Everlasting - Der Mann, der aus der Zeit fiel (Holly-Jane Rahlens)

Wunderlich (März 2012)
Hardcover, 432 Seiten, 14,95 EUR
ISBN: 978-3-8052-5016-0

Genre: Jugendbuch / Science Fiction


Klappentext

Man schreibt das Jahr 2264.

Gefühle sind unerwünscht, die Liebe ist ausgestorben. Die Geburtenrate ist gefährlich gesunken. Der junge Historiker und Sprachwissenschaftler Finn Nordstrom, Spezialist für die inzwischen tote Sprache Deutsch, erhält den Auftrag, die 250 Jahre alten Tagebücher eines jungen Mädchens aus dem Berlin des 21. Jahrhunderts zu übersetzen. Öde, findet er. Und albern. Doch dann ist er zunehmend fasziniert von dem Mädchen, das quasi vor seinen Augen erwachsen wird.

Schließlich soll Finn in einem Virtual-Reality-Spiel in der Zeit zurückreisen, um das Mädchen zu treffen. Ohne es zu wissen, wird er damit zum Versuchskaninchen der Spieleentwickler. Warum schicken sie ausgerechnet ihn, den Fachmann für tote Sprachen, in die Zeit kurz vor Ausbruch der Großen Epidemie? Und was ist das für ein sonderbares Gefühl, das ihn überkommt, wenn er der jungen Frau begegnet?

Bald muss Finn sich entscheiden – für die Liebe oder für die Zukunft ...


Rezension

Als verträumter junger Mann ist Finn ein außergewöhnliches Exemplar seiner Art, die nach dem sogenannten „Dark Winter“ eine durchweg pragmatische Lebensweise pflegt. Wer sich bis zu einem gewissen Alter keinen Partner gesucht hat, bekommt einen zugewiesen und soll sein Möglichstes tun, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Liebe ist dabei selbst bei eigener Wahl irrelevant, ja, nicht einmal denkbar. Der Mensch von Morgen forscht, arbeitet und erfüllt seine Rolle als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, in der das Individuum des 21. Jahrhunderts ausgestorben ist. In Finns Welt gilt es als unangemessen, von sich selbst in der ersten Person Singular zu sprechen, das „Ich“ ist unerwünscht, geradezu verpönt. Eine gewisse Leidenschaft existiert in dieser Zukunft dennoch: In Finns Fall ist dies die tote Sprache Deutsch und das Deutschland unmittelbar vor der Zeit des Dark Winter. Da es nur wenige Personen mit diesem Spezialgebiet gibt, wird Finn eine besondere Aufgabe zuteil. Er soll das Tagebuch eines jungen Mädchens aus dem 21. Jahrhundert übersetzen. Als er genau dieses Mädchen in einem „Spiel“ trifft, wird Finns Welt auf den Kopf gestellt …

Es ist recht schwer, etwas über den Inhalt von „Everlasting“ zu erzählen, ohne die gelungenen Überraschungen im Storyverlauf zu verderben. Zwar kann man manche von diesen bei aufmerksamem Lesen schnell auf die Schliche kommen, doch selbst dabei muss man einräumen, dass man DAS zu Beginn des Buches nicht erwartet hätte. Holly-Jane Rahlens punktet dabei vor allem mit kreativen Details wie Finns Verwendung von ausgestorbenen Wörtern, die andere Charaktere ratlos zurücklassen. Dazu gehört jeweils eine Erklärung, die auch für den Leser interessant ist. Ebenso sprechen die Charaktere in der Zukunft von sich selbst grundsätzlich in dritter Person, woran man sich zuerst gewöhnen muss, es dann aber durchweg passend findet. Die distanzierte Ausdrucksweise unterstützt die unterkühlte Atmosphäre der zukünftigen Welt, die zwar wie eine Utopie erscheint, aber in Wirklichkeit emotional verarmt ist. Die Menschheit hat den Dark Winter überlebt und tut alles für ihren Fortbestand und Wohlstand, doch der Mensch an sich ist dabei auf der Strecke geblieben. Durch die Tagebücher von Eliana erlebt Finn das „Ich“ des 21. Jahrhundert und wie kompliziert aber auch lebendig die Menschen damals waren.

