Seelenfänger (Andreas Brandhorst)


Verlag: Heyne (Oktober 2012)
Taschenbuch: 640 Seiten, € 14,99  
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3453529700

Genre: Science Fiction


Klappentext

Zacharias Calm hat die besondere Gabe, mit dem Bewusstsein anderer Menschen in Kontakt treten zu können. Als sich seltsame Todesfälle ereignen, bei denen die Opfer ins Koma fallen und kurz darauf sterben, ist sich Zacharias sicher, dass er es mit einer Verbrechensserie zu tun hat, die auf ein und denselben Täter zurückzuführen ist. Zusammen mit der hübschen Wissenschaftlerin Florence begibt sich Zacharias auf die gefährliche Reise in die geistigen Welten der Komapatienten. Doch was ihn dort erwartet, übertrifft seine schlimmsten Befürchtungen ...


Rezension

Zacharias ist ein sogenannter Traveller, was bedeutet, er kann sein Bewusstsein mit anderen koppeln. Die wenigen Menschen, die über diese Fähigkeit verfügen, verwenden sie zu therapeutischen Zwecken. Sie klinken sich in den Geist psychisch kranker Patienten ein, beseitigen Traumata und setzen den Heilungsprozess in Gang.
Doch diese Gabe ist nicht ungefährlich: Es kann vorkommen, dass ein Traveller nicht mehr zurückfindet. Genau das ist bei dem Neuzugang passiert, der mit höchstem Prioritätscode eingeliefert worden war: Der mit seiner Heilung betraute Traveller wurde in seinem Geist gefangen und liegt seitdem im Koma. Zacharias macht sich deswegen, zusammen mit seiner Therapeutin Florence, auf eine Rettungsmission in das Bewusstsein des geheimnisvollen Mannes. Was sie dort entdecken, bringt nicht nur sie selbst in größte Gefahr, es sprengt zudem sämtliche Vorstellungen von Realität und ihren Möglichkeiten ...

Temporeich und vielversprechend startet die Story durch, man befindet sich sofort mitten im Geschehen. Anfangs wird der Plot den auf den ersten Seiten geweckten Erwartungen durchaus auch gerecht, doch leider sind weder Tempo noch Spannung von längerer Dauer.
Mit der vom Autor gewohnt starken Techniklastigkeit kommt man ohne größere Probleme zurecht, der furiose Beginn verfällt jedoch rasch in einen gemächlichen Trab und verlangsamt sich weiter, bis sich das Tempo auf Schrittgeschwindigkeit reduziert zu haben scheint. Dabei bläht sich der Plot kontinuierlich zu einer immer komplexer werdenden Konstruktion auf, in der der Leser zunehmende Schwierigkeiten hat, sich zurechtzufinden. Eine verschachtelte und komplizierte Handlung ist an sich nichts Schlechtes, beides sollte allerdings nicht zu stark auf Kosten der Übersichtlichkeit gehen. Liest man das Buch gar mit mehrtägigen Unterbrechungen, entstehen sehr schnell echte Verständnisprobleme. Wer ist gerade wann, wo und mit wem nach wohin unterwegs und warum? Als Leser ist man gezwungen, etwas zu häufig zurückzublättern und diverse Zusammenhänge nachzulesen. Dadurch drängt sich die Vermutung auf, dass zu viel gewollt wurde.

Spannende Ansätze sind zuhauf vorhanden und blitzen regelmäßig hervor, jedoch werden sie meist ausgebremst. Gemessen an dem wilden Jonglieren mit verschiedenen Realitäten passiert handlungsmäßig eher wenig. Die Aktionen sind zudem sehr ausgewalzt und vieles von dem, was geschieht, ist zu stark vorhersehbar.
Wunderbar gelungen erscheint dafür die surreale Atmosphäre, die über allem liegt. Sie unterstreicht optimal den Kernpunkt des Romans, nämlich die Frage, was den Unterschied zwischen Realität und Fiktion ausmacht und wo die Grenzlinie verläuft. Diese Problematik wird zwar öfters angesprochen, doch auch diese höchst faszinierende Thematik wird von der ganzen Verschachtelung eher erschlagen als unterstützt
Die Charaktere, unter denen sich die eine oder andere originelle Gestalt findet, wirken lebendig und authentisch. Einige von ihnen hätten ein wenig mehr an persönlicher Hintergrundgeschichte vertragen können, doch das ist nicht weiter gravierend.
Das politische Umfeld wird nur angerissen, ein paar nähere Erklärungen hätten nicht geschadet. Alternativ hätte man diesen Themenkomplex auch komplett ausklammern können. In dieser Darreichungsform erscheint es allerdings etwas mager und unfertig.

Am Ende werden die wichtigsten Fragen beantwortet und die meisten losen Enden verknüpft, wenn auch der Schluss die Steilvorlage für eine Fortsetzung liefert. Ob und falls ja, wann es eine solche geben wird, ist derzeit noch nicht bekannt.


Fazit

Ein Roman, der mit faszinierendem Ideenreichtum aufwartet und dem Leser eine Menge Stoff zum Nachdenken hinterlässt. Leider wurde die Story etwas zu komplex und verworren angelegt, sodass zu viel an Spannung auf der Strecke bleibt und die philosophische Komponente nicht richtig zur Geltung kommt.


Pro & Kontra

+ großartige und originelle Ideen
+ sehr fantasievoll
+ spannender Beginn
+ surreale Atmosphäre
+ bietet viel Stoff zum Nachdenken

o sehr verschachtelte und komplexe Handlung
o stark techniklastik

- streckenweise extrem verworren
- Plot wirkt zu sehr ausgewalzt
- Spannung flacht ab
- ein wenig zu handlungsarm
- vieles zu vorhersehbar
- auf die politische Lage wird kaum eingegangen
- Ende ohne wirkliche Überraschungen

Wertung:


Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 4/5


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