Braumüller Literaturverlag 2011
Originaltitel: Má nejmilejší kniha (2009)
Übersetzt aus dem Tschechischen von Julia Koudela-Hansen-Löve und Christa Rothmeier
Gebunden, 400 Seiten
€ 22,90 [D] | € 22,90 [A] | CHF 32,90
ISBN: 978-3-99200-075-3
Genre: Belletristik
Rezension
Doktor Michael Vidal leitet eine Schlangeninstitut genannte Forschungseinrichtung in einer Metropole irgendwo in einem lateinamerikanischen Land, in dem die Macht in Händen der Drogenkartelle liegt. Vidal quält die Schlangen zum Wohle der Menschheit, gewinnt Antiserum und betreibt eine kleine, dem Institut angegliederte Klinik zur Behandlung von Schlangenopfern. Vidal ist zu Beginn der Geschichte tot und erscheint dem Beamten Yan als Geist. Yan nimmt an einer Rezeption im Institut tote und lebendige Schlangen aller Art an. Nebenher studiert er an einer Fernuniversität Kunstgeschichte und malt in seiner Freizeit. Die Indianerin Pajita kann mit Schlangen kommunizieren. Der Arzt Doktor Usw., so genannt nach seiner Lieblingsfloskel, bringt sie an Vidals Institut unter. Die Würgeschlange Haré, Gefangene im Institut, manipuliert Vidal. Sie erzählt aus ihrer Perspektive über das Institut und die Mitarbeiter. Haré hasst Vidal und will ihn töten, benötigt dazu aber Pajitas Hilfe. Pajita freundet sich an mit Pájaro de Nieves, genannt Vogel.
Stinkehugo, ein junger eleganter Arzt, wohnt im Haus hinter dem Institut. Hugos Freundin Pula ist die Tochter der bekannten Meeresbiologin Doktor Linda Valparaís. Pulas Vater ist, via Samenspende, Vidal. Pula ist eine Gangsterjägerin, die für die Bundespolizei arbeitet. Der Psychiater Doktor Otto Struncowski arbeitet im Auftrag des Gesundheitsministeriums in der Institutsklinik. Er soll dort den Gesundungsverlauf von Patienten mit Schlangenbissen überwachen. Otto ist schwul, mit Yan liiert und spricht im Traum mit Haré. In Bialystok und Jedwabne in Polen sucht er seinen Onkel und will die Urne seines Vaters beisetzen.
Ein Ich-Erzähler, der sich einführt als Namenloser, den man „Der, der tätowiert“ nennt, lebt in einem Slum, den die Narcos, Mitglieder von Drogenkartellen, beherrschen, und in dem sie sich blutige Machtkämpfe liefern. Um nicht den Neid seiner Mitmenschen auf sich zu ziehen, verzichtet er auf die Anhäufung materieller Güter, nimmt für seine Arbeit nur etwas zu Essen und Trinken. Er erzählt den Kunden Geschichten, um sie von den durch das Tätowieren verursachten Schmerzen abzulenken. Er lässt sich inspirieren durch ein Buch mit slawischen Märchen. Seine Erzählungen gehen ins Surreale, handeln gelegentlich von Träumen und ihrer Deutung, sind zart bis grausam, komisch bis tragisch. Er spinnt weniger einen roten Faden als ein Netz aus Lebensbeschreibungen, Zusammenhängen, Verweisen, geografischen Orten in Lateinamerika und Polen, Fluchtbewegungen der Charaktere. Dabei ist das Schlangeninstitut der zentrale Handlungsort, auf den Personen und Ereignisse ausgerichtet sind, und dennoch scheinen fast alle Fluchtbemühungen von dort ihren Ausgang zu nehmen. Die Personen im Institut sind zudem durch reale Erlebnisse und Träume mit Schlangen verbunden.
Die Welt, wie Pilátová sie beschreibt, ist verwirrend, und der einzelne Mensch vereinfacht und strukturiert, um sich in ihr zurechtzufinden. Dafür braucht er ein Symbolsystem, von dem ausgehend er sie zu verstehen sucht. Im Roman ist dieses Mythen übergreifend konstruiert. Die Geschichten sind universell, erzählen auch und vielleicht vor allem davon, wie vielfältig das Leid ist, das Menschen anderen Menschen und Tieren zufügen.
Fazit
Markéta Pilátovás Roman Mein Lieblingsbuch erzählt auf unterhaltsame und intelligente Weise aus dem Leben von Menschen, deren Schicksal vorherbestimmt ist.
Pro und Contra
+ in der Symbolik des Romans äußert sich eine Vielfalt von Werten und mythischen Vorstellungen
+ elegant gefertigter Erzählteppich aus Schicksalsfäden
o Freunde traditioneller Erzählmuster sollten vorher unbedingt einen Blick in das Buch werfen
Wertung: 
Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5