Wagner (Andreas Völlinger, Flavia Scuderi)

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Verlag: Knesebeck (Juni 2013)
Hardcover, 48 Seiten, 19,95 Euro
ISBN-13: 978-3-86873-588-8

Genre: Historik, Musik, Kunst, Politik, Biographie


Klappentext

Genialer Künstler
Revolutionär
Antisemit
Bejubelter Komponist
Wagners Leben war unstet und widersprüchlich: Seine Musik und er selbst werden bis heute feurig verehrt. Die Biografie dieser Ikone der Musikgeschichte wird hier in lebendigen Bildern erzählt, die durchzogen sind von Wagners kreativer Kraft und seinem musikalischen Wirken.


Rezension

Richard Wagner-ein Name, der aus der Geschichte nicht mehr wegzudenken ist. Politischer Revolutionär und musikalisches Genie, das damals wie heute gefeiert wird, wie kaum eine andere Ikone der Klassik. Seine Opern sind weltberühmt und stellen für noch so manchen Dirigenten eine schwierige Aufgabe dar. Oftmals kennt man das ein oder andere Stück, doch wer war Wagner wirklich und wie wurde er zu dem, der er war? Auf diese und noch viele andere Fragen findet Wagner, von Völlinger und Scuderi, eine in vielerlei Hinsicht nennenswerte Antwort.

Im Jahre 1983 wurde Wagners 100. Todestag weltweit gefeiert. Neben allen Huldigungen, klangen zudem aber auch Misstöne gegen seine Person an, denn oftmals wird er als Antisemit und verbissener Nationalist abgestempelt. Verstärkt wird die Ansicht durch seine im Jahre 1850 publizierte Abhandlung "Das Judentum in der Musik", das er zunächst unter dem Pseudonym K. Freigedenk veröffentlichte. Es mag auf ihn zutreffen, doch galt er nicht als jemand, der anderen Menschen das Leben absichtlich erschwerte. So unterhielt er viele wichtige, berufliche Beziehungen zu jüdischen Persönlichkeiten, wie beispielsweise Hermann Levi, der seinerzeit von Wagner die Aufgabe bekam, den Parsifal zu leiten und dies mit Bravour und Anerkennung der meisten Kritiker tat. Wagner selbst war ein Mensch, der einen Großteil seines Erfolges auch hochrangigen Gönnern zu verdanken hatte, da er als politischer Flüchtling oftmals am Rande der Armut sich nicht mehr zu helfen wusste und Schulden über Schulden anhäufte. Seiner großartigen Schaffenskraft, seinem Charme, seinem Charisma und seinem Talent erlagen schließlich nicht nur zahlreiche Frauen. Früher oder später wurde Richard Wagner jedem ein Begriff.

Seine Geschichte ist in vielerlei Hinsicht komplex und kaum in langen wissenschaftlichen Abhandlungen darstellbar. Trotzdem haben sich Völlinger und Scuderi ein Herz gefasst und Wagners Leben auf 48 Seiten dargestellt. Erzählt wird die Geschichte des Komponisten aus der Sicht des Hans von Bülow, der zu einem Schüler des Meisters wurde und das Dirigentenhandwerk bei ihm erlernte. Zwischen diesen beiden entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die später jedoch ihre Risse erfuhr. Trotzdem blieb Bülow ein glühender Verehrer Wagners, denn wie er selbst sagt: "Ich verfiel mit ganzer Seele der Musik...und gleichsam dem Mann, der dafür verantwortlich war" (S. 3-4).

Schon zu Beginn lernt der Leser einen vielseitig engagierten Richard Wagner kennen, der sich für einen Freistaat Sachsen auspricht und gegen die vorherrschende Aristokratie plädiert. Die ständigen Bemühungen für eine gesamtdeutsche Verfassung scheitern jedoch.  Wagner muss fliehen und gelangt zunächst in die Schweiz. Dort lebt seine Familie in ärmlichen Verhältnissen und hier nehmen erste antisemitische Züge ihren Anfang und münden in "Das Judentum in der Musik". Nachdem Bülow dem Ruf Wagners folgt und an die Züricher Oper als Dirigent Erfahrungen sammeln darf, verspürt der Komponist die Lust nach Großem und kreiert unter anderem die Idee für den Tannhäuser. Ruhm und Geld häufen sich wieder und sein Gönner Otto Wesendock schenkt ihm und seiner Familie sogar ein großes Anwesen. Eine schicksalshafte Begegnung ist die zwischen Bühlows Frau Cosima und Wagner. Beide verlieben sich ineinander und pflegen einen regen Briefwechsel, der wenig später zu einer Ehe und eigenen Kindern führt. Wagner zieht es über Venedig nach Wien, wo sein bekanntes Werk Tristan und Isolde aufgeführt werden soll. Doch kommt es nicht dazu, da die Proben schier unmöglich erscheinen. Es ist schließlich der junge bayerische König Ludwig II, der Wagner aus seinem dunklen Loch befreit. Des Meisters Weg führt über einige Etappen schließlich nach Bayreuth, wo er seinen lang gehegten Traum eines Festspielhauses verwirklichen möchte. Als wieder alles zu scheitern droht, hilft ihm Ludwig mit einem beachtlichen Kredit.

