Alexandra Völker (11.09.2013)

Interview mit Alexandra Völker

alexandra voelker1Literatopia: Hallo Alexandra! Du gehörst zu den wenigen deutschen Mangaka, die bei einem großen Verlag veröffentlichen. Erzähl uns doch zuerst ein wenig über Dich! Wie bist Du zum Mangazeichnen gekommen?

Alexandra Völker: Mein Name ist Alexandra Völker, ich bin 27 Jahre alt und komme aus Hamm. Ich habe einen Bachelor in Kommunikation und bin zurzeit an der Folkwang in Essen eingeschrieben (Master-Studium Kunst- und Designwissenschaften). Manga-Zeichnerin bin ich seit meinem 18. Lebensjahr. Ich nahm mit 17 Jahren an einem Talentwettbewerb von EMA teil und wurde nach der Preisverleihung eingestellt. Seitdem zeichne ich nebenberuflich Manga-Bücher, für EMA und Carlsen.

Literatopia: Kürzlich ist bei EMA Dein Manga „Bloody Magic“ erschienen. Was erwartet interessierte Leser?

Alexandra Völker: Eine lustige Geschichte über ein junges Mädchen (Lina), welches ein schwerwiegendes Problem hat. Sie landet bei der sagenumwobenen Hexe Uschi und hofft auf eine Lösung. Nur hat sie NACH dem Besuch im Magic-Shop noch mehr Probleme als vorher ;-).

Vielmehr möchte ich an dieser Stelle auch nicht verraten, da „Bloody Magic“ nur ein Einzelband ist. Der Leser kann sich aber auf viel Humor und schöne Kulleraugen freuen.

Literatopia: Die Charaktere in „Bloody Magic“ sind von Deinen Freunden inspiriert, die sogar Steckbriefe beigesteuert haben. Wie bist Du auf die Idee gekommen?

Alexandra Völker: Die besten Geschichten schreibt das Leben, seit meinem ersten Manga stehen viele Freunde und Bekannte "Pate" für Mangafiguren. Ich habe das bei „Catwalk“ (mein erster Manga) ausprobiert und bin dabei irgendwie geblieben. Und da ich viele talentierte und lustige Freunde habe, hoffe ich, dass ich das auch in Zukunft so beibehalten kann ;-).

Literatopia: Was sagen Deine Freunde dazu, dass sie in Deinem Manga auftreten? Insbesondere wenn ihnen die Rolle eines Widersachers zufällt?

Alexandra Völker: Natürlich sind alle Charaktere mit den Mädels (und Jungs) abgesprochen und die Leute freuen sich RIESIG, wenn sie sich im Buch sehen! Ich habe jetzt schon eine Liste mit Anfragen für den nächsten Band ;-), wer will sich denn nicht als eine fesche und karikierte Manga-Figur sehen? Als Widersacher stelle ich die Freunde sowieso nicht dar, wobei, das wäre vielleicht auch mal ganz lustig! Mal schauen, wer mich für den neuen Manga inspiriert ...

Literatopia: Wie würdest Du Deinen Stil einordnen? Welche Zeichner haben Dich inspiriert?

Alexandra Völker: „Sailor Moon“ ist die Serie, mit der ich groß geworden bin, auch mag ich die Werke von Arina Tanemura oder Kaori Yuki. Aus der Kunstszene haben mich Mucha und Dalí inspiriert, eine bunte und farbige Mischung also. Außerdem mag ich den Karikaturen-Stil, die kräftigen Linien, Akzente und Kontraste.

Den eigenen Stil einzuschätzen ist gar nicht mal so einfach. Ich zeichne zwar viel Manga, aber das ist nicht alles, was ich mache. Ich illustriere zum Beispiel für Bücher und Zeitschriften, dort ist der Zeichenstil völlig anders. Ich benutze gern Mischtechniken, Aquarell, Photoshop, da tun sich viele Möglichkeiten auf. Auch in Zukunft möchte ich gern vielseitig arbeiten und neue Projekte ausprobieren.

