Die Hüterin Midgards (Ivo Pala)

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Sauerländer Verlag, März 2012
Gebunden, 384 Seiten,
19,99 € (D), 32,90 SFr (CH), 20,60 € (A)
ISBN: 9783411809226


Genre: Fantasy


Klappentext

Wie würdest du dich fühlen, wenn du erführest, dass du in Wahrheit eine unsterbliche Elbenprinzessin bist?

Und dass du auserwählt bist, in den Schatten der modernen Welt einen uralten Kampf zu kämpfen gegen die Kreaturen der Dunkelheit?

Würdest du dich gegen deine große Liebe entscheiden, wenn sie das Gefüge der Schattenwelten zu zerreißen drohte?

Und würdest du das Geschenk der Unsterblichkeit und der überirdischen Schönheit annehmen, wenn der Preis dafür wäre, niemals fragen zu dürfen, woher du kommst und wer du wirklich bist?


Rezension

Seltsames geht unterhalb Dresdens vor. In weitläufigen Höhlennetzwerken erstreckt sich das Reich der Elben. Und sie sind nicht allein … Die Dunkelelben drohen, das Reich der Menschen zu überrennen. Noch steht die Feste der Elben, aber sie sind nicht die einzigen magischen Wesen diesseits des Tores, und ihre Macht schwindet. Hoffnung bietet allein die Hüterin Midgards, eine Auserwählte mächtiger noch als der älteste Elb. Ein Fluch verschleiert ihre Herkunft, aber ihre Aufgabe ist klar gezeichnet: Sie muss die Welt der Menschen beschützen, Dunkelelfen und ihre finsteren Kreaturen bekämpfen und vielleicht eines Tages die Lichtelben zurück in ihre Heimat führen. Leider muss die Hüterin erst noch gefunden werden …

Diese schlummert verborgen in der siebzehnjährigen Waisin Svenya. Sexueller Missbrauch trieb diese vor vier Jahren aus dem Heim. Nun lebt sie auf der Straße, und das Wenige, was sie besitzt – eigentlich nicht mehr als ihre Kleidung am Leib -, erarbeitet sie sich in kleinen Minijobs, bei denen niemand Fragen stellt. All dies ändert sich in der Nacht zu ihrem 18. Geburtstag. Zuerst droht ein Wolf in einer Seitenstraße über sie herzufallen. Diesem kaum entkommen, wird sie auf dem Dach eines Parkhauses von mysteriösen Gestalten gefangen genommen und erlebt einen dramatischen Kampf, bei dem Schwerter geschwungen, Magie gewoben und werwölfische Zähne gefletscht werden. Hagen, ihr Retter, stellt sich ihr als General der Elben vor und führt sie hinab in Dresdens Höhlen, um sie mit ihrem Schicksal bekannt zu machen.

» Svenya spürte, wie sich etwas änderte – so als wäre die Luft um sie herum mit einem Malbis zum Bersten mit elektrischer Spannung geladen. Aufgeregt blickte sie in den Spiegel vor ihr. (…) Ihr bisher leicht lockiges Haar wurde glatt und wirklich schwarz, ihre Haltung stolzer und stärker. Ihren Ohren wuchsen Spitzen, und ihre Eckzähne wurden ein Stück länger und scharf – wie die eines Vampirs. (…)

„Wer zum Teufel bin ich?“, hauchte sie tonlos. (…)

„Wo komme ich her?“, fragte sie.

„Nein!“, schrie Hagen unvermittelt und sprang auf, um ihr den Mund zuzuhalten. Doch was auch immer er damit bezweckte – es war zu spät. Die Hölle hatte bereits begonnen loszubrechen. «

Reichtümer, einen eigenen Palast samt Dienerschar und die Aussicht, endlich ein Zuhause zu besitzen - all dies bieten ihr die Elben. Letztendlich ist es jedoch die pure Angst vor den Nachstellungen der Dunkelelfen, die in kleiner Zahl ebenfalls in der Menschenwelt weilen, die sie in der Feste der Elben hält. Hier gilt es nun ihre verborgenen Fähigkeiten zu wecken: Strategielektionen, Geschichtsunterricht und Kampftraining lassen die Tage zu Wochen verschwimmen. Freizeit gibt es keine, leider aber auch keine merklichen Fortschritte. Die Stimmen des Zweifels werden immer lauter, und als sie erfährt, dass ihre letzte Prüfung darin bestehen soll, einen unschuldigen Drachen zu töten, ergreift Svenya die Flucht. Sehr zur Freude, des Prinzen der Dunkelelben, denn dieser hat nur auf sie gewartet, verfolgt er doch ganz eigene Pläne mit der Hüterin …

