Pandemonium (Lauren Oliver)

Carlsen, 1. Auflage November 2012
Aus dem Englischen von Katharina Diestelmeier
HC mit SU und LB, 352 Seiten
€ (D) 17,90 | € (A) 18,40 | sFr 25,90
ISBN: 978-3-551-58284-3
Leseprobe

Genre: Jugend-Dystopie


Über das Buch:

Die angepasste Lena von früher gibt es nicht mehr. Das Mädchen, das glaubte, was man ihm sagte, und sich gegen die Liebe heilen lassen wollte. Dieses alte Ich hat Lena zurückgelassen auf der anderen Seite des Zauns, über den sie mit Alex geflohen ist. Hier, in der Wildnis, schließt sie sich dem Widerstand an. Ein Auftrag führt sie erneut in die Stadt. Und tief in ihrem Innern gibt sie die Hoffnung nicht auf, dass Alex doch noch am Leben ist. Sie muss ihn finden. Denn in ihrem Herzen lodert immer noch die Liebe.


Rezension:

Trauer ist wie Versinken, wie Begrabenwerden. Ich treibe in Wasser, das die gelbbraune Farbe aufgewirbelter Erde hat. Jeder Atemzug ist ein Ersticken. Es gibt nichts, woran ich mich festhalten könnte, keine Ränder, keine Möglichkeit, mich hochzuziehen. Ich kann nichts weiter tun als loslassen.
Lass los. Spüre das Gewicht um dich herum, spüre, wie deine Lunge zusammengepresst wird, den langsamen, immer festeren Druck. Sink dahin. Da ist nichts außer dem Grund tief unten. Da ist nichts außer dem metallischen Geschmack, dem Echo vergangener Dinge und Tage, die aussehen wie Dunkelheit.
(Seite 49)


Lena hat es geschafft, sie konnte über den Zaun in die Wildnis fliehen. Doch die gelungene Flucht hat einen faden und schmerzhaften Beigeschmack, denn sie musste Alex – der Mann, wegen dem sie überhaupt erst auf die Idee zu fliehen gekommen ist – am Zaun zurücklassen, wo er entweder gestorben oder in die Hände ihrer Feinde gefallen ist. Wobei Letzteres auch nichts anderes als den sicheren Tod in einer Zelle bedeutet. Allerdings bleibt Lena nicht viel Zeit zum Trauern, denn so lange sie auf sich allein gestellt ist, ist sie noch nicht in Sicherheit. Also macht sie sich auf die Suche nach den Leuten, von denen Alex ihr immer wieder erzählt hat, mit nichts als dem, was sie am Körper trägt. Mehr tot als lebendig kommt sie schließlich bei der Gruppe an, die sie teils herzlich, teils skeptisch aufnimmt.
Als Lena wieder bei Kräften ist, wird sie ohne Schonung mit in den Alltag eingebunden und übernimmt feste Aufgaben, wird Teil der Widerstandsgruppe. Schnell wird ihr klar, dass das Leben außerhalb der geschützten Zone hart und voller Entbehrungen ist, alles andere als einfach und auf keinen Fall wirklich sicher. So muss es früher oder später zu einer weiteren Flucht kommen, die Lenas Leben erneut enorm verändern soll. Zurück in der Stadt lernt sie im Zuge eines Auftrages einen Jungen kennen, der für die Regierung im Kampf gegen die Amor deliria nervosa eine Art Symbol werden soll. Julian Finemann ist jedoch nicht nur irgendein Junge, sondern der Sohn des VDFA-Vorsitzenden – und genau diese Organisation ist der größte Feind Lenas und aktuelles Zielobjekt ihres Auftrags. Als bei einer großen Kundgebung plötzlich Chaos ausbricht, lernt Lena auf die harte Tour eine weitere Lektion: Nichts ist, wie es scheint, und der Untergrund ist tiefer als gedacht.