Literatopia: Wie hat sich Dein Stil seit „Catwalk“ (2006) verändert?

Alexandra Völker: Die Gesichter sind rundlicher geworden, die Augen größer und die Kleidung aufwändiger. Nach 6 Mangabüchern hat man inzwischen einen besseren Blick für die Seitenaufteilung und kann den Lesefluss besser lenken. Jetzt arbeite ich auch viel mit Photoshop und kann die Rastertechnik verfeinern, trotzdem zeichne ich viel per Hand, also mit gängigen Materialien (PITT-Artist-Pens von Faber-Castell, oder Tusche, Eddinge, …) Aber ich bin noch lange nicht da, wo ich sein möchte, ich übe täglich an meinem Stil. In der Kunst lernt man sowieso nie aus, ich bin gespannt, was ich in Zukunft für mich entdecken werde.

Literatopia: Hast Du Kontakt mit anderen deutschen Mangaka? Und wie beurteilst Du die Entwicklung der deutschen Mangakultur?

Alexandra Völker: Wir Manga-Zeichner unter Vertrag kennen uns alle, stehen auch in Kontakt. Das ist für Absprachen sehr wichtig und etwas Hilfe von Kollegen ist allemal gut! Besonders in der Abgabephase bin ich froh, wenn ich die technischen Fragen abklären kann, auch Rastermöglichkeiten und Ausmaltechniken, da helfen wir uns auch oft und steuern Tipps bei. Zudem ist es schön, die Kollegen auf den Manga- und Buchmessen zu sehen, da signiert es sich gleich doppelt so schnell.

Mit der Entwicklung der deutschen Mangakultur bin ich bis jetzt zufrieden. Klar könnte es mehr sein, also mehr Beachtung, mehr Interesse, das wünscht man sich wohl in jedem Bereich. Aber die Zeichner geben alles und schaffen tolle Projekte, trotz Arbeit, Studium, Ausbildung. Die Szene wächst und gedeiht, und Nachwuchszeichner gibt es allemal.

VOELKER Bloody Magic Bild ZeichnenLiteratopia: Können deutsche Manga (hierzulande) eine echte Konkurrenz für die asiatischen Titel werden? Bisher scheint es, als würden deutsche Veröffentlichungen im Vergleich zu den japanischen Größen wenig beachtet werden. Wie sind Deine Erfahrungen?

Alexandra Völker: Der japanische Manga-Markt ist völlig anders aufgebaut, ich würde nicht einen direkten Vergleich ziehen wollen. Allein die Verkaufszahlen schauen anders aus, in Japan sind Manga seit Jahrzehnten ein Renner und erfreuen sich größter Beliebtheit, der Absatz ist enorm.

Die Manga aus deutscher Feder sind oft nur für das hiesige Publikum bestimmt. Viele Geschichten werden sogar direkt in Deutschland angesiedelt, was ich besonders schön finde. Deutsche Zeichner arbeiten fast immer allein an dem Projekt, es gibt keine vom Verlag bezahlten Assistenten und so schafft man oft nur einen Band pro Jahr, immerhin hat ein Manga 180 Seiten.

In Japan ist das Manga-Zeichnen vielmehr eine Teamarbeit, so werden mehrere Bände pro Jahr ermöglicht. Bereits vor der Erscheinung als Taschenbuch wird ein Manga kapitelweise in wöchentlichen Magazinen abgedruckt, das sorgt für jede Menge Werbung! Und dann gibt es noch die Verfilmung eines Manga, den Anime. Wenn der Anime gut läuft, gibt das der gedruckten Version noch einmal einen Ruck und die Verkaufszahlen steigen erneut. Und dank den Animes wird dann das Ausland auf die Serie aufmerksam, so werden japanische Manga (manchmal auch der Anime) nach Deutschland geholt.

