Das große Qindie-Interview - Teil 1 (21.06.2013)

Das große Qindie-Interview

mit Susanne Gerdom, Kay Noa, Horus W. Odenthal, Marny Leifers und Simone Keil

 

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Teil 1: Was ist Qindie?

 

Literatopia: Hallo Susanne, Simone, Katja, Marny und Horus! Ihr gehört zu den Gründungsmitgliedern von Qindie – was genau ist Qindie denn? Und welche Funktion erfüllt Ihr dort?  

Susanne Gerdom: Qindie ist ein Netzwerk von Independent-AutorInnen und Büchermenschen aus allen Kategorien (Blogger, Rezensenten, Lektoren, Coverdesigner, Layouter usw.), die sich gemeinsam für ein Label einsetzen, das Lesern die Orientierung im Self-Publisher-Dschungel erleichtert. Wir wollen mit dem "Q" signalisieren, dass Indie-Bücher sich formal und inhaltlich nicht hinter Verlagsproduktionen verstecken müssen.

Das "Q" soll sagen: Dieses Buch ist handwerklich und inhaltlich auf Verlagsniveau, das kannst du bedenkenlos kaufen und lesen. Welche Funktion erfülle ich? - Ich bin (im Moment noch) die Frau fürs Grobe, das heißt, ich kümmere mich darum, dass die Technik läuft und tut, was wir wollen. Und ich gebe zu allem meinen Senf dazu. Das ist mein Vorrecht als Qindie-Muddi.*g*

Kay Noa: Qindie steht für Qualität und Independent. Eigentlich ganz einfach. Es geht uns mit unserem großen „Q“ darum, Berührungsängste abzubauen, die vielerorts aus sehr unterschiedlichen Gründen selbstveröffentlichten Büchern entgegengebracht werden. Auf diesem Weg, auf dem von hinten geschoben, von der Seite gedrängelt und von vorn gemauert wird, versuche ich für Qindie der Scout zu sein. Vorbei an den Skeptikerklippen, durch den Dschungel der Neuveröffentlichungen, durch das Labyrinth der Publishingportale … Damit Qindie heil durchkommt.

Horus W. Odenthal: Wie Susanne schon sagte, stellt Qindie ein Label dar, das dem Leser Bücher anzeigt, die professionellen Standards und Anforderungen entsprechen, ein Spektrum bietet, aus dem der Leser selbstverständlich nach seinem Geschmack auswählen und dabei sicher sein kann, eine Lektüre zu bekommen, die das Niveau von Verlagsproduktionen bietet. Die etablierten Verlage haben in der Diskussion um die Revolution auf dem Buchmarkt immer für sich reklamiert, Qualitätsportale zu sein. Nun, jetzt sind sie nicht mehr allein. Mit Qindie ist ein neues Qualitätsportal in der Buchszene erschienen, bei dem sich freie und selbstbestimmte Autoren formieren, um ihre Bücher einem großen Publikum vorzustellen. Was ich bei Qindie mache? Ich denke in diesem Kreis macht jeder etwas von allem. Immer das, was anliegt. Aber ich sehe mich hier im Bereich der Konzepte und der PR, kümmere mich um die Social Networks und ähnliches.  

Marny Leifers: Ich betreue den Bereich der Leser, Blogger und Rezensenten. Außerdem kümmere ich mich oft darum, dass Dinge erledigt werden, für die niemand eindeutig zuständig ist, oder biete Lösungen an, wenn irgendwo etwas klemmt. Und dann wäre da noch meine Funktion als "Vorstandssekretärin", zu der ich gekommen bin, weil ich ein gutes Gedächtnis habe, gerne organisiert arbeite und meist sagen kann, wie der aktuelle Stand der Dinge ist.

Susanne Gerdom: Marny stapelt tief. Sie ist unser "Brain", die Frau, die als einzige den Überblick hat und die man jederzeit fragen kann, welches Dokument wo lagert, was wir wann entschieden haben und wo man gerade wieder seinen Kopf verlegt hat ...

Simone Keil: Qindie ist aber auch ein Treffpunkt, an dem Autoren und Leser sich direkt beschnuppern und austauschen können. Die Kneipe von nebenan. ;) Ich bin für die Autoren- und Partnerbetreuung zuständig.

