Nayidenmond (Sandra Gernt)

Dead Soft (Juni 2011)
220 Seiten; 13,95 Euro
ISBN: 978-3934442757

Genre: Fantasy / homoerotischer Liebesroman


Klappentext

Liebe kennt kein Gesetz und keine Grenze ... Oshanta - sie sind Attentäter, kennen nichts als Zorn und Tod. Sie können und sie dürfen nicht lieben. Doch für Rouven wird einer von ihnen zum Verräter. Iyen rettet den jungen Mann vor seinen Waffenbrüdern, die ihn grausam gefoltert haben. Warum wurde Rouven entführt? Was verbindet diese zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten? Im Licht des Nayidenmondes wird verborgen, was hell und klar erschien, und offenbar, was im Dunkeln lag ...


Rezension

Sandra Gernt wurde in der Nähe von Düsseldorf geboren, begann eine Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitete bis zur Geburt ihrer Kinder mit Begeisterung in diesem Beruf. Schreiben war schon immer ihr liebstes Hobby aus frühester Jugend. Sie bevorzugt die klassische High Fantasy ebenso wie homoerotische Geschichten. „Nayidenmond“ vereint beide Genres abseits des wohl bekannten Mainstreams.

>> Iyen lächelte traurig, als er spürte, wie sich der Junge entspannte und noch einmal einschlief. Rouven vertraute ihm. Was bleibt dem Kleinen auch anderes übrig? Iyen wusste, wie gefährlich es war, Rouven noch näher an sich heranzulassen. Der Himmel mochte wissen, warum er ihm all diese Dinge über die Bruderschaft erzählt hatte, Dinge, die niemals für die Ohren eines nicht Entweihten bestimmt gewesen waren. Erst, als er sicher war, dass Rouven tief schlief, stützte er sich auf ähnliche Weise hoch wie der Junge vorhin und betrachtete ihn, wie er nie zuvor einen Menschen angesehen hatte. <<

Es ist eine dunkle, trostlose Nacht in der Prinz Rouven von Oshanta entführt, brutal gequält und schlussendlich auch missbraucht wird. Seine Häscher sind Männer ohne Gefühl, eigenen Regeln folgend und sich nicht zu schade, unschuldiges Blut zu vergießen. Unter ihnen dient Iyen treuergeben den Gesetzen seiner zwielichtigen Bruderschaft. Seine Loyalität stand bisher außer Frage, doch mit dem jungen Rouven ändert sich mehr, als er anfänglich glauben kann. Erst ist es die Verschwendung jungen Lebens, die er bedauert, dann aber Mitleid, das ihn handeln lässt. Für Prinz Rouven wird er zum Verräter und damit auch zum Vogelfreien erklärt. Sandra Gernt beschreibt ab da eine wilde Hatz. Zwei Männer bangen um ihr Leben: ein kühl kalkulierender Attentäter sowie sein Schützling, schwer verletzt und kaum fähig alleine zu überleben. Zudem ist Rouven furchtbar traumatisiert. Schnell wird deutlich, wie sehr sich Sandra Gernt bemüht, an den komplexen Aufbau ihrer Liebesgeschichte ohne Hast und unglaubwürdiger Anziehungskraft heranzutreten. Sie verzichtet auf romantisches Beschönigen, spielt mit den Protagonisten und bleibt dabei sprachlich so sensibel, so berührbar, dass es schwer fällt, sich der oft auch abgründigen Magie zu entziehen. Trotz des (eigentlich zu) geringen Umfangs, auf Kosten der Fantasy, werden dem Leser große emotionale Entwicklungen geboten. Der hierfür notwendige Drahtseilakt, einen jungen Menschen lieben zu lassen, der innerlich geprägt wurde von Gewalt, gelingt Sandra Gernt ganz wunderbar. Geradezu einmalig. Rouven muss vor jeder Annäherung dennoch erst seine Ängste und Alpträume überwinden, bis irgendwann der sanfte Funke zu lodern beginnt. Es ist ein Spiel der Gefühle, abwechselnd zwischen, Freundschaft, Ergebenheit und Dominanz. Sechs Jahre Distanz, viele Gedanken später scheint die Verbindung der Beiden tatsächlich ihre Chance zu bekommen, doch Iyen fühlt sich nicht fähig wahrhaft zu lieben. Und Rouven Leben wird erneut von einer Intrige bedroht.

Wer homoerotischen Geschichten etwas abgewinnen kann wird von Beginn an mit dem Thema, das Sandra Gernt gewählt hat, kaum seine Schwierigkeiten haben. Die Autorin bezaubert, anders kann man es nicht sagen, entführt dabei in eine abenteuerliche Geschichte und lässt erst zum Ende die „Hüllen“ der Protagonisten fallen. Leser die demnach nach leidenschaftlicher Dauererotik suchen, sind hier völlig falsch beraten. Sandra Gernt schreibt zwar über die scheinbar unmöglich Liebe zweier Männer, doch konzentriert sie sich (bis auf vereinzelte Ausnahmen) dabei auf den emotionalen Hintergrund ihrer Charaktere. Geschichtenliebhaber aus dem „normalen“ Fantasy Sektor könnten hier demnach ebenso auf ihre Kosten kommen, sofern sie großen Gefühlen zugetan und in Sachen Männerliebe unvoreingenommen sind. Auch kleineren Dominazspielen sollte man nicht abgeneigt sein, denn für Rouven und Iyen sind klare Richtlinien im Umgang miteinander erst einmal unerlässlich. Kann man diese Dinge mit sich und seiner Neugierde vereinbaren, so steht dem Lesevergnügen wahrlich nichts außer kleinen Mankos (kurze Längen in Rouvens Entwicklung, sowie leicht mangelnder Hintergrund) im Weg. Der Kostenpunkt fällt leider etwas negativ ins Gewicht. "Nayidenmond" umfasst laut Angabe der Autorin über 430.000 Zeichen, das entspricht einem Taschenbuchformat von etwa dreihundertdreißig Seiten, und dennoch ist der Preis für diese Ausstattung alles andere als gering. Eine Investition die überlegt werden will, man dann aber, sofern man sich für solche Art von Geschichten, oder aber ein einmaliges Experiment in diese Richtung, begeistern kann, kaum bereuen wird.

„Ich interessiere ich nicht für Frauen und ich spiele nichts vor!“, beharrte Rouven zornig. Iyen blinzelte irritiert, beschloss allerdings, diesen Satz nicht wörtlich zu nehmen. Selbst wenn es seinen Puls zum Rasen brachte, daran zu denken, Rouven könnte vielleicht … Aber das war unmöglich.

(Seite 142)


Fazit

Ein recht emotionaler Stil, endlos berührbare Momente, glaubwürdige Liebe zwischen zwei Männern und etwas Fantasy im Hintergrund lassen „Nayidenmond“ von Sandra Gernt mit ziemlicher Sicherheit zum Highlight jeder (homoerotischen) Liebesroman-Sammlung werden.


Pro und Kontra

+ sehr liebenswerte Protagonisten
+ eine außergewöhnliche Liebesgeschichte
+ die Gebräuche Oshanta sind sehr gelungen
+ Schwerpunkt: berührbare Emotion
+ unterschiedliche, spannende Erzählperspektiven
+ erfrischend neue Details innerhalb der Reihe

o recht viel Gewalt

- Rouven manchmal zu weinerlich
- ein bisschen zu wenig Fantasy
- Preis

Wertung:

Handlung: 4 / 5
Charaktere: 5 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 3,5 / 5


Interview mit Sandra Gernt (06.03.2012)