Den deutschen Zeichnern stehen keine großen Animations- und Merchandisingfirmen zur Verfügung, die für eine internationale Bekanntheit enorm wichtig sind. Hier läuft alles um ein Vielfaches kleiner und "häuslicher", einen Anime gibt es von deutschen Manga leider noch nicht.

Trotzdem schlagen sich die deutschen Zeichner gut, die Leser sind nachsichtig und treu. Ich hoffe, dass die deutsche Manga-Kunst auch in Zukunft bestehen bleibt.

Literatopia: Würdest Du sagen, es gibt so etwas wie einen „deutschen“ Mangastil? Inwiefern unterscheiden sich deutsche Publikationen von asiatischen?

Alexandra Völker: Manga und Comic sind für mich gleich und bilden einen Teil der KUNST. Und in der Kunst sind alle Stile möglich und erlaubt ;-). Oft sehe ich GAR keinen Unterschied zu den japanischen Vorbildern, viele deutsche Zeichner trennen sich auch von der festen Manga-Sicht und probieren etwas völlig Neues aus, diese "Manga" finde ich persönlich viel spannender! Die deutschen Werke haben eine gute Entwicklung hinter sich, jeder Zeichner schafft seine eigene Richtung.

Literatopia: Du gibst regelmäßig Workshops für angehende Mangaka – wie läuft so eine Veranstaltung ab? Und was sollten Mangazeichner Deiner Meinung nach unbedingt beachten?

Voelker MangaseiteAlexandra Völker: Von der Manga-Kunst ist es fast unmöglich zu leben, deswegen ist es wichtig, dass man eine Ausbildung, oder ein Studium beginnt. Das ist das Wichtigste, was ich in den Kursen vermitteln möchte, denn es gibt tatsächlich sehr viele Jugendliche, die von der großen manga-Karriere träumen. Das ist auch völlig OK, nur muss man auch etwas realistisch bleiben. Zudem bringe ich den angehenden Zeichnern bei, wie man Manga-Figuren zeichnet, einen Manga beginnt (Manga-Seiten, Kurzcomic) und anständig schraffiert. Es kommt immer drauf an, wie lange ein Kurs dauert. Es gibt Schnupperkurse, da schafft man natürlich nicht ganz so viel, als wenn man drei Tage hintereinander durchzeichnet. Aber einen kleinen Einblick möchte ich den Teilnehmern schon vermitteln.

Dieses Jahr habe ich noch das Thema Aquarell ins Programm genommen. Manga sind schwarz/weiß, aber es gibt genug farbige Bilder, wo man sich austoben kann. Mit vielen Teilnehmern bleibe ich auch nach den Kursen in Kontakt und beobachte, wie sie sich weiter entwickeln. Man wächst mit seinen Kursteilnehmern, ihre Kritik und Anmerkungen helfen mir ebenfalls weiter. Und junge Teilnehmer können brutal ehrlich sein ;-).

Literatopia: Wie viele Manga tummeln sich in Deinem Bücherregal? Welche Genres liest Du gerne? Und hast Du vielleicht Lieblingsreihen, die Du unseren Lesern ans Herz legen möchtest?

Alexandra Völker: Oha, ich habe vor Jahren aufgehört meine Manga zu zählen, außerdem ist es hier ein "Kommen und Gehen". Ich verkaufe sehr oft Manga für einen guten Zweck, denn würde ich ALLE Bände behalten, bräuchte ich ein eigenes Zimmer für die Bücherkartons. Viele neue Serien werden mir von der Redaktion empfohlen, inzwischen schaffe ich nicht mehr, den Überblick zu behalten. Es gibt viele Verlagshäuser, die Manga im Sortiment haben und auch die Buchhandlungen machen da prima mit. Schön zu sehen, wie sich der Absatz entwickelt hat, Manga kann man inzwischen fast überall kaufen. Ich mag die typischen Shoujo-Manga, also Werke für ein weibliches Publikum, der Zeichenstil soll nach Möglichkeit fein und dynamisch sein.

