Schmetterlingsnetzwerk Bd. 2 – Herr Mond (Cecil & Corbeyran)

Verlag; Splitter (September 2011)
Gebundene Ausgabe, 48 Seiten, 13,80 Euro
ISBN-13: 978-3868692877

Genre: Steam-Punk


Klappentext

Das Schmetterlingsnetzwerk, ein Untergrund-Kartell aus Dieben und Einbrechern, hat seine Prinzipien: Jedes Mitglied, das sich nicht an die Regeln hält, wird bestraft. Während eines Einbruchs entdecken zwei Mitglieder dieses Netzwerk, dass der hochangesehene Baron von Harcourd ein schmutziges Geheimnis hütet. Auf einem gestohlenen Filmstreifen ist zu sehen, wie Prostituierte gezwungen werden, bei perversen und blutigen Sexspielen mitzumachen. In einem ans 19. Jahrhundert erinnernden Ambiente machen sich die beiden Einbrecher Mücke und Eustache auf die Suche nach den Filmautoren. Sie müssen sich nicht nur mit dem Baron und dessen Komplizen herumschlagen, sondern auch mit der korrupten Polizei.


Rezension

Die Ereignisse nehmen im zweiten Band des Schmetterlingsnetzwerks deutlich an Fahrt auf. Der Leser erfährt etwas mehr aus der Vergangenheit der beiden Protagonisten Eustache und Mücke, die bei keinem wirklich glimpflich verlaufen ist. Außerdem ist Eustache mittlerweile auf der Spur eines Schatzes und meint Hinweise gefunden zu haben, die zu ihm führen. Welcher Art die Hinweise und der Schatz sind, gilt es dennoch herauszufinden, wobei die Lösung einerseits logisch, andererseits auch obskur ist. Zuvor ist dem Netzwerk bei Zibelines Rettung gelungen, einen Videobeweis mitgehen zu lassen, der so zu einer Gefahr für den Baron und seine mächtigen Kumpanen wird. Die Leitung der Ermittlung übernimmt der Chef der Polizei, der bekanntermaßen selbst Mitglied des perversen Zirkels ist. Das Band muss wiederbeschafft werden. Zwecks dessen wimmelt es in der Stadt nur so von Polizisten, die bis dato nicht wissen, dass das Kartell insgeheim über den Dächern agiert. Trotzdem wird es für Eustache und Mücke immer schwieriger ihre Freiheiten auszuleben. Hinzu kommt, dass sie nicht mehr immer einer Meinung sind und sich des Öfteren streiten. Für Mücke ist besonders Zibeline ein Dorn im Auge, da Eustache ihr zu viel Aufmerksamkeit schenkt und scheinbar seine Prioritäten verschoben hat. Was die beiden Freunde aber auszeichnet ist Loyalität und die zeigt sich eben auch in schwierigen Situationen. Mücke wird schwer verletzt. Eustache zögert keine Sekunde und eilt seinem Kollegen zur Hilfe. Hin und wieder bemerken beide nicht, wie die Kontrolle des Kartells ihnen aus der Hand gleitet, denn Zibeline hat ihren eigenen Kopf und bringt mit einer vermeintlichen guten Tat alle in arge Bedrängnis. Dabei ist die Ausgangsposition für Eustache und Mücke gar nicht so übel, da der Baron es langsam mit der Angst zu tun bekommt und durch seine kalten Füße für ihn voreilige und falsche Entschlüsse fasst.

Nach einem fulminanten ersten Band, der alles hält, was er in Bezug auf Steam-Punk versprochen hat, folgt nun der Zweite, der in vielerlei Hinsicht eine Schüppe drauf legt. Im Fokus stehen unter anderem viele private Nebengeschichten, die aber gut in den aktuellen Kontext eingebunden werden. Nichts wird isoliert behandelt; genau das macht den Fortschritt der Geschichte kompakt und reibungslos. Der Zeitpunkt, die Protagonisten näher zu beleuchten, ist gut gewählt, denn der Leser muss erfahren, warum Eustache und Mücke agieren und reagieren, wie sie es tun. Erstaunlicherweise steckt hinter allem eine faszinierende Logik, die große Empathie seitens der Leserschaft hervorrufen sollte. Eustache und Mücke zeigen immer mehr, dass sie keine Roboter sind, die nur für ihr Kartell leben. Der romantische Charakter des Steam-Punk entwickelt sich in beiden Männern immer weiter. Sie zweifeln daran, ob der Auftrag die Menschen von den Dächern aus zu schützen, das einzig Wichtige ist. Sie haben eine Pflicht und die kollidiert durchaus mit privaten Interessen. Mücke ist ähnlich wie Eustache verliebt, doch nicht in eine Frau. Er hängt an seiner Freiheit und es quält ihn zu sehen, dass genau das zu bröckeln scheint. Sinn- und Existenzfragen begleiten die Protagonisten, die nicht dahinter kommen, warum sich Schlag auf Schlag alles verändert. Zufall oder doch Schicksal. So recht weiß das niemand. Es macht Spaß den beiden zuzuschauen, wie sie sich individuell und gleichermaßen im Kollektiv weiterentwickeln. Die Geschichte wird nicht nur von zwei Personen getragen. Hin und wieder erscheinen auch Nebencharaktere, die für das Klima der Geschichte wichtig sind. So zum Beispiel der Arzt, der Mücke nach seiner Verletzung behandelt. In ihm lebt wahrlich der Steam-Charakter, was letztendlich nicht nur an seinem Werkzeug erkennbar ist. Seine Einstellung dem Leben gegenüber lässt tief blicken und Vergleiche zu Eustache und Mücke müssen nicht gezogen werden, da er die beiden ergänzt und in mancher Hinsicht bestärkt. In Herr Mond befindet sich alles auf einem Scheideweg und dann wieder doch nicht. Der Zwiespalt ist mehr als nur interessant und hinterlässt auf einigen Seiten ein sehr melancholisches Klima, das Platz zum Nachdenken gibt.

