Im Schatten der Giganten (David Tallerman)

Piper (April 2013)
Broschiert, 400 Seiten
ISBN: 978-3492702881
€ 16,99 [D]

Genre: Fantasy


Klappentext

Er ist furchtlos, hinterlistig und unwiderstehlich charmant: Easie Damasco weiß sich aus jedem Missgeschick herauszuwinden. Doch wie soll er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, wenn der Preis, den er für sein Leben zahlen muss, wortwörtlich gigantisch ist? - Ein hochkarätiges High-Fantasy-Debüt mit phantastischer Action, einem hinreißenden Schreibstil und dem überzeugendsten Helden seit Captain Jack Sparrow.


Rezension

Als der Dieb, Easie Damasco, an diesem Tag aufwacht, hat er sich sicher nicht ausgemalt, mit seinem Hals in der Schlinge an einem Ast zu baumeln. Immerhin entkommt er dem Sensenmann, als Moaradrid vorbeikommt. Der Kriegsherr, der gerade dabei ist, das Land mit brachialer Gewalt zu überrennen, schenkt ihm zwar das Leben, verdammt ihn aber dazu, als lebender Schutzschild in seinem Heer zu dienen. Natürlich macht sich Easie sofort aus dem Staub, als sich ihm die Gelegenheit bietet, nicht jedoch ohne Moaradrid etwas Hab und Gut zu entwenden. Gold macht sich immer gut - und warum nicht gleich einen Riesen stehlen?

Im Schatten der Giganten“ hat eine ansprechende Aufmachung bekommen. Mit geprägtem und schickem Design des Covers und imposantem Klappentext macht es richtig was her. Allerdings machen Aufschriften wie „Eines der besten Fanatsy-Debüts des Jahres“ und Vergleiche mit dem coolsten Piraten aller Zeiten, Captain Jack Sparrow („Aber Ihr habt von mir gehört“), den erfahrenen Bücherwurm bereits stutzig. Zu viele Vorschusslorbeeren sind selten ein gutes Zeichen und auch in diesem Fall, wurde massiv übertrieben. David Tallermans Erstlingswerk ist durchweg solide, mehr aber auch nicht.
Beginnend bei der Story: Vermutlich hätte sich das ganze als Film besser gemacht. Ohne umschweife lernen wir Easie Damasco kennen, der gerade am Galgen hängt. Es hat etwas mit seiner kriminellen Vergangenheit zu, aber Details dazu gibt es kaum. Was sich im Laufe des Buchs auch noch kaum ändern soll. Er ist ein Dieb, war ein Dieb und bleibt ein Dieb. Seinem Berufsstand entsprechend bestiehlt er den Kriegsherrn und weil er gerade dabei ist, nimmt er noch einen Riesen mit. Bis dahin bleibt der Roman vielversprechend, sobald sich das ungleiche Paar auf der Flucht befindet, gibt es aber nur wenig Erwähnenswertes. Gemeinsam – wobei der Gigant leider eine untergeordnete Rolle spielt – stolpern sie durch das Land, ununterbrochen Ausschau haltend nach Verfolgern, während sich Easie unentwegt über seine blauen Flecken auslässt. Heroismus sieht anders aus. Da der Riese kaum redet, gibt es auch keine Auflockerung durch unterhaltsame Dialoge. Zur Mitte hin ergeben sich einige Geschehnisse, dummerweise hat der vermeintliche Held keine Ahnung, was um ihn herum geschieht. Somit bleiben er und der Leser im Unklaren, wohin die Geschichte steuert, ohne jedoch Spannung aufzubauen. Vielmehr muss man sich weiteren Verfolgungsbeschreibungen stellen. Und letztlich ist auch das Ende flau, das zwar für sich abgeschlossen ist, aber gleichzeitig einen weiteren Band ankündigt.

Bei lediglich 400 Seiten, was für dieses Genre überraschend kurz ist, sollte man dicht gepackte Spannung erwarten. Leider fühlt sich das Buch länger an, als es ist. Ausladende Beschreibungen müssen nicht zwingen etwas Gutes sein, in diesem Fall hätte die ein oder andere Seite mehr aber sicher geholfen. Man erfährt zu wenig über Hintergründe der Figuren, das Land und Konflikte zwischen ihnen. Begründet liegt das wohl darin, dass das Ganze in der Ich-Perspektive von Easie Damasco geschrieben ist und seiner schlechten Angewohnheit, alle Ereignisse eingeschränkt und egoistisch zu sehen. Oder vielleicht liegt Tallermans Fokus auch einfach nicht auf Hintergrundinformationen, denn mit Action wird nicht so sehr gespart. Klar ist, dass Motive und Beweggründe schleierhaft und die Figuren dadurch oberflächlich bleiben. Am schwerwiegendsten trifft das natürlich den (Anti-)Helden. Dieser ist eindimensional und bietet weder eine interessante Lebensgeschichte noch eine persönliche Weiterntwicklung im Laufe des Romans. Bis zur letzten Seite ruht er sich auf seinem Dasein als Dieb aus. Im Gegensatz zu Jack Sparrow ist er auch kein verschrobener Sympathisant, dem man seine kleinen Fehler gern verzeiht. Dazu kann man viel zu tief in seinen Kopf schauen, bedingt durch die Erzählperspektive, und dort findet man nur einen einfach gestrickten und viel zu sarkastischen Charakter. Was beim Protagonisten schon nicht funktioniert, kann auch bei den Nebenfiguren nicht zu erwarten sein. Besonders schade ist das beim Riesen, Salzleck. Man lernt ihn als liebenswürdige aber auch taube Nuss kennen, geistig langsam und sprachlich stark eingeschränkt. Es wird zwar angedeutet, das alles sei nur der erste Eindruck und in Wahrheit stecke vielmehr in ihm. Letztlich wird das versprechen aber nicht eingelöst. Der Bösewicht ist böse, ist halt so, und die wenigen Mitstreiter Easies, die noch auftauchen, bleiben ebenfalls blass.

Im Schatten der Giganten“ schreit einem das Wort „Debüt“ ununterbrochen ins Gesicht. Mit Wortwiederholungen, schlichten Formulierungen ohne Abwechslung und insgesamt zu monoton erzählt, ist der Roman sicher kein Vorzeigeobjekt für kreative Schreibtechnik. Flüssig und ohne Holpersteine liest es sich dennoch. Ob nun der durchschnittliche Erzählstil das Buch langwierig macht, oder die langwierige Story den Schreibstil mäßig gut erscheinen lässt, ist schwer zu sagen. Letztlich kann das Buch aber nur bedingt empfohlen werden, besonders bei dem Stolzen Preis von 17€ für lediglich 400 Seiten.


Fazit

Im Schatten der Giganten“ von David Tallerman eignet sich als kleines Häppchen für zwischendurch. Für einen stolzen Preis bekommt man eine hochwertige Aufmachung, dafür nur durchschnittlichen Inhalt, flache Charaktere und Innovationen gibt es gar keine. Ein Fantasy-Debüt, das man lesen kann, aber nicht muss.


Pro und Kontra

+ Aufmachung
+ der ein oder andere Schmunzler

- viel versprochen, wenig gehalten
- flache Charaktere
- keine Höhepunkte

Beurteilung:

Handlung: 2,5/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 2,5/5