Literatopia: Qindie ist seit eineinhalb Monaten offiziell am Start, im Hintergrund gewerkelt wurde schon vorher fleißig. Wie habt Ihr die ersten Wochen und Monate mit Qindie erlebt?

Susanne Gerdom: Turbulent, atemlos, ein bisschen wie vom ICE mitgeschleift. Der Gedanke, das Netzwerk zu gründen, ist ja gerade mal ein halbes Jahr alt, im Januar haben wir begonnen, darüber ein bisschen zu spinnen - und jetzt ist das Kind schon so groß, dass es dauernd versucht, alleine zu laufen. Die anderthalb Monate seit dem offiziellen Start haben uns alle an den Rand der Erschöpfung gebracht - oder besser gesagt: mit einem kräftigen Arschtritt darüber hinausbefördert - es ist einfach so wahnsinnig viel zu bedenken, zu schrauben, zu texten, zu verändern. Im laufenden Betrieb ergeben sich jeden Tag neue Aspekte, die bedacht und umgesetzt werden müssen. Inhaltlich, strukturell und technisch. Und wir sind nur ein Dutzend Menschlein, die ihre Arbeitskraft in das Ding stecken, da kann man sich leicht ausrechnen, wie viel Stunden das für jeden von uns am Tag sind. Keiner von uns hat in den letzten beiden Monaten seine eigenen Projekte weiter betreiben können.

Wir bekommen täglich fünf bis zehn Bewerbungen (von Autoren, von Partnern, von Bloggern) und auch "Kollegen" wie Neobooks und Lovelybooks sind interessiert daran, sich mit uns zu vernetzen, bzw. haben es schon getan.

Kay NoaKay Noa: Der Vergleich mit dem Zug passt schon. Wir haben vorn eingeheizt, das Ding in Gang gesetzt und innen drin ist jetzt alles noch ein wenig ruckelig. Man muss noch nach seinem Platz suchen, seine Tasche verstauen, sich schnell eine Stulle aus der Tasche holen, die Nachbarn beschnuppern, den Fahrplan checken und mal aus dem Fenster schauen und staunen, wie schnell der Wagen schon fährt. Aber es wird von Tag zu Tag besser und ruhiger und bald schon läuft alles wie auf Schienen. Wir müssen einfach noch viel Feinarbeit justieren. Für einen Trupp Idealisten, die sich großteils persönlich noch nie gesehen haben, ist doch schon ganz schön viel passiert.

Marny Leifers: Den Arbeitsaufwand habe ich gnadenlos unterschätzt - und auch meine Aufgabe in diesem Projekt. Was definitiv etwas miteinander zu tun hat. ;-) Ich fühle mich wie von einem Laster überrollt und sorge mich um meinen armen vernachlässigten Blog, aber ich bin auch unheimlich stolz. Vor dem offiziellen Start war ich ziemlich aufgeregt, weil mein gefühltes Kind dann in die große weite Welt durfte. Spannend! Seitdem ist Qindie "explodiert" und wir schrauben an den verschiedensten Stellen herum, um die sich auch oft erst im laufenden Betrieb ergebenden Aspekte zu berücksichtigen.

Horus W. Odenthal: Für die Zeit vor und nach dem Launch von Qindie hat sich in mir der Begriff "Wirbelsturmsurfen" geprägt. Es war turbulent, hektisch, aufregend, euphorisierend. Uns hat alle das Gefühl zueinander getrieben, dass hier auf seltsame Art und Weise etwas Unvermeidliches geschieht, das wir alle bei etwas Tollem und Großem dabei sind. Ich denke, für jeden von uns ist diese stille Minute gekommen, in der wir uns verwundert umgeschaut und uns gefragt haben, warum wir uns alle nicht schon viel, viel länger kennen und zusammenarbeiten. Alles fühlte sich so selbstverständlich und notwendig an, als käme hier zusammen, was eigentlich schon immer zusammen gehört hat. In dieser Zeit sind die Menschen hier bei Qindie für mich zu so etwas wie einer kleinen Familie geworden. Zwischendurch kam es mir dann auch vor, als wären wir alle Personen in einer Geschichte, die man irgendwann, irgendwo einmal erzählt; alle Bestandteile waren da, alles passte zusammen.