Finn entwickelt schnell ein tiefes Sympathiegefühl für die junge Tagebuchschreiberin und verliebt sich schließlich in sie. Dabei ist es aus erwachsener Sicht etwas bedenklich, dass der allmählich auf die Dreißig zugehende „Präadult“ Finn Gefühle für ein minderjähriges Mädchen entwickelt. Bis er sich richtig verliebt, ist Eliana natürlich älter und erwachsen geworden, dennoch ist man vom anfänglichen Altersunterschied, auch wenn er nur im Tagebuch besteht, irritiert. Weiterhin lernt Finn durch das Tagebuch und später auch im 21. Jahrhundert Eliana Familie kennen, die ihn auffallend schnell akzeptiert. Überhaupt konzentriert sich der Roman in der ersten Hälfte hauptsächlich auf Finns Leben im 23. Jahrhundert und wie sich die Welt von unserer Gegenwart unterscheidet – die eigentliche Liebesgeschichte wird nur angedeutet und spielt erst im letzten Drittel die tragende Rolle. Bis dahin muss sich der Leser mit diversen Androidennamen und anderen futuristischen Begriffen herumschlagen, die zwar eine authentische Atmosphäre kreieren, aber oftmals auch unnötig sind. Die Autorin hätte sich besser auf handlungstragende zukünftige Neuerungen und Erfindungen konzentrieren sollen, anstatt diverse für die Story unwichtige Anmerkungen einzustreuen. Denn diese verwirren den Leser mehr, als dass sie die Welt der Zukunft vermitteln. Der Roman hat seinen Titel übrigens von einem Parfum geerbt, welches im Verlauf der Geschichte eine besondere Rolle spielt.

Insgesamt kann man jedoch die Kritikpunkte an „Everlasting“ als Haarspalterei werten. Ja, es gibt hier und da kleine Schwächen, hier und da ist die Story mit futuristischen Begrifflichkeiten überladen und geht zu sehr ins Detail. Zum Ende hin wird es auch etwas konfus, doch damit kann man in Anbetracht vieler origineller Ideen und den herzerwärmenden Protagonisten leben. Unsere Zeit aus der Sicht einer zukünftigen Historikers zu erleben, bietet zudem ein besonderes Spannungsmoment. Vieles, was Finn über das 21. Jahrhundert lernt, entspricht den Tatsachen, doch durch die nur fragmentarisch vorhandenen Aufzeichnungen wird die Wirklichkeit unserer Gegenwart verzerrt. Der Zufall hat entschieden, welche Dokumente erhalten geblieben sind und welche nicht – und anhand dieser ergibt sich ein unvollständiges Bild der Welt um die Jahrtausendwende, was für den Leser vor allem diverse Schmunzelmomente beinhaltet. Holly-Jane Rahlens Stil liest sich dabei locker und flüssig, wobei die Autorin auch mit ihrer Erzählweise Kreativität beweist. In der zweiten Hälfte des Buches erwartet den Leser auch hier ein gelungener Kniff, der „Everlasting“ aus der Masse der derzeit erscheinenden SF-Jugendbücher heraushebt.


Fazit

„Everlasting – Der Mann, der aus der Zeit fiel“ ist ein ungewöhnlicher Zeitreiseroman, der neben einer herzerwärmenden Liebesgeschichte viele originelle Ideen bietet. Unsere Gegenwart aus Sicht eines zukünftigen Historikers zu erleben erzeugt eine ganz besondere Spannung, die über kleine Schwächen hinwegsehen lässt. Ein wundervoller Jugendroman über die Bedeutung des eigenen Selbst!


Pro & Contra

+ außergewöhnlicher, sympathischer Protagonist
+ interessante zukünftige Welt
+ gelungene Überraschungen
+ kreative Erzählweise / originelle Details
+ spannende Zeitreiseproblematik
+ herzerwärmend

- teilweise überladen mit futuristischen Begriffen
- in der zweiten Hälfte etwas konfus

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5

Tags: Zeitreisen