Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat (Gavin Extence)

Limes Verlag (März 2014)
Hardcover, 480 Seiten
ISBN 978-3809026334
€ 19,99 [D]

Genre: Fantasy


Klappentext

Eine Geschichte, die erzählt, wie besonders Freundschaft sein kann

Alex Woods ist zehn Jahre alt, und er weiß, dass er nicht den konventionellsten Start ins Leben hatte. Er weiß auch, dass man sich mit einer hellseherisch begabten Mutter bei den Mitschülern nicht beliebt macht. Und Alex weiß, dass die unwahrscheinlichsten Ereignisse eintreten können – er trägt Narben, die das beweisen.

Was Alex noch nicht weiß, ist, dass er in dem übellaunigen und zurückgezogen lebenden Mr. Peterson einen ungleichen Freund finden wird. Einen Freund, der ihm sagt, dass man nur ein einziges Leben hat und dass man immer die bestmöglichen Entscheidungen treffen sollte.

Darum ist Alex, als er sieben Jahre später mit 113 Gramm Marihuana und einer Urne voller Asche an der Grenze in Dover gestoppt wird, einigermaßen sicher, dass er das Richtige getan hat …


Rezension

Nach dem ersten Kapitel weiß man bereits, wie die Geschichte über die Freundschaft zwischen Alex Woods und Mr. Peterson enden wird. Daraus macht Gavin Extence keinen Hehl. Denn der Weg ist das Ziel und die Frage ist also nicht, was passiert sondern wie es passiert. Und dieser rote Faden zieht sich durch den ganzen Roman. „Das ungewöhnliche Leben des Alex Woods“ ist auf den ersten Blick recht einfach. Ein bizarrer und statistisch gesehen beinahe unmöglicher Zufall bringt zwei Menschen zusammen: Ein Meteorit dringt in die Atmosphäre ein, ohne zu verbrennen, zieht einen Schweif über den Himmel, durchschlägt eine Hauswand irgendwo in England und trifft Alex am Kopf. Unbeschadet kommt der Zehnjährige nicht davon. Frontallappenepilepsie soll fortan sein ständiger Begleiter sein, was ihn an den Rand der Gesellschaft verbannt, zumindest im Kreise seine Mitschüler. Dieser Umstand bringt ihn letztlich mit Mr. Peterson zusammen, ein eigenbrötlerischer Amerikaner und Kriegsveteran, der zurückgezogen in seinem Haus lebt. Die Beziehung ist zunächst unfreiwillig und im höchsten Maße holprig, doch nach und nach entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft. Bis dahin ist die Geschichte überaus unterhaltsam und lustig. Die Dialoge, bestehend aus jugendlicher Naivität und lang antrainiertem Zynismus, bringen einen stets zum Lachen. Aber ansonsten hebt sich die Erzählung nicht weiter bemerkenswert hervor – vom Meteoriteneinschlag einmal abgesehen. Doch zur Mitte des Buches hin ändert sich das mit einem Schlag. Der Grund für das bekannte Ende wird offenbart und mit einem Mal sieht man sich mit allen moralischen und ethischen Fragen konfrontiert, die sich die Menschen schon seit dem Anbeginn der Zeit stellen und die bis zum heutigenTtage höchst brisant sind – womöglich sogar aktueller denn je.

Neben des offensichtlichen Themas der Freundschaft – deren möglichen Grenzen aber auch deren gelegentlichen Grenzenlosigkeit – geht es um das Leben. Den Weg von der Geburt bis zum unausweichlichen Dahinscheiden, den man nur einmal gehen kann und den man möglichst gut nutzen sollte. Aber es geht auch um den Tod. Die Angst davor, die Akzeptanz des unausweichlichen und die Art des Sterbens und daraus folgend auch die Frage, ob ein Freitod das Recht eines jeden Einzelnen ist. Das schöne ist, dass zu keiner Zeit dem Leser eine „richtige“ Meinung aufgezwungen wird. Es wird auch nie wirklich darüber debattiert, vielmehr ist der Roman wie ein Fallbeispiel, beim dem sicher der Leser im Laufe des Buches mit Alex Woods identifizieren muss. Je nachdem, was man von seinen Handlungen hält, merkt man automatisch, wie man diesen Themen gegenübersteht und setzt sich mit ihnen ganz nebenbei und doch intensiv auseinander.

Alex Woods ist jedenfalls ein toller Charakter und er erzählt die Geschichte auch aus seiner Perspektive. Das gelingt Gavin Extence so grandios, dass man immer wieder herauszufinden versucht, ob es Alex wirklich gibt und ob tatsächlich ein Meteorit diesen Jungen niedergeschlagen hat. Selten war ein Ich-Erzähler so lebendig. Besonders solche Leser, die wissen, wie schwer eine Kindheit sein kann, wie es sich am unteren Ende der Nahrungskette anfühlt, werden mit ihm sehr viel anfangen können. Dennoch hat man nie echtes Mitleid mit ihm, denn irgendwie steht er über den Dingen. Er ist reif für sein Alter und zugleich naiv, was zu den erwähnten urkomischen Dialogen mit Mr. Peterson führt. Dieser wiederum erscheint zu Beginn stereotyp. Der alte Mann, der sich zurückzog und seither grantig ist und Leute meidet, ist ein Standardbaustein in vielen Büchern und Filmen. Aber es dauert nicht lange, bis die Vorbehalte dahin schmelzen. Man versteht sofort, warum Alex sich mit ihm gut versteht, denn er nimmt ihn ernst und respektiert seine Ansichten und Meinungen. Eine Seltenheit in Alex’ Leben, dessen Mutter eine Esoterikerin ist und ihren Kunden Tarotkarten legt und aus ihnen liest. Kein echtes Problem, für den naturwissenschaftlichen Alex, aber eine komplett andere Welt, in der er sich nicht wohl fühlt. Immerhin gibt es noch seine Freundin Ellie, eher eine Randfigur, aber ein liebenswerter Charakter, der leider nicht mehr Raum bekommen konnte.

Unabhängig von seinen eigenen moralischen Vorstellungen und Meinungen zum Sinn des Lebens „Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat“ ist eine wahre Freude zu lesen und geht keinesfalls spurlos an einem vorbei. Am Anfang lustig und am Ende erwarten auch den emotional am schwersten zu berührenden Leser Tränen. Der Titel ist zugegebenermaßen interessant und verlockt zum Kauf, aber verspricht etwas Skurrileres. Und das hat dieses feinfühlige Werk eigentlich nicht nötig. Der Originaltitel „The universe versus Alex Woods“ funktioniert auf mehreren Ebenen und hätte – mal wieder – nicht geändert werden müssen.


Fazit

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat“ ist ein wundervolles Buch. Garvin Extence ist es mit seinem Erstlingswerk gelungen, auf lustige und leichte Art, die moralischen und ethischen Fragen des Lebens (und des Todes) zu thematisieren und zum Nachdenken anzuregen. Schön und traurig zugleich. Unbedingt lesen!


Pro und Kontra

+ sehr lebendige Charaktere …
+ … aufgrund eines leichten und lustigen Schreibstils
+ stellt indirekt die wichtigen Fragen des Lebens
+ geht nicht spurlos an einem vorbei
+ schöne Aufmachung

Beurteilung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5