An manchen Punkten hätte es mich fast nicht gewundert, wenn jemand aus dem Off Musik eingespielt hätte;  irgendsowas wie eine irische Ballade. So etwas, das anfängt mit "In the year of Twenty-and-Thirteen …" und dann was Pathetisches von "a gallant crew of sisters and brothers". Whatever. Hört sich vielleicht verrückt an, aber es war das Gefühl, jetzt gerade etwas zu tun, was an diesem Punkt und zu dieser Zeit einfach das Notwendige und Richtige ist.

Ja, und dann gab es da noch die Arbeit, Massen von Arbeit. Und die sind noch immer da. Aber davon will ich gar nicht erst anfangen …

Literatopia: Wie lange hat es von der Idee zur ersten Umsetzung gedauert? Geisterte der Gedanke an ein Indie-Autorennetzwerk schon länger im Raum herum? Oder entzündete sich am ersten Funken sofort ein Flächenbrand?

Susanne Gerdom: Flächenbrand trifft es genau. Ich habe Mitte Februar die Webseite aufgesetzt. Gleichzeitig haben wir angefangen, KollegInnen anzusprechen, ob sie Lust haben, mitzumachen. Das zog dann rasend schnell seine Kreise. Am ersten Mai konnten wir schon online gehen und seitdem wächst Qindie in rasendem Tempo. Wir haben alle in der hektischen Zeit vor dem Start und in den nicht minder hektischen Wochen danach wenig geschlafen, viel gemailt, sehr viel gefacebookt, geskyped, telefoniert und die Köpfe qualmen lassen. Am Starttag hatten wir fast 9.000 Besucher auf der Seite, inzwischen sind es immerhin jeden Tag zwischen 500 und 800. Dafür, dass wir keinen Werbeetat hatten und den Launch aus eigenen Kräften stemmen mussten, sind das erstaunliche Zahlen, die zeigen, dass Qindie offensichtlich einen Nerv trifft.

Kay Noa: Wir hatten bei der Planung relativ schnell eine grobe Idee vor Augen. Mehr als ein Autorennetzwerk, mehr als noch eine Buchplattform, keinen Verlag, kein Autorenforum oder Rezensionsblog. Sondern was Neues, Qindie eben. Und seither basteln wir tagtäglich an dem, was Qindie werden soll. Eine Heimat für gute Bücher und ihre Eltern. Die echten, die an der Zeugung beteiligt waren, all die Autoren, Lektoren, Cover-Designer etwa, und natürlich auch die Adoptiveltern, die sie dann ins Regal stellen.

Horus W OdenthalHorus W. Odenthal: Ich kam etwas später dazu. Und hatte das Gefühl in eine Woge hineingeraten zu sein. Und dass ich genau in diese Woge hineingehörte. Ich fand es ganz erstaunlich, wie sehr hier Menschen zusammenpassten, ihre Fähigkeiten ineinandergriffen und wie schnell etwas gemeinsam gestemmt werden konnte, bei dem es gut war, dass man gar nicht die Zeit hatte, darüber nachzudenken, ob und in welcher Zeit man es für machbar hielt. Irgendwie ist das alles einfach passiert und hat uns mitgerissen und niemand hat sich Gedanken über die Zeit und die Kräfte gemacht, die es gekostet hat. Irgendwann nachts, kurz vor dem Zusammenbruch, habe ich dann mal wieder aus vollem Herzen meinen Schlachtruf angestimmt: "Q. My tribe. Proud as hell." Und das traf es auf den Punkt. Ich war wirklich stolz, Teil dieser Sache und dieses Kreises von Leuten zu sein, und das hat wahrscheinlich jedem von uns immer wieder Kraft gegeben.

Und diese Menschen sind nicht nur tolle Mitarbeiter. Je mehr ich mich umschaute, umso mehr wurde mir klar: Ich befinde mich hier unter wirklich hochkarätigen Autoren. Umso mehr freut einen dann natürlich der Erfolg.  