Die Darstellung von Wagners Lebensgeschichte und die seiner Opern ist ein Mammutprojekt der besonderen Art. Denn wie stellt man das Leben eines künstlerisch-musikalischen Genies dar, dessen Leben von bedeutenden Ereignissen und schicksalshaften Begegnungen nur so gepflastert war? Die Antwort ist mit dem Werk des Szenaristen Völlinger und der Zeichnerin Scuderi gegeben. Auf 48 Seiten wird die Geschichte des klassischen Großmeisters porträtiert und gerafft. Jeder wichtige Lebensabschnitt, beispielsweise Zürich, München und Bayreuth, wird geschickt in den Gesamtverlauf eingegliedert und mit Wagners charismatischer Präsenz verwoben. Politik, Musik und seine Liebe zu Cosima sind die Dreh-und Angelpunkte. Viele wichtige Bekannschaften werden erwähnt, auch beispielsweise die zu dem damals noch jungen Philosophen Friedrich Nietzsche. Es gibt in Bezug auf Wagner viel zu viel, das erzählt werden muss. Trotzdem schafft es Völlinger die Panels nicht mit Text zu überladen und kreiert eine gesunde Mischung aus Erzählung Bühlows und Dialog. Der Leser wird nicht mit einer gewaltigen Portion Text erschlagen und kann sich beim Lesen entspannt zurücklehnen. Obwohl die Szenarien mit Scuderis Zeichnungen abgestimmt sind, so bleibt anzumerken, dass der Comic, sofern er als biografischer Einstieg dienen soll, viel an Hintergrundwissen verlangt, besonders was die damaligen Lebensumstände angeht. Auch wäre ein Personen-und Ortsregister nützlich gewesen, denn im Laufe der 48 Seiten werden viele Orte und Namen genannt, die immer wieder eine Rolle spielen. Scuderis Zeichnungen sind sehr stimmungsvoll und lassen beim Betrachten der Bilder Wagners Musik im Hintergrund erklingen. Die Farben sind kräftig, aber nicht aufdringlich und passen sich der jeweiligen Stimmung Wagners oft an. Die Zeichnerin setzt viel auf markante Gesichtszüge, was ihr größtenteils unglaublich gut gelingt. Doch wäre an einigen Stellen die einen oder anderen Rundungen wünschenswert gewesen. Besonders erwähnenswert sind die nostalgischen schwarz-weiß Zeichnungen, die nach Wagners Tod angesetzt werden. So möchten einem nur die Worte imposant und majestätisch in den Sinn kommen.  Alles in allem verleihen sowohl Völlinger, als auch Scuderi Wagner eine Stimme, die endlich wieder in heutiger Zeit ertönt und hoffentlich Anklang finden wird.

Knesebeck hat mit Wagner einen kleinen Schatz in seinen Reihen, der nicht nur inhaltlich sehenswert ist. Die gesamte Aufmachung, mitsamt dem stimmungsvollen Titelbild, ist sehr aufwendig. Der Protagonist sticht beim ersten Blick hervor und führt den Leser auf ein mattes Grün, auf dem seine Opernkreationen dargestellt werden. Die Seiten sind alle in schwarz gehalten, was den Comic sehr edel erscheinen lässt. Nachteil hier ist nur die schnelle Bildung der Fingerabdrücke, die den ein oder anderen Liebhaber durchaus stören kann. Im Grunde genommen ist der Preis nicht nur wegen einer vermutlich geringen Auflage gerechtfertigt. Auch der Inhalt ist mehr als nur lesens-und sein Geld wert. Trotzdem dürften die rund 20 Euro beim Kauf abschrecken, da 48 Seiten hier vergleichsweise zu anderen Verlagen relativ teuer erscheinen. Als kleines Trostpflaster bzw. als perfekte Ergänzung zum Rest der Hardcoverausgabe, ist der üppige Bonusteil, mit Informationen zum Autorenteam und natürlich Wagner selbst.


Fazit

Sowohl Geschichtsinteressierte, als auch Laien werden ihre wahre Freude an diesem Feuerwerk musikalischer Kunst finden. Wer klassische Musik erleben möchte, wie sie leibt und lebt, sollte schnell zugreifen, denn unvergessliche Momente sind mit einer Portion Walküre im Hintergrund garantiert.


Pro/ Contra

+ Wagner als Protagonist authentisch und mitreißend
+ Höhen und Tiefen
+ berühmte Persönlichkeiten
+ Entstehung weltbekannter Opern
+ Szenario und Zeichnungen stimmen überein
+ stimmungsvoll, klassisch und markant
+ wunderschönes Hardcover
+ geeignet als Einstieg, Weiterbildung oder schlichter Lesegenuss

- fehlendes Personen-und Ortsregister
- schnelles Abzeichnen von Fingerabdrücken
- Preis etwas zu hoch
- Zeichnungen manchmal zu eckig

Bewertung: alt

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/ Leistung: 3,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Andreas Völlinger:

Rezension zu RIA – Same der Hoffnung
Rezension zu Burg Tollkühn Bd.1 

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Rezension zu Chaplin
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Tags: Biographie