Klappentext
Tauch ein in eine fantastische Welt!
Tief im Meer lebt das Volk der Wasserleute. Seit Jahrhunderten
garantiert ein Pakt mit dem mächtigen Königshaus ihr Überleben. Als
dieser in einer dunklen Zeit der Umstürze gebrochen wird, liegt das
Schicksal der geheimnisvollen Meereswelt und ihrer Bewohner in den
Händen zweier Menschen, die mehr als Welten trennen: Anne, die kluge und
streng erzogene Enkeltochter des geschwächten Königs, und Henry, ein
Kind des Meeres und ein Außenseiter …
Rezension
Die Welt der Tieflinge ist ein rauer Ort; ständig der Gefahr ausgesetzt,
zu verhungern oder gar von Delphinen und anderen Meeresbewohnern
angegriffen zu werden, sind die Tieflinge nur in der Lage zu überleben,
indem sie stark und hart sind. Und nicht nur körperlich unterscheiden
sie sich sehr von den Menschen an Land: Neben ihrer Körpergröße und dem
Fischschwanz haben sie ein komplett anderes Weltbild, das vom schlichten
alltäglichen Überlebenskampf geprägt ist.
In diese Welt wird Henry hineingeboren – ein Mischling, der mit seinen
menschlichen Beinen und seiner schmächtigen Statur nur schwer mit seinem
Schwarm mithalten kann. Das ist auch der Grund, warum ihn seine Mutter
eines Tages verstößt und an einem Strand an Englands Küste zurücklässt,
wo er von einem Menschen gefunden wird, der sich seiner annimmt.
Um dessen Motive besser zu verstehen, ist es notwendig, sich noch ein
wenig genauer mit der Welt, die Whitfield für ihren Roman geschaffen
hat, auseinander zu setzen.
Denn in dieser Welt können menschliche Könige, deren Königreiche am
Wasser liegen, nur vernünftig regieren, wenn sie die Unterstützung der
Tieflinge haben. Auch wenn diese Tatsache für die Geschichte, die
Whitfield erzählen möchte, wichtig ist, so macht sie es sich mit deren
Erklärung doch allzu einfach: Die Tieflinge können nämlich die Schiffe
der „Landlinge“ angreifen und zerstören. Wie das funktionieren soll,
darüber hält sich die Autorin bedeckt – und was bleibt ihr auch anderes
übrig; ist es doch schwerlich vorstellbar, dass ein menschenähnliches
Wesen ein Holzschiff mit bloßen Händen versenken soll.
Mit dieser Macht haben es die Tieflinge nach und nach geschafft, dass
alle wichtigen Königshäuser aus Mischlingen von Landlingen und
Tieflingen bestehen – Menschen wie Henry. Und hier schließt sich der
Kreis zum Protagonisten – denn er als wild geborener Mischling stellt
eine nicht unerhebliche Gefahr für das englische Herrscherhaus dar, kann
er doch den Thron für sich beanspruchen. Denn die englische Dynastie
ist durch eine lange Reihe von Inzuchtehen zur Aufrechterhaltung von
Mischlingen, die als einzige den Thron besteigen dürfen, geschwächt.
Wenn man all dies erst einmal verdaut und hingenommen hat, bietet einem
„In großen Wassern“ eine erstaunlich gut umgesetzte und authentische
Geschichte über Königshäuser, Hofintrigen, Ränke und Machtspiele, die
durch die ungewöhnliche Partei der Tieflinge eine weitere Dimension dazu
gewinnt. Dabei erweist sich Whitfield als gute Erzählerin, die sich
darauf versteht, dem Leser eine spannende und intelligente Geschichte zu
präsentieren und den Fokus stets auf interessante Punkte zu lenken.
Der interessanteste Punkt dürfte dabei etwa ihre Gegenüberstellung der
Sichtweise der Landlinge und der Tieflinge sein: Diese gelungene Analyse
menschlicher Verhaltensweisen erfährt einen frühen Höhepunkt, als Henry
von einem Menschen am Strand aufgesammelt wird, der ihn dann mit zu
sich nach Hause nimmt – natürlich in der Hoffnung, einen zukünftigen
Anwärter auf den Thron gefunden zu haben.
Meisterhaft schildert Whitfield nun, wie Henry mit der Welt der an Land
lebenden Menschen konfrontiert wird. Eindrücklich schafft sie es dabei,
dem Leser all die Schrecken und Absurditäten zu vermitteln, die einem
Wasserbewohner an Land begegnen könnten. Hierbei lässt sie es sich auch
nicht nehmen, der menschlichen Gesellschaft mitsamt ihrer Denkweise den
Spiegel vorzuhalten.
Henry als Charakter wird seiner Rolle zwar gerecht, jedoch hätte man
sich hier und da doch einen detaillierteren Einblick in seine
Gedankenwelt gewünscht, um ihn noch besser zu verstehen. Ähnliches gilt
für den zweiten Protagonisten – Anne, Angehörige des angeschlagenen
Königshauses -, die eine so rasante Entwicklung durchmacht, dass ihre
Glaubwürdigkeit darunter leidet.
Fazit
„In großen Wassern“ bietet interessante Ideen, die intelligent umgesetzt
werden. Souverän erzählt Kit Whitfield ihre Geschichte von
Königshäusern, Ränken und Komplotts – die Einbindung der „Tieflinge“ in
dieses Gefüge verleiht der Geschichte eine zusätzliche Dimension.
Allenfalls die Protagonisten könnten etwas glaubwürdiger sein.
Pro & Kontra
+ interessante Ideen
+ intelligent erzählt
+ Kontrast zwischen „Landlings“- und „Tieflingswelt“
- keine ausreichende Erklärung für die Macht der Tieflinge
- Protagonisten nicht immer glaubwürdig
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5