Literatopia: Welche Autoren sind bei Qindie willkommen? Und wer muss draußen bleiben?

Simone Keil: Grundsätzlich sind alle AutorInnen willkommen, die ihre Bücher (zumindest teilweise) selbst verlegen und die professionell arbeiten. Sprich: Grammatik und Rechtschreibung müssen okay sein, Cover und Layout professionell erstellt. Genau die Punkte prüfen alle Mitglieder bei einer Bewerbung und stimmen über die Aufnahme ab. Wer diese Standards nicht erfüllt, bekommt die Tür aber nicht vor der Nase zugeschlagen, sondern kann sich auch bei einer Ablehnung schon im Forum beteiligen und sich Hilfe von Profis suchen, um sein Buch auf das nötige Level zu bringen.

Kay Noa: Wir haben gemeinsam mit unseren Qindies ein paar Kriterien erstellt, die bei den Abstimmungen als Orientierungshilfe zur Verfügung stehen und uns auch zur Kontrolle dienen, damit es etwas gleichmäßig zugeht. Es ist erstaunlich und ich wollte es nicht glauben, aber die von Susanne so vehement beschworene Schwarmintelligenz funktioniert dabei tatsächlich. Aber die erwähnt sie bestimmt selbst auch noch. Das macht sie nämlich immer.

Horus W. Odenthal: Wir möchten alle freien und selbstbestimmten Autoren unterstützen, die sich selbst professionelle Ziele und Standards setzen, und wir freuen uns darauf, sie in unsere Reihen aufzunehmen, um miteinander wachsen und gedeihen zu können. Dazu gehört es, inhaltlich offen zu sein und einander jede mögliche Form der Hilfestellung zu geben.

Susanne Gerdom: Wer auch immer sich zutraut, das Projekt "Buch" allein zu stemmen und seine Arbeit professionell angeht, ist uns willkommen. Wir helfen uns gegenseitig, wir tauschen uns aus, wir sprechen über Distributoren, eBookherstellung, Tücken der Zeichensetzung und wie unsere Protagonisten sich gerade mal wieder danebenbenehmen ... alles in allem eine ganz normale Autorenvereinigung, nur, dass wir uns nicht wie das Syndikat oder DeLiA auf ein Genre beschränken.

Ich glaube, das globale "du kannst hier nicht rein"-Argument ist das der mangelnden Professionalität. (Die sich in der Regel auch in einem schlampigen Umgang mit dem Handwerkszeug äußert.) Wer glaubt, dass fehlerbehaftete Produkte einfach so auf den Markt geworfen werden sollten und sich darüber hinaus kritik- und beratungsresistent zeigt, ist ein Amateur und für Amateure gibt es genügend andere "Peer-Groups" im Netz. Da sind wir halt nicht die Richtige.

Und was die "Schwarmintelligenz" angeht: Das Wort erwähne ich nicht mehr, dafür hab ich schon genug Dresche bekommen. Wobei ich wirklich glaube, dass man eine Gruppe von intelligenten Menschen und Profis zusammen etwas entscheiden lassen kann und dabei dann auch etwas Kluges herauskommt. Der  in diesem Zusammenhang oft zitierte Ausspruch von Pratchett, nach dem der Intelligenzquotient einer Gruppe dem IQ des Dümmsten geteilt durch die Anzahl der Gruppenmitglieder entspricht,  trifft in unserem Falle wahrscheinlich einfach nicht zu.

Kay Noa: Wir möchten darüber hinaus aber auch Leser und Autoren verbinden, Lektoren und Coverdesigner, Buchblogger und einfach alle Buchmenschen, die mit dem Gedanken an eine selbständig und ohne Verlagsprogramme geprägte Literaturlandschaft spontan an etwas Bunt-Farbenfröhliches denken und nicht an Anarchie und Untergang. Je mehr, desto besser. Wir sind prinzipiell für alle offen, die offen sind und hören uns alle an, die mit uns reden wollen.

Literatopia: Wie wird man überhaupt Qindie-Autor? Und welche Möglichkeiten bietet Euer Netzwerk potentiellen Qindies?  

