Frostfeuer - Eisenstern (Kai Meyer, Yann Krehl und Marie Sann)

Splitter (September 2012)
Hardcover, 48 Seiten, 13,80 EUR
ISBN: 978-3-86869-294-5

Genre: Phantastik / Märchen


Klappentext

Der Winter im Sankt Petersburg des Jahres 1893 ist der härteste seit Menschengedenken, denn ein Unbekannter hat den Herzzapfen der Schneekönigin gestohlen. Doch während vor den Türen des Grand Hotels Aurora Eis und Schnee regieren, hat das junge Mädchen Maus ganz andere Sorgen. Sie putzt Tag und Nacht die Schuhe der Gäste und hat das Gebäude noch nie verlassen. Erst als eine geheimnisvolle Frau in Weiß im Hotel einzieht, wird ihre triste Welt plötzlich aufregend und ziemlich gefährlich. Denn die Schneekönigin, die ohne den Herzzapfen nicht leben kann, ist in die Stadt gekommen, um den Dieb zu finden und zu bestrafen. Und Maus wird in Ereignisse verwickelt, die ihre kleine Welt völlig auf den Kopf stellen.


Rezension

„Eisenstern“ knüpft nahtlos an den ersten Band „Herzzapfen“ an: Die eisige Kälte hat Sankt Petersburg nach wie vor fest im Griff. Maus, die ihr Leben im Hotel Aurora verbracht hat und Gäste bestiehlt, versucht den verzauberten Jungen Erlen vor der Schneekönigin zu retten. Währenddessen bemüht sich Tamsin Spellwell, die den Herzzapfen geraubt hat, die geschwächte Schneekönigin endgültig zu vernichten. Die mysteriöse Frau hat Maus schon mehrere Male aus der Patsche geholfen, doch als Tamsin sich bereit zeigt, Unschuldige für ihr Ziel zu opfern, verliert Maus das Vertrauen zu ihr. Und so bereut sie schnell, dass sie Tasmin mit in ihr Versteck genommen hat, wo der Eisenstern liegt …

In „Eisenstern“ überschlagen sich die Ereignisse regelrecht. Maus versucht Erlen zu helfen und wird vom Rundenmann gejagt, Tamsin setzt alles daran, die Schneekönigin und notgedrungen das ganze Hotel zu vernichten, ein hoher Besuch kündigt sich an, die Gäste werden vor die Tür gesetzt und am Ende weiß man nicht mehr recht, auf wessen Seite man eigentlich stehen soll. Denn Tamsin verhält sich merkwürdig und verliert mit ihrer Kompromisslosigkeit nicht nur das Vertrauen von Maus, sondern auch das des Lesers. Zwar erläutert sie ihre Motive nachvollziehbar, doch indem sie Maus benutzt, sät sich gleichzeitig Zweifel. Nebenbei wird auf die politischen Verhältnisse des damaligen Russlands angespielt und wer nicht genau hinschaut, verliert schnell den Überblick. Es ist ratsam, sich den ersten Band vor der Lektüre wenigstens nochmal anzuschauen. „Eisenstern“ erscheint insgesamt wie ein typischer Brückenband, der Ereignisse aus dem ersten Band aufzuklärt und neue Elemente für den finalen dritten Band einzuführt. Der Comic liest sich nach wie vor toll, doch ein stimmiges Gesamtbild wird sich wohl erst mit dem dritten Band „Sieben Pforten“ ergeben.

Auch „Eisenstern“ lebt von phantastischen Einfällen, die Kai Meyers Handschrift tragen. So findet sich Maus durch einen Zauber plötzlich an der Zimmerdecke wieder, Tamsin kann sich durch das Schließen ihrer Augen vor anderen verbergen und ihr Schirm entwickelt ein monströses Eigenleben. All diese Ideen schaffen eine märchenhafte Atmosphäre, die gleichermaßen zauberhaft wie modern daherkommt. Unterstützt wird dieser Eindruck von natürlichen Dialogen, in denen Magie als Selbstverständlichkeit erscheint. Erklärende Texte außerhalb von Sprechblasen dienen lediglich dazu, Ortsangaben zu machen. Viele Seiten kommen nahezu ohne Dialogtext aus, andere wirken dieses Mal durch den Erklärungsbedarf mancher Charaktere ein wenig überladen – und die weißen Blasen überlagern die wunderschönen Zeichnungen.

Im Vergleich zum ersten Band, der von kühlen Tönen dominiert wurde, wirken die Zeichnungen nun farbintensiver beziehungsweise wärmer, was man insbesondere an der Haut der Charaktere erkennt. Tasmin Spellwell sieht zudem irgendwie anders und weniger vertrauensselig aus. Zuvor wirkte sie auf Anhieb sympathisch, jetzt hat sie manchmal einen seltsamen Zug. Maus, Erlen und die Schneekönigin haben sich hingegen optisch kaum verändert. Marie Sann punktet auch dieses Mal mit ihrem ungewöhnlichen, märchenhaften Zeichenstil, der zur Thematik von „Frostfeuer“ einfach perfekt passt und nach wie vor hohen Wiedererkennungswert besitzt. Auch wurde der schwarze Hintergrund beibehalten, der das ganze Album edler erscheinen lässt. Dieses Mal gelingt es Marie Sann noch besser, Emotionen in einzelnen Blicken einzufangen und der Anteil skizzenhafter Gesichter ist deutlich gesunken, wodurch der Comic runder wirkt. Leider gibt es auch dieses Mal kein Bonusmaterial, doch das Hardcover ist von gewohnt hoher Qualität.


Fazit

„Eisenstern“ setzt die Geschichte um Maus, Tasmin und die Schneekönigin nahtlos fort und lässt den Leser kaum zu Atem kommen. Marie Sanns Zeichnungen strahlen regelrecht, die Farben wirken intensiver und der Comic macht einen sehr runden Eindruck. Man darf gespannt sein, wie sich dieses frostige Märchen letztendlich auflöst!


Pro & Contra

+ märchenhafte, frostige Atmosphäre
+ traumhafter, weicher Zeichenstil
+ Überraschungen im Storyverlauf
+ Maus ist unheimlich sympathisch
+ kreative, zauberhafte Ideen

o typischer Brückenband

- zu viel Dialogtext auf einzelnen Seiten

Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Kai Meyer