Weihnachtsengel gibt es doch (Susan Wiggs)

Verlag Mira, November 2012
Original: Lakeshore Christmas, übersetzt von Ivonne Senn
Band 6 der Lakeshore Chronicles, Familie Bellamy
TB, 396 Seiten, € 8,99
ISBN 978-3862784738

Genre: Belletristik


Klappentext

Es gibt wohl niemanden auf der Welt, der Weihnachten so sehr liebt wie Maureen Davenport. Deshalb ist die alleinstehende Bibliothekarin auch überglücklich, dass sei dieses Jahr endlich das große Krippenspiel an Heiligabend organisieren darf. Leider wird ihr aber Eddie Haven zur Seite gestellt, der größte Weihnachtzyniker der Welt. Über jede Kleinigkeit muss sie stundenlang mit ihm streiten. Doch dann erhält Maureen eine Nachricht, die ihre Welt auf den Kopf stellt. Die Bibliothek, die sie leitet, soll geschlossen werden. Jetzt kann ihr nur noch ein Wunder helfen – nie hätte sie damit gerechnet, dass ihr Weihnachtsengel ausgerechnet der Mann ist, der dieses Fest überhaupt nicht leiden kann.


Die Autorin

Susan Wiggs, die an der Harvard Universität studiert hat, ist leidenschaftlich gern Autorin. Zudem ist sie Mutter, Ehefrau und überzeugte Feministin. Ihre Hobbys sind lesen, reisen und stricken. Sie lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und dem Hund auf einer Insel im nordwestlichen Pazifik.


Rezension

Maureen las immer. Seitdem sie klein war, hatte sie Freude und Trost in Büchern gefunden. Eine Geschichte war für sie so viel mehr als nur Wörter auf einer Seite. Ein Buch aufzuschlagen war, wie die Tür zu einer anderen Welt zu öffnen, und sobald sie einmal die Schwelle übertreten hatte, gab es kein Zurück mehr. Wenn sie eine Geschichte las, lebte sie in einer anderen Haut. (Seite 18)

Eine Bibliothekarin wie aus dem Bilderbuch, das ist Maureen Davenport. Bieder gekleidet, pingelig korrekt und immer allem ein Buch vorziehend, so leitet sie die öffentliche Bücherei in Avalon, dem malerischen Städtchen am Willow Lake gelegen. Aber nun soll ihr Lebensmittelpunkt geschlossen werden, da die Mittel zur Weiterführung nicht mehr ausreichen. Ausgerechnet an Weihnachten, dem Fest der Liebe und der Wunder. Zu nüchtern, um auf ein Weihnachtswunder zu hoffen, stürzt sich Maureen ins Unvermeidbare, allerdings mobilisiert sie noch einmal alle ihr zur Verfügung stehende Mittel. Dazu gehört auch die Überlegung, wem sie die Hauptrolle in ihrem weihnachtlichen Krippenspiel geben wird, dem Neffen des kauzigen, Mr. Scrooge ähnlichen Inhabers des Bibliotheksgebäudes oder einem plötzlich aufgetauchten Jugendlichen, der allerdings wie ein Engel singen kann und alleine durch seine ausstrahlende Aura alle verzaubert. Ihr zur Seite steht der ehemalige Kinderstar Eddie Haven, der, durch einen Gerichtsbeschluss dazu verdonnert, alle Jahre bei der Aufführung hilft. Ausgerechnet er, der Weihnachten so überhaupt nichts abgewinnen kann.

Maureen liebte alles an Weihnachten – die beißende Kälte und das Knirschen von Schnee unter ihren Füßen. Den Duft von gebackenen Keksen und das Funkeln der Lichter in den Schaufenstern und an den Hausdächern. Die alten Lieder, die aus dem Radio schwebten, die sentimentalen Filme im Fernsehen, Stapel von Weihnachtsbüchern auf den Tischen der Bücherei, die von Kindern gemalten Bilder, die sie ausstellte. Das fröhliche Klimpern der Münzen in den Blecheimern der Heilsarmee und die Gemeinschaft von Menschen, die zusammen an Projekten für die Feiertage arbeiteten. All das gab ihr das Gefühl, Teil von etwas zu sein. All das ließ sie sich sicher fühlen. Ja, sie liebte Weihnachten. (Seite 72)