Simone Keil: Qindie-Autor wird man, indem man eine E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! schickt und sich mit einem seiner Bücher bewirbt. Fällt die Abstimmung positiv aus, darf das betreffende Cover mit dem Qindie-Logo geschmückt werden und man bekommt Zugang zum internen Bereich des Forums. Dort finden die Abstimmungen statt, aber auch der Austausch zwischen den Autoren, Partnern (Coverdesigner, Lektoren, Korrektoren usw.) und den Bloggern und Lesern. Man hat also Zugriff auf einen Pool aus Erfahrungen und professionellen Helfern und kann direkt Kontakte zu Rezensenten knüpfen.

Auf unserer Website bekommt jeder Autor eine Seite, auf der er sich und seine Bücher vorstellen kann, des Weiteren werden die Bücher im Bücherregal in die passenden Kategorien einsortiert. Wir bieten den Autoren auch an, für ihre Bücher zu werben, indem sie Gewinnspiele auf der Website veranstalten, die wir auch in den Sozialen Netzwerken promoten. Wir unterhalten zum Beispiel zwei Facebook-Seiten, eine, auf der Bücher und Rezensionen vorgestellt werden, und eine zweite, die ohne direkte Werbung auskommt. Auf dieser findet man Kolumnen, Interviews und Infos, aber auch dort finden Buchverlosungen statt. Es dürfte also für jeden Anspruch das passende Angebot vorhanden sein. Wir freuen uns aber immer über Anregungen und Kritik, um unser Angebot zu verbessern und auf die Leserwünsche auszurichten.

Lesern und Rezenten bieten wir die Möglichkeit sich ebenfalls an den Abstimmungen zu beteiligen und Kontakte zu Autoren zu knüpfen. Wir veröffentlichen Rezensionen und auch Blogger bekommen eine eigene Seite, auf der sie sich und ihren Blog vorstellen können. Das Gleiche gilt für unsere Partner. Das Zauberwort heißt Vernetzung und zwar im großen Stil, so dass jeder das für ihn Passende finden sollte.  

Marny Sep12 300xSusanne Gerdom: Dieser komplette "Service" kostet unsere Autoren keinen Cent, wir arbeiten alle ehrenamtlich an diesem Projekt. (Helferlein sind übrigens herzlich willkommen!) Gleich nach unserem Start haben wir schon die erste Kooperation angeboten bekommen, und zwar mit Neobooks. Wir etablieren, was Neobooks braucht: Einen Filter für Indie-Produktionen. Weitere Kooperationen sind gerade im Gespräch.

Kay Noa: Ich habe vorhin gesagt, mit dem „Q“ wollen wir den Lesern die Angst vor Self-Publishing nehmen. Das gilt genauso für die Autoren. Viele trauen sich an dieses Abenteuer nicht heran – und da hilft Qindie weiter. Mit Rat und Tat in einem starken, zuverlässigen Netzwerk. Wer sich einbringt, bekommt auch was zurück.

Literatopia: Wie ist die Resonanz bisher von Seiten der Autoren?

Simone Keil: Großartig! In der ersten Woche, nach dem Start am 1.Mai, hatten wir bereits über 100 Bewerbungen in unserem Postfach. Mittlerweile hat sich das relativiert, aber es gehen immer noch täglich zwischen einer und vier Bewerbungen ein. Wir sind sehr positiv an das Projekt herangegangen, aber dass die Resonanz so riesig ist, hätten wir nicht zu träumen gewagt.

Natürlich gibt es auch die Stimmen, die sagen: Brauchen wir nicht. Alles Quatsch. Unnötig. Der Markt reguliert sich von alleine. Die Meinung kann und darf man haben. Niemand ist gezwungen, sich an Qindie zu beteiligen. Qindie ist ein Angebot, kein Muss.

Die positiven Stimmen überwiegen aber bei weitem. Es ist gerade so, als hätte, vielleicht nicht gerade die Welt, aber doch die Indie-Welt auf Qindie gewartet. Wir sind immer noch geplättet von dem konstruktiven Feedback, dem Engagement der Autoren und den vielen, wirklich tollen Büchern, die man im Selfpublishing-Bereich findet, wenn man sie denn findet. Aber genau daran arbeiten wir ja auf Hochtouren.  