Die Autoren haben ein Szenario voller Emotionen abgeliefert, das auf jeder Seite spürbar zum Greifen ist. Nicht nur der gute Einsatz von Textpassagen versüßt die Atmosphäre, sondern auch die geschickten Zeichnungen, deren Stil das Zeitalter der Dampfmaschinen-Technologie neu aufleben lässt. Sehnsucht, Liebe und Gefahr schwingt mit jedem farbigen Strich mit und spielt die Melodie des Steam-Punks so gut, wie kaum eine andere Verbildlichung des noch relativ jungen Genres. Die Panels sind bunt, dennoch schlicht, was sie nicht aufdringlich werden lässt. Lautmalerisch wären sie als leise Farbtöne gut umschrieben. Weder Auge, noch Geist kann sich an ihnen satt sehen. Die Bilder geben Eustache und Mücke genau dann Aufmerksamkeit, wenn nötig und geben der Weiterentwicklung beider Männer die nötigen Anstöße. Der Zeichenstil ist ähnlich wie der Text komponiert, kompakt, dennoch offen für Gedanken und träumerische Ausflüge. Gar nicht genug loben kann man die geschickte Unterbringung der Rahmenhandlung um den Baron und seinen Komplizen, die aber Rahmenhandlung bleibt. Der Comic lebt von Atmosphäre und nicht von einem action-geladenen Inhalt. Ähnlich wie im Auftaktband ist ein stringenter roter Faden erkennbar, der sich seinen Weg zu einem würdigen Abschluss bahnt. Spekulieren oder nicht, das bleibt jedem selbst überlassen, doch sei ratsam abzuwarten und von Seite zu Seite zu leben. Hier und da warten unerwartete Überraschungen, die Vieles verändern können.

Splitter hat ein preisgerechtes Produkt abgeliefert, welches mit Fug und Recht als gute Fortsetzung bezeichnet werden sollte und sich in die Tradition des Steam-Punks einreiht. Bonusmaterial gibt es leider wieder keins. Gerade hier wäre es angebracht, da es interessant wäre zu erfahren, wie die Protagonisten und ihre Welt entstanden sind; oder ob sich das Autorenteam genauso viele essentielle Sinnfragen gestellt hat, wie so manch ein Leser. Ein Manko hat sich der Verlag dadurch nicht eingefangen. Es ist nur schade nach dem Ende des Handlungsabschnitts, auch das Ende des Albums festzumachen.


Fazit

Bei wem der Nachtfalter umherschwirrt, sollte Herr Mond auf keinen Fall außer Acht gelassen werden. Die Lektüre sollte fast als Pflicht durchgehen, aus der man als Leser noch das ein oder andere an Weisheiten ziehen könnte. Der zweite Band der Trilogie verdeutlicht, wie wichtig Steam-Punk geworden ist, - einerseits für Mentalität und andererseits für falsches Selbstverständnis des einzelnen Menschen.


Pro/Contra

+ Charaktere entwickeln sich
+ Zeichnungen tragen den Steam-Punk
+ Komposition ist einzigartig und regt zum Nachdenken an
+ Nebenschauplätze werden weder überbewertet, noch ganz außer Acht gelassen

- kein Bonusmaterial

Bewertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere:5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/ Leistung: 4,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Cecil und Corbeyran:

Rezension zu Das Schmetterlingsnetzwerk Bd.1 - Nachtfalter
Rezension zu Das Schmetterlingsnetzwerk Bd.3 - Stigmata