weniger Fragezeichen und kaum noch Stolpersteine auf. Atemberaubende Action sucht man in diesem Band trotzdem vergebens. Wenn, dann wird sie bewusst eingesetzt, befriedigt und untermalt die sonst anders orientierten Fähigkeiten der Charaktere. Anstrengender gestalten sich die Zeitsprünge. Rückblicke sowie Seitenwechsel erlauben immer wieder wenig Überblick und erst zum Ende hin lösen sich die Windungen zum Wohlgefallen des Lesers auf. Entpuppen eine ebenso durchdachte, wie spannende Vorgehensweise, die immer wieder erfolgreich zu verwirren versteht, ohne langatmiges Vergraulen. Der Gesamteindruck ist demnach positiver als „Midwinter“. Wenn der Autor diese Steigerung beibehält, dann darf man sich völlig zu Recht auf weitere Neuerscheinungen aus seiner Feder freuen.

Everess versuchte sich eine Verachtung nicht anmerken zu lassen. War Scheinheiligkeit eigentlich eine Voraussetzung für ein hohes religiöses Amt? Oder eher ein weiterverbreiteter Nebeneffekt? „Ich nehme an, Ihr missbilligt meine Methoden?“ „Eure Methoden? Ihr habt einen Mann umbringen lassen. Und ja, ich missbillige Eure Morden.“

(Seite 281)


Fazit

„Schattenspäher“ von Matthew Sturges überzeugt mit anspruchsvoller Handlung, ausreichend Wortwitz sowie einer äußerst phantastisch, aber auch modern ausgemalten Welt. Vorwissen aus „Midwinter“ wäre sehr empfehlenswert, um sich im Dschungel der Details zurechtzufinden, nicht aber um jeden Preis von Nöten. Leser die spannende High Fantasy erwarten, bereit sind, mitzudenken anstatt sich nur berieseln zu lassen, und sich darüber hinaus an Spannung erfreuen, können ohne Bedenken zugreifen.


Pro und Kontra

+ interessante Protagonisten & Parallelwelten
+ tiefgründig sowie vielfältige Welt
+ amüsant und sarkastisch
+ spannend bis zum Schluss
+ keine Schwarz- und Weißmalerei
+ wunderhübsches Cover
+ unvorhersehbar & komplex

o sprachlich solide und simpel
o Ideen sind meist nur mit Vorwissen aus Band 1 zu genießen
o teils umgangssprachlich

- oftmals zu sprunghaft und wirr
- manche Ausdrücke wollen nicht immer passen

Wertung:

Handlung: 4 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5


Rezension zu "Midwinter" (1)