Der Presse?  

Susanne Gerdom: Wir haben bisher ausschließlich im lokalen Bereich Printmedien angesprochen, die auch sehr freundlich berichtet haben. Indie-Autoren sind (noch) kein Thema für überregionale Presseorgane. Das wird sich ändern. Und auch daran arbeiten wir. (Wir suchen übrigens noch jemanden, der Lust hat, uns in diesem Bereich zu unterstützen, wir sind alle Netizens und haben nicht die Erfahrung, wie man einen klassischen Presseverteiler aufbaut und pflegt.)  

Der Leser?  

Marny Leifers: Bisher kooperieren wir mit 30 Bloggern und Rezensenten, wir haben da überwiegend positive Rückmeldungen erhalten, in denen die Idee hinter Qindie begrüßt und unsere Wahrnehmung des Indie-Marktes bestätigt wird. Natürlich gibt es auch Stimmen, die selbstpublizierten Büchern jegliche Qualität absprechen oder sie als zweitrangig empfinden. Kritische Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge nehmen wir sehr ernst und überdenken bestimmte Themen erneut, um Änderungen zu erarbeiten und Qindie durch die gesammelten Erfahrungen zu verbessern.

Am Bekanntheitsgrad bei den Lesern, für die wir Qindie schließlich aufgezogen haben, müssen wir noch arbeiten. Anfangs haben wir uns auf dieAutoren konzentriert, damit wir unserem Zielpublikum auch Inhalte bieten können, jetzt kommt die für uns wichtige Etappe der Gewinnung von Lesern. Die Rückmeldungen waren da bisher positiv, auch wenn noch nicht so viele Leser zu uns gefunden haben. Wir arbeiten dran. :-)  

Susanne Gerdom: Mein Kerngedanke bei der Gründung dieser Initiative galt den Lesern. Ich habe zu viele Rückmeldungen bekommen, dass Leser sich von der Flut der unlektorierten, schlecht formatierten, inhaltlich suboptimalen SP-Bücher abgeschreckt fühlen und deshalb von vorneherein jedes selbstpublizierte Buch ablehnen. Dagegen wollte ich etwas unternehmen. Die Leser sind unsere Zielgruppe, die Autoren und Partner sind "nur" die Zutaten. *g*

Kay Noa: Während Blogger und Autoren, also Menschen, die sich nicht nur mit dem Angebot, sondern auch dem Markt an sich befassen, durchaus erkennen, wie sich durch das Self-Publishing im Guten wie im Schlechten die Rahmenbedingungenverändern, Denen war sofort klar, worauf wir mit dem „Q“ hinaus wollten. Lesersind da zunächst weniger reflektiert. Die Entwicklungen, die durch die zunehmende Monopolisierung durch Großhändler und Publikumsverlage entsteht, können letztlich nur die Leser beeinflussen. Wenn ihnen wirklich an abwechslungsreicher, besonderer, ungewöhnlicher Literatur, an freier Auswahl aus einem breiten Angebot gelegen ist, müssen sie kritischer werden. Und auch da kann Qindie helfen. Deshalb wollen wir uns auch breiter aufstellen, nicht nur Selfpublishing, sondern eben Independent. Wir suchen selbstbewusste Autoren, die ihre Werkeselbstbestimmt ihren Lesern vorstellen können wollen.

Literatopia: Wie geht ihr mit zurückhaltenden Autoren um, die werbetechnisch eher unbegabt sind? Können introvertierte Autoren überhaupt erfolgreiche Indies sein? Oder gehört ein gewisses Maß an Selbstpräsentation dazu?  

Susanne Gerdom: Zurückhaltung ist keine Schande, aber natürlich muss man als SP ganz schön klappern, damit man seine Werke auch verkauft. Das ist der Spagat, den eher introvertiert veranlagte AutorInnen leisten müssen: Laut zu rufen, dabei aber niemanden zu nerven (Forenwerbung, Facebookpräsenz können als extrem nervig empfunden werden, wenn man das ungeschickt macht) und trotzdem die Welt darauf aufmerksam zu machen, dass man etwas zu sagen hat. Qindie soll jedem einzelnen von uns armen Schreibtischhelden dabei helfen, sich und seine Bücher auf angenehme, dezente und trotzdem wirksame Art sichtbar zu machen. Ich hoffe, dass uns das gelingt. (Na gut, angenehm und dezent war unser "Startvideo" vielleicht nicht gerade, aber dafür war es lustig.)  