Bei Büchern schaut es wieder anders aus, da mag ich Fantasy und Dark Romance, Krimis ebenfalls. Ich brauche eine gute Abwechslung, das entspannt und macht kreativ. Ich kann euch die Serie „Sailor Moon“ empfehlen (wurde kürzlich neu aufgelegt) und „XXXHolic“ von der Zeichnergruppe CLAMP, das sind die Bände, an denen ich nach wie vor sehr hänge. Die Zeichenstile können unterschiedlicher nicht sein, aber wie gesagt, eine gute Abwechslung ist mir wichtig.

Literatopia: Auch Du wurdest damals von Naoko Takeuchis „Sailor Moon“ mit dem Mangavirus infiziert. Was hat Dich an der schönen Mädchenkriegerin fasziniert? Und wie denkst Du heute über den Shoujo-Klassiker?

Alexandra Völker: Ich habe „Sailor Moon“ seit der Grundschule geschaut (die Animeserie) und mochte die großen Augen, die wallenden Haare und die ganze Dynamik! Außerdem gab es gut aussehende Gegner und spannende Geschichten. Ich habe „Sailor Moon“ bis heute sehr gern und freue mich riesig auf die Neuverfilmung, welche Jahresende in Japan startet.

dark magicIch würde mir sogar die Animeserie erneut anschauen, wenn die Neuverfilmung nach Deutschland geholt wird. Über den Inhalt von „Sailor Moon“ kann man streiten, aber mich hat die Serie als Kind gepackt und gäbe es „Sailor Moon“ nicht, würde ich heute keine Manga zeichnen. Also ja, ich stehe nach wie vor zu „Sailor Moon“ ;-).

Literatopia: Auch Du bist in den Social Media vertreten – trittst Du dabei mit Deinen Fans in einen Dialog? Oder reicht die Zeit nur, um wichtige Informationen zu verbreiten?

Alexandra Völker: Früher habe ich tatsächlich viele handgeschriebene Fanbriefe bekommen, im modernen Zeitalter ändert sich das. Ich bemühe mich stets auf die vielen Mails und Nachrichten zu antworten. Seit der sechste Manga auf dem Markt ist, ist die Anzahl der Post leicht explodiert ;-). Da wird es schon schwieriger, den Überblick zu behalten! Aber ich bemühe mich von ganzem Herzen. Meine Leser sind auch wirklich süß, sie malen mir oft Bilder zu meinen Figuren und machen Fotos von den Manga-Bänden, die sie von mir kaufen und ins Regal einordnen. Der Kontakt ist mir also sehr wichtig und ich freue mich über jede Post!

Literatopia: Auf Messen und Veranstaltungen kann man sich von Dir eine persönliche Signatur mit Bild abholen. Wo warst Du schon? Und gibt es besondere Erfahrungen, von denen Du uns erzählen würdest?

Alexandra Völker: Pro Jahr habe ich 40 Veranstaltungen (mal mehr, mal weniger, wegen dem Studium bin ich etwas eingeschränkt), also Manga-/Buch-/Japamessen und Workshops. Ich freue mich jedes Jahr besonders auf die AnimagiC in Bonn, das ist die größte deutsche Messe für Japan und Manga. Oft kommen zu mir Leser, die sich als meine Mangafiguren verkleidet haben, das finde ich besonders süß und freue mich jedes Mal RIESIG!

Literatopia: Woran arbeitest Du gerade? Können Leser auf viele weitere Manga von Dir hoffen?

Alexandra Völker: Zuerst warte ich noch ab, wie die Resonanz auf den aktuellen Manga ist, aber eine Idee für ein neues Buchprojekt habe ich jetzt schon!

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Alexandra!

Alexandra Völker: Gern geschehen, ich fühle mich geehrt ;-)

 

Voelker Mangaseite Doppel

 


Autorenfoto und Bildmaterial: Copyright by Alexandra Völker

Autorenhomepage: www.xela-city.de

Rezension zu "Bloody Magic"


Dieses Interview wurde von Katja Bürk und Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.