Das Lied der Dunkelheit (Peter V. Brett)

Heyne (Mai 2009)
Paperback, Klappenbroschur, 800 Seiten,
ISBN: 978-3-453-52476-7
€ 15,00 [D] | € 15,50 [A]
Leseprobe

Genre: Fantasy


Klappentext

Innen

Weit ist die Welt – und dunkel …
… und in der Dunkelheit lauert die Gefahr. Das muss der junge Arlen auf bittere Weise selbst erfahren. Schon seit Jahrhunderten haben Dämonen, die sich des Nachts aus den Schatten erheben, die Menschheit zurückgedrängt. Das einzige Mittel, mit dem die Menschen ihre Angriffe abwehren können, sind die magischen Runenzeichen. Als Arlens Mutter bei solch einem Dämonenangriff umkommt, flieht er aus seinem Heimatdorf. Er will nach Menschen suchen, die den Mut noch nicht aufgegeben und das Geheimnis um die alten Kriegsrunen noch nicht vergessen haben.


Rezension

„Vom Weltrang des Herrn der Ringe ...“ – Ein gewagtes Versprechen, an dem beinahe jedes Buch nur scheitern kann. Zu abwegig scheint der Gedanke und zu hoch das gesetzte Ziel, denn Tolkien hat nicht nur Fantasy, sondern Literatur-Geschichte geschrieben! Kein Buch davor oder danach nahm so brennend Einfluss auf die Entwicklung dieses Genres.

Ob „Das Lied der Dunkelheit“ dennoch diesem aufgezwängten Vergleich standhalten kann?

Man schreibt das Jahr 319 nach der Rückkehr. Die Horclinge, vor Jahrhunderten von einem Erlöser vertrieben, tummeln sich erneut in der bekannten Welt. Eine, die in Leid und Unterdrückung lebt. Geprägt von Entbehrungen, Angst und dem täglichen Kampf um das nackte Überleben. Zu zahlreich sind die Gegner, die des Nachts aus den Tiefer des Horcs (der Hölle) entsteigen. Ihre magische Substanz lässt es unmöglich erscheinen, sie zu besiegen und so gibt es scheinbar nur eine Wahl: Schutz hinter gemalten Siegeln an Pfosten, hölzernen Wänden oder ausgetretenen Pfaden zu finden. Doch diese Sicherheit ist brüchig wie morsches Holz ...

Zunächst und vor allem am Beginn des Romans wirkt Das Lied der Dunkelheit sehr einfach gehalten und überfordert den Leser weder mit unausprechbaren Namen, nebensächlichen Details oder kompliziert anmutenden Begriffen, die man verinnerlichen muss. Die untere Kaste, in der sich die wichtigsten Protagonisten bewegen, lässt politische Bewegungen nur erahnen und weder Kämpfe in der Politik oder im Felde erleben. Einfach, simpel und voll Angst ist die Welt der Menschen Chesas. Diese sind verunsichert, feige und ziehen sich stets hinter ihre Siegel zurück. Ihre Gegenspieler, die Horclinge, lassen sich hingegen mit wildgewordenen Tieren vergleichen. Ein Umstand, der vorerst ein wenig enttäuscht, da es keinen wirklich intelligenten Gegner gibt, den man ergründen könnte. Zumindest nicht in diesem Band.

Umso bemerkenswerter sind dafür jedoch die komplex aufgebauten Hauptcharaktere Arlen, Leesha und Rojer, deren Entwicklungen klar verständlich und bis ins letzte Detail nachvollziehbar sind. Peter V. Brett setzt hierbei in frühen Kindertagen an. Eine Tatsache die Vorteile sowie auch Nachteile mit sich bringt. So lernt man zwar die Schwächen, Stärken und vor allem das Umfeld der Protagonisten von Grund auf kennen, wartet jedoch vergeblich auf das Ereignis. Es wird erzählt, erzählt und erzählt. Zugegeben – gekonnt. Man fliegt förmlich von Seite zu Seite und fühlt sich auch ohne eine mitreißende Groß-Grundhandlung (bis auf wenige Ausnahmen) gut unterhalten. Schleppend wird es nur dann, wenn der Autor, aufgrund der Jugend seiner Protagonisten, wieder einmal ein paar Jahre übersprungen hat, um diese in ein besseres, handlungsfähigeres Alter zu bringen. Damit bleiben die Charaktere leider nicht immer ganz nachvollziehbar, was sich allgemein bei einem Buch dieses Umfangs gut verzeihen lässt.

Wem das gelingt, darf sich, mitunter, auf durchaus perfekte Realitäts-Anstöße freuen. Peter V. Brett zieht Parallelen zum Christentum, bietet aber auch ein passendes islamisch wirkendes Gegenstück dem Leser an. So liest man über die von Reue gezeichnete, religiöse Schuld der Menschen, sich den Werten des einstigen Erlösers nach Jahrhunderten wieder verschlossen zu haben und den überhaus stolzen Krasianer, ein kleineres, in der Wüste lebendes Volk. Diese bauen auf Ehre, Würde und Mut. Ihr totalitäres System bringt sie dazu, diejenigen zu verachten, die ein Leben in starrer Angst dem Tod vorziehen. Ihre Sprache und ihr Verhalten wirken ebenso abendländisch wie einschüchternd. Vor allem aber interessant!


Fazit

„Das Lied der Dunkelheit“ ist ein wirklich liebevoll gestaltetes und beachtenswertes Debüt! Aufgebaut durch eher zögerlich anmutende Schritte bietet der erste Band wenig Action, jedoch trotzdem Spannung und ein unheimlich präsentes Gefühl von „Luftholen“ für den nächsten, großen Schlag „Das Flüstern der Nacht" (Band 2; vorr. 04/10). Man begleitet Arlen, Leesha und Rojer vorerst getrennt auf ihren Wegen und ergründet durch ihre Augen die Welt und die sich darin bietenden Möglichkeiten, um das Blatt noch wenden zu können.
Einmal etwas anderes, Ruhigeres. Lesenswert und jedem zu empfehlen, der sich für alternativ gestaltete Fantasy – jenseits von Orks, Elben, Zwergen & Co – und detailvoll ausgemalte Welten begeistern kann.


Pro und Kontra

+ interessante Idee
+ Detailreichtum
+ unheimlich guter Lesefluss
+ angenehmer Stil

- oftmals Zeit-Lücken

Wertung

Handlung: 4 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5