Simone Keil: Dazu kann ich mal etwas aus der Sicher einer nichtoffensiven Autorin beitragen. *g Wenn man selbst veröffentlicht, muss man definitiv über seinen Schatten springen und auch auf Leser zugehen. Wenn man nur in seinem Arbeitskämmerlein sitzt und wartet, dass man gefunden wird, hat man schon verloren. Hat man das erst einmal versucht, dann stellt man aber schnell fest, dass das gar nicht so schlimm ist. Ich habe jetzt eine Blogtour hinter mir und eine Leserunde und das hat mir beides unheimlich viel Spaß gemacht. Und ich habe dabei supernette LeserInnen kennen gelernt. Für jemanden, der so etwas überhaupt nicht kann, bietet Qindie dieMöglichkeit, durch die Vernetzung ein wenig Sichtbarkeit zu erlangen. Wir veranstalten Gewinnspiele und bieten den Autoren die Möglichkeit, Beiträge für die Website zu verfassen, was auch immer gute Werbung ist. Natürlich wünschen wir uns auch im Forum den Austausch mit LeserInnen und BloggerInnen ...

Jetzt habe ich gerade festgestellt, dass die Antwort doch eindeutig ist: Als Indie-AutorIn muss man einfach den direkten Austausch suchen. Ein Netzwerk wie Qindie ist hilfreich, kann aber nicht alles leisten, man muss sich als AutorIn auch selbst einbringen.

Simone KeilKay Noa: Aber für diese Eigeninitiative bietet Qindie ein Team. Wir denken Marketingaktionen vor, basteln mit Hochdruck an neuen Konzepten, verhandeln mit Partnern… bereiten unseren Qindie-Autoren den Weg. Hilfe zur Selbsthilfe sozusagen. Aber miteinander ist das auch gar nicht so schlimm. Wir haben so viele Aufgaben, dass wir für jeden einen Platz im System finden. Mauerblümchen oder Rampensau – jedem Qindietierchen sein Plaisierchen.

Simone Keil: Über seinen Schatten springen muss man zwar immer noch selbst, aber es ist doch um einiges leichter, wenn man dabei Unterstützung hat. Und wenn man den ersten Hüpfer mal getan hat, fällt der zweite schon gar nicht mehr so schwer.

Literatopia: Von Verlagen abgelehnt, als Indie erfolgreich: oftmals werden gute Manuskripte wegen außergewöhnlichen Themen abgelehnt. Selbst publiziert funktioniert es trotzdem. Sollten sich Verlage weniger auf den Mainstream konzentrieren und verstärkt eigenwillige Ideen fördern?  

Marny Leifers: Als Leser würde ich mich über ein wenig mehr Mut bei den großen Verlagen bezüglich außergewöhnlicher Themen freuen. Oft ist es ja auch so, dass uns nicht viel zugetraut wird, also eher "einfache" Stoffe bevorzugt werden. Es gibt sicher viele Leser, die damit glücklich sind, aber eben auch noch andere wie mich, die gern von einem Buch gefordert werden und sich über Geschichten freuen, in denen man die grauen Zellen benutzen darf. Solche Storys gibt es auch in Verlagsbüchern, aber doch eher selten. Und bei manchen Themen, die mich sehr reizen, ist es einfach oft so, dass sie in der das-findet-keine-Leser-Ecke landen...  

Horus W. Odenthal: Dass die Publikumsverlage ihre Leser unterschätzen, das mag schon sein. Das gilt aber vor allem in den sogenannten "Genres". Wobei oft die Leute in den Redaktionen dafür kaum verantwortlich gemacht werden können. Viele von denen würden mit fliegenden Fahnen gerne bessere und intelligentere Bücher herausbringen. Leider geben andere, z.B. der Vertrieb und das Marketing, eine andere Richtung vor.