Eddie Haven hasst Weihnachten. Als sechsjähriger Junge bekam er eine Rolle in einem Weihnachtsfilm, der danach zu einem Klassiker wurde. Seine so salbungsvoll gesprochenen Sätze wurden zu Mythen der Weihnacht – und zum Fluch des Eddie Haven. Selbst heute noch wird er an seiner damaligen Leistung gemessen und nie vergessen, immerhin hilft es ihm, dass er auch wie ein Rockstar aussieht und die Damenwelt in schiere Verzückung alleine durch seine Anwesenheit bringen kann. Hinter der Fassade sieht es dann ganz anders aus, geprägt durch seine nicht grade unbeschwerte Kindheit hatte es Eddie nicht immer einfach im Leben, der Alkohol war einmal zu häufig sein bester Freund. Seine Charakterstärke ermöglicht es ihm, sich selbstständig aus dem Sumpf herauszuziehen und wieder ein wertvolles, charismatisches Mitglied der Gesellschaft zu werden, was er allerdings erst einmal hinter der Fassade eines sorglosen Rockstars perfekt versteckt. Diese Ausstrahlung verübt auch auf Maureen einen gewissen Reiz, aber was will wohl ein weltgewandter Star mit einer so farb- und reizlosen Kreatur wie ihr? Was hätte sie ihm zu bieten? Normalerweise trifft er sich mit gutaussehenden Starlets, sie sich in seiner Welt zu bewegen wissen und bestimmt mehr gemeinsame Themen haben, über die sie sich unterhalten können. Ihre eigenen Reize verkennt Maureen total, ihrer Meinung und einer früheren unglücklichen Liebesgeschichte nach hat sie der Männerwelt so überhaupt nichts zu bieten. Immerhin sind Männer Menschen, sie riechen, sind körperlich präsent und verlangen Aufmerksamkeit. Nicht so wie ein Buch, was man nach seinem Genuss zuklappen und ins Regal zurückstellen kann.

Es wäre schön gewesen, wenn der Verlag die Bücher in der richtigen Reihenfolge herausgebracht hätte. Eine Nebenhandlung in diesem Buch ist auch das Leben der Daisy Bellamy, sie nimmt ein wenig mehr Platz ein als andere Nebenpersonen. Und endlich erfährt man auch ein wichtiges Ereignis ihrer Geschichte, über das in Zerrissenes Herz zwar oft geredet wird, was aber vor dem Zeitpunkt des Buches spielt – nämlich in diesem. Bei einer so aufeinander aufbauenden Serie sollte eine viel größere Sorgfalt auf die Veröffentlichung gelegt werden, immerhin hat die Autorin ihre Bücher ja auch nicht durcheinander geschrieben. Diese Details sind aber nebensächlich, man kann diese Geschichte auch ganz gut ohne Vorkenntnisse lesen. Die Charaktere erfüllen zwar erst einmal eine Menge Klischees, aber wenn man nun mal bestimmte Vorlieben hat, richtet man sich sein Leben auch danach ein – und erfüllt so oft die allgemeinen Vorgaben, da es einfach leichter ist, als sich dagegen aufzulehnen. Außerdem ist das Buch auch eine Lektion in Sachen zweiter Chancen – und man sollte nicht alles glauben, was sich angeblich auf den ersten Blick erkennen lässt. Denn in jedem stecken ungeahnte Tiefen, die Susan Wiggs hier herrlich herausgearbeitet hat. Maureen und Eddie, so gegensätzlich sie auch sind, ergänzen sich hervorragend, in ihrem gemeinsamen Leben wird es bestimmt keine Langeweile geben. Nur den Touch des Übersinnlichen hätte sich die Autorin sparen können, das passt einfach nicht in die Serie der Lakeshore Chronicles. Es wirkt aufgesetzt, als ob man zur Weihnachtszeit einfach so etwas erwartet.


Fazit

Der Schöne und die Zicke finden tatsächlich einen Weg, miteinander auszukommen. Heiter und besinnlich hat Susan Wiggs in Weihnachtsengel gibt es doch eine zur Jahreszeit passende Geschichte geschrieben, in der sie aber nicht ihr ganzes Potential ausschöpft. Zwischen Maureen und Eddie hätte es ruhig ein bisschen spritziger zugehen dürfen, so ganz erschließt es sich nicht, warum Eddie von Maureen fasziniert ist. Eine nette Weihnachtsgeschichte ist es allemal, wenn auch auf dem Weg nicht allzu viele Stolpersteine liegen.


Pro und Contra

+ stimmige Atmosphäre
+ liebenswerte und eigenwillige Charaktere
+ Realismus
+ viele verschiedene Ereignisse, dadurch wird es nie langweilig
+ Perspektivwechsel
+ Rückblenden

- der Weihnachtsengel
- hätte spritziger sein können
- leider hat der Verlag nicht die richtige Reihenfolge eingehalten

Wertung

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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