Ivo Palas Hüterin von Midgard ist sicherlich kein gewöhnlicher Vertreter des Fantasy-Genres ist. Nicht nur, weil der Mythos der Elben mit der Geschichte und Gegenwart der Menschen verflochten wird, sondern vor allem, weil außergewöhnliche Figuren aus Sagen oder dem ein oder anderen Seemannsgarn mit eingebunden werden. Hier beweist Ivo Pala wirklich Kreativität. Spannend gestaltet sich auch der Konflikt zwischen Svenya und ihrem Schicksal, welcher noch durch Yrr verschärft wird. Diese ist nämlich nicht nur die Tochter Hagens, sondern als beste Kämpferin auch die ehemalige Vertretung der Hüterin und nun mehr als nur verärgert über den Verlust ihrer Position, was sie Svenya im Training gerne spüren lässt.

Wirkt es allerdings am Anfang noch sehr aufregend, die Elben in der Moderne, samt Bewaffnung mit Maschinengewehr zu erleben, erstickt die Übermacht ihrer Fähigkeiten den Leser schnell. Vor allem Svenya entwickelt nach nur wenigen Monaten Training immense Kräfte. Nimmt man dazu die magische Rüstung, die sie jederzeit herbeirufen kann, und ihre beiden beseelten Schwerter, avanciert das Mädchen viel zu schnell in Richtung Überheldin. Eine äußerst reiche Überheldin noch dazu, denn die Elben schenken ihr nicht nur den bereits erwähnten Palast, samt Kinosaal mit allen bekannten Filmen und Spielekonsolen, sondern stellen ihr Geldsummen zur Verfügung, die an Donald Trump heranreichen. Daneben wirken die Ausmaße ihres Fluches, nicht nach ihrer Herkunft fragen zu dürfen, geradezu lächerlich klein.

Fehlende Zwischentöne gibt es auch in der Charaktergestaltung/-entwicklung. Nicht nur Svenya findet sich, trotz immenser Zweifel am Anfang, erstaunlich rasch in ihre Rolle ein, auch die Nebencharaktere scheinen nur aus Vertrauten oder Feinden zu bestehen. Gleiches gilt für Liebesgeschichte Svenyas, welche mit einem Mal so unerwartet präsent ist, dass man sich verblüfft fragt, ob man einen Teil des Buches ausgelassen hat. Abwechslung in diesen Extremen bietet lediglich Yrr, die in ihrer gemeinen, aber loyalen Art sehr erfrischend ist, zum Ende hin aber leider dann ebenfalls jegliche Kanten verliert.

Stilistisch gestaltet sich die Hüterin hingegen sehr angenehm. Zwar ist der Anfang etwas zäh, da eine Last an Adjektiven und Beschreibungen den Lesefluss drücken - insbesondere die Flucht vor dem Wolf und die Kampfszene auf dem Parkhaus sind hier zu nennen. Sobald die Handlung allerdings voranschreitet, wird auch der Stil Palas merklich flüssiger und weiß zu überzeugen.

Überzeugend ist auch die Gestaltung des Buches. Ein spezieller Überzug verleiht den Farben einen schönen metallisch wirkenden Schimmer. Vorne wie hinten findet sich eine detaillierte Karte Elbenthals in schickem Blauton. Die einzelnen Teilbücher sind durch speziell gestaltete Seiten abgetrennt, und jedes neue Kapitel hat eine Prägung von Svenyas Drachenamulett in der unteren Außenecke.


Fazit

Elben in Dresden, Ungeheuer aus Sagen und Mythologie - ungewöhnlich ist nicht nur der Handlungsort von Palas Werk. Die Hüterin Midgards überzeugt durch Individualität und Stil, kann aber Schwächen im Design seiner Charaktere und Finale nicht leugnen. Zu übermächtig scheint die Protagonistin, zu endgültig das Ende für einen wahren Auftakt einer Saga. Wer allerdings über diese Dinge hinwegsehen kann, findet ein unterhaltsames Buch, dass den Leser ein ums andere Mal zu überraschen weiß und noch dazu ein wahrer Augenschmaus ist.


Pro und Contra

+ innovatives Setting
+ neue, ungewöhnliche Kreaturen

+ Gestaltung des Buches

- am Anfang langatmig
- Elfen, insbesondere Svenja zu mächtig
- Charaktere allgemein zu Schwarz-Weiß gehalten
- fehlende offene Punkte für den Aufbau einer Saga

Wertung: alt

Handlung: 4/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4,5/5