Aber das ist schon okay. Das gibt uns die Möglichkeit zu einem Zusammenleben und Ineinandergreifen. Und zu einer Erneuerung. Wo Verlage oft nicht mehr so frei agieren dürfen, da können wir als unabhängiges Qualitätsportal und selbstbestimmte Autoren greifen. Da können wir handeln und auch einen Wandel anstoßen.

Verlage sind nicht so sehr eine Konkurrenz für uns; sie sind eine Ergänzung. Und Bewegung und Ineinandergreifen funktioniert in verschiedene Richtungen. Zauberschulen-Fantasy für junge Leser war auch kein Trend, bevor J.K. Rowlings aus der Tiefe des Raums kam. Mut können wir freie Autoren ganz gut.  

Susanne Gerdom: Die Publikumsverlage konzentrieren sich lieber auf Masse, das heißt, da fallen Nischenthemen von vorneherein aus. Außerdem halten viele Verlage ihre Leser für leicht zu überfordern. (Ich teile diese Meinung gar nicht, aber da beißt sich die Autorin die Zähne aus.) Kleinere Verlage sind da oft mutiger, finden aber auch weniger Verbreitung. Der Flaschenhals sind die Buchhandlungen. Die großen Ketten interessieren sich nicht für Nischenprogramme, da geht es um "Stapelware". Und die kleinen Buchhandlungen haben in der Regel wenig Regalplatz und müssen zusehen, wie sie die Mischung aus Bestsellern (die das Brot bringen) und "Herzenstiteln" hinbekommen.

Das Ganze wird jetzt aber neu gemischt, das EBook ist gerade für Nischentitel, Sonderformate und "zu anspruchsvolle" Werke zu einer echten Alternative geworden. Der Markt wächst rasend schnell. Verlage wie Bastei-Lübbe, die sich um den Bereich EBook etwas liebevoller kümmern als die meisten anderen Publikumsverlage, verkaufen inzwischen schon 30% ihrer Toptitel als Elektronikbücher. Und das bei EBook-Preisen, die den Lesern schwer zu vermitteln sind ...

Es könnte sein, dass die Verlage im Rahmen des E-Publishing auch wieder etwas mutiger werden, weil das Risiko geringer ist, wenn von einem anspruchsvollen Titel nicht gleich eine ganze Papierauflage hergestellt werden muss ... :-)  

Horus W. Odenthal: Da spricht die Buchhändlerin äußerst besonnen und fachkundig. Übrigens ist es ja auch immer wieder schade, wenn ganze Genres, die als"abgefrühstückt" gelten, mal wieder bei den großen Verlagen rausfallen. Schade, auch besonders für das Publikum dieser Genres, die sich ja nicht von einem Moment auf den anderen in Luft aufgelöst haben können. Freie Autoren können da Abhilfe leisten. Freie Autoren – und damit Qindie – sind dem Leser verpflichtet und nicht einer wie auch immer gearteten Projektion des Marktes. Ich will meinem Leser etwas Gutes tun – nicht der Hierarchie über mir.

Kay Noa: Auch in Bezug auf die Distribution sind wir im offenen Dialog. Wie Susanne sagt, ändert sich der Markt durch die EBooks. Wir beobachten und diskutieren Chancen und Risiken. Und wir suchen nach neuen spannenden Wegen, die den Lesern, dem Handel und damit auch den Autoren gefallen.


Autorenfotos (von oben nach unten):

Susanne Gerdom: Copyright by Susanne Gerdom

Kay Noa: Copyright by Kay Noa

Horus W. Odenthal: Copyright by Horus W. Odenthal

Marny Leifers: Copyright by Marny Leifers

Simone Keil: Copyright by Simone Keil

Qindie-Webpräsenz: www.qindie.de

Homepage Susanne Gerdom: www.susannegerdom.de

Homepage Kay Noa: www.kay-noa.de

Homepage Horus W. Odenthal: www.horus-w-odenthal.de

Blog Marny Leifers: www.fantastische-buecherwelt.de

Homepage Simone Keil: www.simonekeil.com


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.