Als hätte es keine viel zu lange Wartezeit gegeben, schließt Lauren Olivers zweiter Teil der Amor-Trilogie direkt an die Geschehnisse des Auftaktbandes an. Und obwohl die Grundkomponenten – Setting, Protagonistin, allgemeiner Schauplatz – genau die gleichen sind, ist Pandemonium doch so ganz anders als sein Vorgänger. Während in Delirium zu großen Teilen noch alles in rosafarbenes Papier gehüllt scheint, fährt der zweite Band mit einer sehr viel düsteren Atmosphäre auf – was sich auch schon an der äußeren Verpackung deutlich erkennen lässt. Mancher Leser wird daher evtl. etwas enttäuscht von dem sein, was er hier geboten kriegt – offene Gemüter jedoch werden sehr schnell genauso gefangen sein, denn Lauren Oliver beweist auch hier wieder, dass sie ein wahres Talent ist. Trotz Lesepause ist man umgehend wieder in der Geschichte und kann sich wunderbar in Lena hineinversetzen.
Besonders an diesem zweiten Teil ist, dass man die Geschichte quasi aus zwei Perspektiven erzählt bekommt: Einmal berichtet Lena, wie es ihr seit dem Überqueren des Zaunes ergangen ist, und die zweite Sichtweise erzählt im Grunde schon die aktuelle Geschichte. Die Sprünge zwischen beiden Perspektiven sind anfangs gewöhnungsbedürftig, die Unterschiede jedoch klar erkennbar, und beim Aufeinandertreffen beider verbinden sich viele bisher scheinbar lose Fäden. Diese Version ist von der Autorin sehr clever gewählt worden, denn so erfährt der Leser gewisse Dinge, die in der aktuellen Geschichte eigentlich schon eine Rolle spielen, bzw. ihre Hintergründe oder Entstehungsgeschichten erst im weiteren Verlauf in einer der Rückblenden Lenas. Das macht alles noch ein bisschen spannender und bietet jede Menge „Aha“-Effekte.

Weitere Spannung bringt die Einführung zahlreicher neuer Charaktere mit sich, die jeder für sich eine wichtige Rolle für Lenas weitere Entwicklung spielen werden. Und auch wenn man eigentlich die ganze Zeit darauf wartet, dass Alex mehr oder weniger wohlbehalten wieder auftaucht, wird diese Erwartung immer kleiner – vor allem als sie auf Julian trifft und ihn immer besser kennen lernt. Zwar schwirrt Lenas große Liebe immer irgendwo im Hinterkopf herum, doch wie für Lena wird Julian auch für den Leser immer zentraler. Hier bringt Lauren Oliver ihre Fans in einen ganz schönen Interessenkonflikt, den sie zum Ende ihres zweiten Teils bis zur äußersten Grenze (und eigentlich sogar darüber hinaus) ausreizt. Mit einem sehr gemeinen Cliffhanger schickt sie die geplagte Leserseele wieder in eine unbestimmte Wartezeit – der Originaltitel soll jedoch bereits im März 2013 erscheinen, sodass sich auch das deutsche Leserherz mit Hoffnung auf eine baldige Fortsetzung tragen kann. Und schon jetzt stellt man sich die Frage, welchen Showdown hat sich die Autorin für den abschließenden Band ausgedacht haben mag – und was wohl nach der Amor-Trilogie noch folgen wird. Eines steht jedenfalls fest: Schreiben kann sie und man darf hoffentlich noch viele Bücher aus ihrer Feder lesen.


Fazit:

Pandemonium ist sowohl optisch als auch inhaltlich anders als sein Vorgängerband, steht diesem allerdings in keinem Punkt nach. Spannungsbogen, Handlungsfelder, Charaktere und ein nicht ganz unvorhersehbares, an dieser Stelle jedoch überraschendes Ende mit richtig fiesem Cliffhanger-Effekt zeigen ein weiteres Mal, dass Lauren Oliver ein unglaubliches Talent hat, den Leser zu fesseln und zu unterhalten. Eine echte Empfehlung für Dystopien-Fans!


Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


Rezension zu „Delirium“

Tags: Jugenddystopie