Sternensturm (Kim Winter)

Thienemann Planet Girl (Mai 2012)
Gebunden mit Schutzumschlag
592 Seiten, Ab 13 Jahren, 16,95 EUR
Österreich: 17,50 €, Schweiz: 24,90 sFr
ISBN: 978-3-522-50309-9

Genre: Science Fiction / Jugendbuch


Klappentext

Wenn nur das Böse dich retten kann, würdest du ihm folgen?

Iason hat sich entschieden: für die Liebe, für ein Leben mit Mia. Eigentlich perfekt. Aber plötzlich verschwinden Menschen spurlos aus der Stadt. Und ein unheimliches Flüstern spricht in der Nacht zu Mia. Sie fühlt sich gezogen und weiß nicht wohin. Stimmt es, dass die Entführer in Wirklichkeit hinter ihr her sind? Zweifel keimen auf, ob es Mia wirklich bestimmt ist, den Frieden nach Loduun zu bringen. Und bald schon nährt sich der Verdacht, dass sie vielmehr von einer dunklen und gefährlichen Macht gelenkt wird. Als Wächter seines Planeten muss Iason eine folgenschwere Entscheidung treffen und Mia gerät in ein Netz aus Intrigen, in dem sie niemandem trauen kann, am wenigsten sich selbst.


Rezension

Mias Beziehung zu Iason wird von kulturellen Unterschieden und einem unheimlichen Flüstern in ihrem Kopf getrübt – und da es ohnehin genug Probleme gibt, verschweigt sie ihrem außerirdischen Freund, dass sie Stimmen hört. Anfänglich schiebt Mia das Flüstern auf das Trauma, das sie im Kampf gegen Lokondras Schergen erlitten hat. Doch als plötzlich Menschen spurlos verschwinden, scheint es einen Zusammenhang mit dem Flüstern, das Mia hört, zu geben. Als dann auch noch die Wächter aus Loduun auf der Erde auftauchen, bricht das Chaos über Mia herein. Sie wird beschuldigt, dem loduunischen Kriegstreiber Lokondra bei den Entführungen zu helfen und sogar Iason beginnt, an seinem Sinn, Mia beschützen zu müssen, zu zweifeln …

Kim Winters Utopie hat ihre Macken, doch bei der Rückkehr in „Sternensturm“ fühlt man sich auf Anhieb wieder wohl. Alltagsgegenstände wie das iCommplete sind Fans der Reihe mittlerweile ins Blut übergegangen und auch wenn es die Autorin in punkto Futurismus manchmal übertreibt, hat man doch ein sehr genaues und vor allem positives Bild der Zukunft. Allerdings sei gesagt, dass „Sternensturm“ wesentlich düsterer ist als sein Vorgänger „Sternenschimmer“, denn Mia muss in ihrem jungen Irdenleben einiges ertragen. Das Misstrauen, das ihr von Iason und sogar von ihren Freunden entgegenschlägt, ist kaum auszuhalten – vor allem fragt man sich die ganze Zeit über, was sie denn getan haben soll. Da ist das Flüstern in ihrem Kopf und sie hat Aussetzer, Lokondras Schergen scheinen irgendetwas mit ihr zu machen. Doch für den Leser ist dieses „irgendetwas“ kaum greifbar, Mias Rolle im Krieg auf Loduun ist ein riesiges Geheimnis, das auch im zweiten Band der Trilogie nicht aufgeklärt wird. Die Wächter reagieren extrem negativ auf Mia, während neue Freunde sie unterstützen. Aber selbst bei diesen stellt sich schnell ein ungutes Gefühl ein und man kann früh erahnen, wie dramatisch sich die Geschichte entwickeln wird.

Einerseits bringt das Drama um Iasons wahren Sinn und Mias Verwicklung in den loduunischen Krieg unheimlich viel Spannung in die Geschichte, doch andererseits erscheint es einem unlogisch, dass ein Irdenmädchen wie Mia eine wichtige Rolle in einem außeririschen Krieg spielen soll. Zudem ist Mia in ihrer Liebe zu Iason beinahe schon zu zu vielen Opfern bereit. Die Wächter und er selbst behandeln sie phasenweise wie eine Verräterin, kontrollieren sie in jeder Lebenslage bis zum psychischen Zusammenbruch. Spannend bleibt es dabei allemal, doch irgendwann kommen Zweifel auf, ob Mia sich all das wirklich gefallen lassen sollte. Ob ein solches Verhalten Vorbild für junge Leser sein kann. Die Liebe zwischen Iason und Mia ist stark, doch nach den Ereignissen in „Sternensturm“ hegt man ernsthafte Zweifel, ob es für die beiden überhaupt noch ein Happy End geben kann. Dafür waren die Schattenseiten dieses Mal einfach zu krass.

