Welt in Flammen (Benjamin Monferat)

Wunderlich (August 2014)
gebunden, mit Schutzumschlag und Leseband
784 Seiten,  € 22,95
ISBN: 978-3-8052-5069-6

Genre: Historik


Klappentext

Der Himmel im Osten war flüssiges Feuer.
Mai 1940: Deutsche Panzer rollen westwärts. Während in Paris die Angst um sich greift, bricht der Simplon Orient Express ein letztes Mal nach Istanbul auf. An Bord des Zuges eine schicksalhafte Reisegesellschaft. Jeder der Fahrgäste mit einem ganz eigenen Grund, diese letzte Fahrt unter allen Umständen anzutreten: Ein Balkanfürst will die Herrschaft über sein Land zurückfordern. Seine jüdische Geliebte fürchtet um ihre Liebe – und um ihr Leben. Ein deutscher Spion setzt alles daran, sie zu beschützen. Ein russischer Großfürst ist auf der Flucht, die Sowjetmacht ihm längst auf den Fersen. Eine Stummfilmdiva fürchtet das Vergessenwerden mehr als den Krieg. Ebenfalls an Bord – Agenten aller kriegführenden Mächte. Was niemand ahnt: Im Zug befindet sich etwas, nach dem Hitler seine Truppen in ganz Europa suchen lässt. Die Fahrt steht von Anfang an unter einem schlechten Stern. Jeder Grenzübertritt kann das Ende bedeuten. Jeder der Passagiere fürchtet den nächsten Tag. Schließlich bricht Feuer aus. Und während Europa in Dunkelheit versinkt, rast der Express als lodernde Fackel durch die Nacht ...


Rezension

Nicht zum ersten Mal stellt der legendäre "Orient Express" die Bühne für eine fiktive Erzählung dar - der heimliche Hauptdarsteller in einer solchen war er indes vermutlich noch nicht, zumindest nicht in jenem Ausmaß, mit dem Monferat dem Leser eine detailiertes Bild dieses luxuriösen Zuges malt. Und auch die "übrigen" Charaktere, die er für die Reise von Paris nach Istanbul auf diesem engen Raum zusammen sperrt, geben ein durchaus gutes Bild ab, sofern man etwas mit leicht überspitzt gezeichneten Charakteren anfangen kann.
Schon von der ersten Seite an versteht es Monferat, eine ganz eigene Atmosphäre aufzubauen: Frankreich steht kurz davor, von den Nazis überrannt zu werden - während am Horizont schon die Zeichen des näher rückenden Krieges wetterleuchten finden sich jene, die es sich leisten können im letzten Zug gen Istanbul ein, wohl wissend, dass sie damit sämtliche Brücken hinter sich abreißen.

Das nun beginnende Kammerspiel in der luxuriösen Enge des Orient Express bietet viel Unterhaltsames, Spannendes und Kurioses. Und schon bald entsteht ein Geflecht aus Verwicklungen, in dem nahezu jeder Charakter eine Rolle spielt. Denn natürlich ist niemand zu seinem Vergnügen an Bord - vor dem Hintergrund der politischen Situation entsteht so ein Dickicht aus Verschwörungen, Vorfällen und Rätseln, das den Leser auf unterhaltsame Weise fordert, ohne ihn zu überfordern.
Um auf diese Weise eine spannende Handlung aufzubauen, bedient sich Monferat jedoch einer für dieses Genre etwas fragwürdigen Methode: Über gesicherte historische Fakten hinaus flechtet er nach Gutdünken fiktive Elemente - etwa ein Land, das nicht existiert hat - mit ein. Ungewollt relativiert er dadurch seine offenbar sehr solide Recherche und gibt dem gesamten Roman einen merkwürdigen Beigeschmack, der sich bei der Lektüre des Nachwortes bestätigt: Da man ohnehin nie genau wissen könne, was damals geschehen sei, brauche man in sogenannten historischen Romanen gar nicht erst versuchen, diesen Eindruck zu erwecken, da dieser Eindruck eine trügerische Gewissheit über historische Fakten aufkommen lassen könne. Als Fan dieses Genres fühlt man sich jedoch etwas vor den Kopf gestoßen - denn als solchem ist einem natürlich bewusst, dass man da nicht die endgültige Wahrheit in Händen halten kann. Von Vornherein aber jeden Anspruch auf historische Korrektheit zu leugnen kann auch nicht der richtige Weg sein; selbst ein möglicherweise verzerrtes Bild der Vergangenheit ist besser als gar keines.

Zugegeben - vielleicht hätte die Geschichte ohne die fiktiven Elemente nicht so gut funktioniert. Der Thronfolger des fiktiven Königreichs Carpathien etwa, der gen Osten reist um wieder die Macht im eigenen Land zu übernehmen, ist eine wichtige Triebfeder der Handlung, denn um ihn herum bauen sich immer neue Situationen und Konflikte auf, die die spannende Handlung unterstützen und vorantreiben.
Das tun auch die weiteren Charaktere - von Spionen über reiche Amerikaner und adlige Russen bis hin zu einer berühmten Hollywood-Schauspielerin gibt es eine ganze Palette an Figuren, deren Handlungsstränge sich bedingt durch die räumliche Enge immer wieder überschneiden und so eine engmaschige Rahmenhandlung bilden, deren Knoten sich im Verlauf des Romans lösen. So gelingt es Monferat, keine Längen aufkommen zu lassen und ein durchweg angenehmes Erzähltempo zu halten - bisweilen wirkt der Roman so etwas überfrachtet mit teils etwas überzogenen Ideen, die unbedingt untergebracht werden wollten. Und auch, wenn die Geschichte nach einem angemessen actionreichen, beinahe theatralischen Finale etwas unmotiviert im Sande verläuft, bleibt doch ein durchaus positiver Gesamteindruck.


 Fazit

Mit "Welt in Flammen" gelingt Monferat ein sehr eigenständiger historischer Roman, dessen verstrickte und spannende Handlung in der luxuriösen Enge des Orient Express den Leser wunderbar unterhält.


Pro & Kontra

+ schönes Setting und gute Atmosphäre
+ spannende, verstrickte Handlung
+ angenehmes Erzähltempo

o etwas theatralisches Finale
o Handlung wirkt durch die vielen Stränge und Ideen bisweilen überfrachtet
o fiktive historische Elemente

Wertung: 

Handlung: 4/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5