Die Legende der Roten Sonne: Nacht über Villjamur (Mark Charan Newton)

Verlag: Egmont Lyx (April 2012)
Klappbrochur: 509 Seiten, € 12,99 
Sprache: Deutsch
Originaltitel: Nights of Villjamur
ISBN-13: 978-3802584558

Genre: Fantasy


Klappentext

Unter einer sterbenden roten Sonne harrt Villjamur, die Hauptstadt eines einstmals mächtigen Reiches, der heranrückenden Eiszeit. Ströme von Flüchtlingen sammeln sich vor den Toren und drohen, die ganze Stadt zu überfluten. Da ereignet sich eine furchtbare Tragödie, und die älteste Tochter des Kaisers, Jamur Rika, gelangt auf den Thron. Gleichzeitig ruft der grausame Mord an einem Ratsherrn Inspektor Rumex Jeryd auf den Plan. Im Laufe seiner Ermittlungen deckt Jeryd eine geheime Verschwörung auf, die nicht nur das Leben der Königin, sondern die Zukunft von ganz Villjamur bedroht.


Rezension

Ein neuer Winter steht vor der Tür, der Jahre andauern kann. Um zu überleben, flüchtet die Bevölkerung aus dem ganzen Land zur Hauptstadt des Reiches, doch Zutritt erhalten nur die, die es sich leisten können. Aber auch innerhalb der Stadt wird das Leben täglich problematischer. Eine Regierungskrise erschüttert das Reich, genauso wie eine Mordserie den Rat. Und das sind bei weitem nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit denen das Reich zu kämpfen hat ...

Ein wenig erinnert das Grundsetting an George R.R. Martins ‚Lied von Eis und Feuer’, doch ist die Fantasykomponente hier stärker ausgeprägt – und es gibt eine Menge anderer Dinge.
Unvermittelt startet die Story in eine Umgebung, in der sich der Leser erst zurechtfinden muß, prasseln doch zahllose Namen, Örtlichkeiten, Gegenstände, Figuren und Lebensformen in flottem Tempo auf ihn ein. Im Großen und Ganzen ist das gut zu schaffen, nur mit den verschiedenen Ortsnamen verliert man beim Lesen leicht die Übersicht. Da es sich um ein Inselreich handelt und man leider kaum Anhaltspunkte erhält, welche Insel wo genau liegt und wie weit von den anderen entfernt ist, ist ein Zurechtfinden nicht ganz einfach. Einige nähere Erklärungen oder auch eine Karte wären hier sehr hilfreich gewesen. Auch die stimmungsvollen Beschreibungen kommen etwas zu kurz; die Welt ist interessant und als Leser würde man gerne mehr und Genaueres darüber erfahren. Ganz besonders gilt das für die Stadt Villjamur, wo die depressiv-klaustrophobische Weltuntergangsstimmung zwar anklingt, aber wesentlich besser hätte herausgearbeitet werden können. Der Vergleich mit Mervyn Peakes Gormenghast-Zyklus, der gelegentlich gezogen wird, wirkt deswegen ein wenig euphemistisch.

Die Handlung ist in mehrere Stränge aufgespalten, die zunächst nur wenig miteinander zu tun haben, später aber lose zusammenwachsen. Jeder einzelne davon gestaltet sich spannend und aufregend und gönnt dem Leser kaum eine Verschnaufpause. Alles zusammen ist es ein klein wenig zuviel des Guten, es passieren derartig viele interessante Dinge an unterschiedlichen Schauplätzen, dass sich ein gewisser Übersättigungsfaktor einstellt und man kaum noch dazu kommt, die Einzelheiten entsprechend zu würdigen. Einen roten Faden gibt es eigentlich keinen und der Unterschied zwischen Haupt- und Nebenhandlung ist nur schwierig auszumachen. Dadurch wird das Lesen zwar nicht ganz einfach, dem Spaß tut es allerdings keinen Abbruch. Sehr positiv fällt auf, dass sich der Autor auf neue Wege gewagt und seinen Fantasyroman abseits vom Mainstream angesiedelt hat.
Gelegentliche Schnitzer in der Logik machen sich dafür störend bemerkbar, und manche Ereignisse sind zu vorhersehbar. So gestaltet sich beispielsweise die Auflösung der Morde für den Leser viel zu durchsichtig und viel zu schnell zu durchschauen.

Gut gelungen erscheinen die Charaktere, sowohl die Haupt- als auch die Nebenfiguren verfügen über Tiefgang und eine eigene Persönlichkeit. Stereotypen wurden größtenteils vermieden, allerdings wünscht man sich auch hier öfter ein paar nähere Informationen über Herkunft und Hintergründe der Figuren, denn es sind einige wirklich interessante Personen darunter.
Auf Schwarzweißmalerei hat der Autor erfreulicherweise verzichtet, lediglich der ‚Schurke’ ist etwas zu klischeehaft und nicht so differenziert wie die übrigen Figuren ausgefallen. Unterhaltsam ist es zu lesen, wie jeder innerhalb der ganzen Intrigen seinen Platz finden und sich für eine Seite entscheiden muß – wobei diese nicht selten die eigene ist.

Wir befinden uns in einer mittelalterlichen Welt, gekämpft wird mit Schwert und Bogen und gelesen bei Laternenschein. In einem solchen Ambiente fällt eine unpassende, beziehungsweise hier zu modern geratene Wortwahl um so unschöner ins Gewicht. Es gibt zwar Tavernen, aber man geht auch ins Bistro, muß sich mit rechtsextremen Aktivisten und terroristischen Stammesgruppierungen herumärgern, und die Dame schmückt sich vor einem Ball mit Abzieh -Tattoos, nur um einige Beispiele zu nennen. Derartige Anachronismen fallen nicht nur sofort ins Auge, sie zerstören zudem jegliche Stimmung.

Gegen Ende des Buches sind die wichtigsten Weichen gestellt und keines der Probleme gelöst, aber zumindest weiß jeder, wo er hingehört. Wohin die Wege der einzelnen Personen führen werden, bleibt so geheimnisvoll wie spannend, und der Leser muß wieder einmal auf die Fortsetzung warten. Wann die Übersetzung des zweiten Bandes erscheinen wird, ist derzeit noch nicht bekannt.


Fazit

Ein ambitioniert angelegter Auftakt zu einer Trilogie, die sich abseits vom Mainstream bewegt. Stellenweise wurde etwas zu viel gewollt und einige Schnitzer sind vorhanden, dennoch ist Mark C. Newtons ‚Nacht über Villjamur’ ein lesenswerter Roman für Fantasyfans, die Abwechslung zur klassischen Held-zieht-los-um-die-Welt-zu-retten – Handlung suchen.


 Pro & Kontra

+ vielschichtige Handlung
+ interessante Charaktere
+ temporeich und spannend erzählt
+ Fantasy abseits vom Mainstream

o George R.R. Martins Einfluß ist nicht zu übersehen
o manchmal etwas blutig
o viel Action
 
- diverse Einzelheiten sollten näher erklärt werden
- gelegentliche logische Schnitzer
- Handlung ein wenig überladen
- oft anachronistische Wortwahl
- eine Karte wäre sehr hilfreich gewesen

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung:4/5