Sehr schön lesen sich wieder die Szenen mit den loduunischen Flüchtlingskindern, die zu den wenigen Personen im Roman gehören, die mit Mia weiterhin liebevoll und offen umgehen. Man spürt dabei in jeder Zeile, dass sich Kim Winter mit Kindern gut auskennt. Die Szenen sind durchweg authentisch und gehen ans Herz. Mia scheint zudem so manche Charaktereigenschaft der Autorin geerbt zu haben, die viel hinterfragt. „Bei Ungerechtigkeiten weggucken, geht gar nicht.“ – der Satz könnte glatt aus Mias Mund stammen. Und doch ist es gerade ihr Gerechtigkeitssinn und ihr leidenschaftliches Bemühen um ihre Mitmenschen, das zu Missverständnissen führt und sie in einem schlechten Licht dastehen lässt. Da der Roman aus Mias Sicht erzählt wird, steht dem ganzen Schlamassel ebenso hilflos gegenüber wie sie – wie kann man dieses Mädchen für eine Kollaborateurin halten? Ausgerechnet Mia, die sich wie keine andere für die loduunischen Kinder und ihre Freunde einsetzt. Kim Winter macht es dem Leser ganz schön schwer, die Ruhe zu bewahren und sich nicht über die Ungerechtigkeiten in „Sternensturm“ aufzuregen.

Diese Ungerechtigkeiten basieren meist auf Missverständnissen, die wiederum auf den kulturellen Unterschieden beruhen. Wo die irdische auf die loduunische Kultur trifft, treffen Emotionen auf Vernunft. Ein wenig erinnert das an Star Trek und die Beziehung zwischen Menschen und Vulkaniern, verpackt in einen Jugendroman mit Liebesgeschichte. Iason hat zwar erfahren, was Liebe bedeutet, doch die anderen Loduuner können mit diesen Gefühlen nichts anfangen und fehlinterpretieren so jede Entscheidung, die aus einem Gefühl heraus getroffen wird. Bei Mia ist das so ziemlich jede Entscheidung. Die Konflikte werden von Kim Winter gekonnt geschildert – bis zu dem Punkt, wo Mia sogar von Iason im Stich gelassen wird. Es gibt zudem zu viele glückliche Fügungen, vor allem gegen Ende, was schnell konstruiert wirkt. Auch gibt es wieder diverse Längen, zu viel Alltag, der in diese schwierige Phase nicht hineinpasst. Und trotz aller kleinen Macken sticht auch „Sternensturm“ aus der Masse an Jugend-Science-Fiction-Romanen heraus, denn trotz allem ist der Grundton sehr positiv und die Liebesgeschichte passt wunderbar in diese Utopie. Und das Wichtigste: Kim Winters Sternen-Trilogie hat einfach den gewissen Charme, den es braucht, um Leser zu fesseln.


Fazit

„Sternensturm“ lebt von kulturellen Konflikten zwischen Menschen und Loduunern, zwischen Emotionen und Vernunft. Kim Winter mutet ihrer Protagonistin Mia und ihren Lesern dabei viele Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten zu, die einen dunklen Schatten auf die Utopie werfen. Ein hochdramatischer zweiter Band, der viele Fragen offen und seine Leser dem Abschluss der Trilogie entgegen fiebern lässt.


Pro & Contra

+ kulturell bedingte Konflikte zwischen Menschen und Loduunern
+ Utopie als Weltentwurf
+ Mia ist eine unglaublich herzliche Protagonistin
+ nach anfänglichen Längen spannend bis zum Schluss
+ freundschaftliche Bindungen
+ keine reine Schwarz/Weiß-Malerei

- futuristische Begrifflichkeiten wirken manchmal übertrieben
- Mia lässt sich teilweise zu viel gefallen
- die Loduuner stehen dieses Mal recht negativ da

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Interview mit Kim Winter (März 2012)

Rezension zu "Sternenschimmer" (Band 1)