Schöne Scheine (Terry Pratchett)

Goldmann Verlag (14. April 2009)
Übersetzt von Bernhard Kempen
Taschenbuch: 416 Seiten, € 8,95
ISBN-13: 978-3442468096

Genre: Fantasy


Klappentext

Geld allein macht nicht glücklich - es gehört auch etwas Gold dazu.

Banken hat der ehemalige Gauner Feucht von Lipwig bisher meist bei Nacht und durch den verschlossenen Hintereingang betreten. Doch jetzt vererbt ihm die exzentrische Frau Üppig die Mehrheit an der maroden Kreditbank von Ankh-Morpork. Die Sache hat nur ein paar Haken: Der Bankpräsident ist ein Hund, der Hauptkassierer mit ziemlicher Sicherheit ein Vampir, und als Feucht die Goldbestände im Keller der Bank sichten will, wartet eine böse Überraschung auf ihn. Offenbar hat hier schon länger niemand mehr vorbeigeschaut …

„Pratchetts Geschichten sind verrückt, aber in ihrer Verrücktheit ganz dicht an der Realität.“
WAZ, Literaturmagazin


Rezension

Der neueste in Taschenbuchform erschienene Roman von Terry Pratchett beschäftigt sich wieder mit der Figur „Feucht von Lipwig“, die erst in „Ab die Post“ eingeführt wurde und auch dort schon für reichlich Wirbel gesorgt hat. Trotzdem begegnet man natürlich alten Bekannten, wie Kommandeur Mumm, Hauptmann Karotte, Detritus und vor allem dem Patrizier, der wie immer die Fäden in der Hand hält, in denen sich die Protagonisten unwissentlich und unwillentlich verfangen.

Dieses Mal nimmt Pratchett das Bankwesen ins Visier und trifft, wie gewohnt, auch hier wieder ins Schwarze. Besonders im Hinblick auf die derzeitige Finanzkrise kann man manch einer von Terry Pratchetts Aussagen nur zustimmen.
Schon relativ früh bringt es der Hauptprotagonist in einem Gespräch ziemlich gut auf den Punkt:

„Meister, ich protestiere! Das Bankgeschäft ist kein Spiel!“
„Falsch, mein lieber Herr Beuge. Es ist ein sehr altes Spiel, und es heißt: Womit kommen wir ungestraft durch?“

Und Feucht von Lipwig hält das Spiel mit dem Geld in Gang, ja setzt es auf eine höhere Stufe, in dem er Papiergeld einführt, an das sich die Bewohner von Ankh-Morpork nur schwer gewöhnen wollen. Schließlich ist es kein Gold, dem man seinen Wert ansieht. Doch mit der Zeit setzt sich Feucht von Lipwig durch.

Zusätzlich muss er noch an einer anderen Front kämpfen. Der Familie von Frau Üppig passt es nämlich gar nicht, dass er die Bankgeschäfte fortan leiten soll, weshalb sie versucht, ihn mit allen Mitteln aus dem Weg zu schaffen.
Ein weiterer Nebenplot beschäftigt sich mit Cosmo Üppig, der versucht, den Patrizier abzulösen und dafür in dessen Haut schlüpfen will.
Dies führt dazu, dass er blind alles erwirbt, was ihm bei seiner Verwandlung in den Patrizier nützen kann. Koste es, was es wolle.

Aus all diesen Zutaten schafft es Terry Pratchett wieder einmal ein spannendes Buch zu machen, mit interessanten Charakteren, auf deren Zeichnung er sich nur zu gut versteht.
Besonders über den Patrizier, Lord Vetinari, lernt man wieder etwas mehr, auch wenn er nicht allzu häufig in Erscheinung tritt. Seine Präsenz ist trotzdem immer spürbar. 
Feucht von Lipwig selbst ist eine ebenso interessante wie widersprüchliche Figur. Er ist gefangen zwischen seinem alten und seinem neuen Leben. Genau diesen Umstand nützt Lord Vetinari aus und bewegt ihn wie eine Schachfigur, die allerdings auch unerwartete Dinge tun kann, oder besser: die Dinge tut, die nicht ganz oben auf der Liste der Möglichkeiten beim Patrizier standen.

Die grundlegende Geschichte beschäftigt sich wie erwähnt mit dem Bankwesen und kommt damit natürlich genau richtig in einer Zeit der Finanzkrise. Terry Pratchett entlarvt hierbei ein Stück weit das System und führt vor Augen, dass alles im Prinzip auf Vertrauen und nicht mehr auf realen Werten basiert. Natürlich geschieht dies auf die ihm eigene Art und Weise, mit Absurditäten und Humor gewürzt. Dieser tritt aber nicht mehr ganz so stark in Erscheinung wie in älteren Werken von Terry Pratchett. Sein Humor ist leiser geworden, aber dafür auch feiner und spitzer.

Leider sind die einzelnen Handlungsstränge nicht ganz so ausgearbeitet wie in früheren Werken und damit auch nicht vollkommen miteinander verknüpft. Vielleicht wäre eine Beschränkung auf weniger Nebenhandlungsschauplätze in diesem Fall mehr gewesen. Dadurch kann „Schöne Scheine“ nicht ganz die gewohnte Qualität halten, ist aber immer noch ein lesenswertes Buch.

Nicht unerwähnt soll der neue Übersetzer, Bernhard Kempen, bleiben. Nach dreißig Scheibenweltromanen wurde Andreas Brandhorst abgelöst. Bernhard Kempen macht seine Sache im Großen und Ganzen wirklich gut. Nur warum er den Patrizier immer wieder als Tyrannen bezeichnet, wird nur er wissen. Aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt.


Fazit

Wieder ein wirklich gutes Buch von Terry Pratchett, allerdings nicht eines seiner Besten, dafür fehlt noch ein kleines bisschen bei der Geschichte und den Charakteren. Fast könnte man sagen, er hat zu viel in ein Buch packen wollen. Trotzdem ist es für einen Terry Pratchett Fan ein Muss und für alle anderen empfehlenswert.


Pro & Contra

+ gut ausgearbeitete Charaktere
+ viele alte Bekannte treten auf
+ Geschichte mit aktuellem Bezug
+ der typische Pratchett Humor

° fast schon zu viele Nebenplots
° der Klappentext verrät viel und führt dabei in die Irre

Bewertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 5/5


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Tags: Terry Pratchett, Scheibenwelt