Wadenbeißer (Sonja Liebsch)

Wadenbeier lit

Verlag Gmeiner, Juli 2014
Taschenbuch, 279 Seiten, € 9,99
ISBN 978-3839215708

Genre: Belletristik


Klappentext

Maxi staunt nicht schlecht, als eines Tages ihre exzentrische Schwester Sybille samt Hund vor der Tür steht. Die Kölner Kosmopolitin sucht nach ihrer Trennung ausgerechnet in der schwäbischen Provinz Unterschlupf. Und das genau zum falschen Zeitpunkt, denn Maxi startet nach der Familienpause gerade beruflich durch. Als sie sich jedoch in einer TV-Talkshow kritisch zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie äußert, bringt sie sich und ihre Familie in ernsten Schwierigkeiten.


Die Autorin

Sonja Liebsch wurde 1972 in Mönchengladbach geboren. Als Kind hatte sie die unterschiedlichsten Berufswünsche: Bibliothekarin, Tierärztin, Kinderpsychologin, Hotelmanagerin. Nach dem Abitur siegte ihre Sehnsucht nach fernen Ländern und sie studierte Tourismusbetriebswirtschaft. Sesshaft wurde sie schließlich in Deutschland, in der Nähe des Bodensees. Hier lebt sie mit ihrem Mann, zwei Kindern und Kater Leon. Sie ist in der Sprach- und Lesförderung tätig und hat bereits mehrere Spiele veröffentlicht. "Wadenbeißer" ist nach "Muttertier @n Rabenmutter" ihr zweiter Roman. Ihre Berufswünsche hat sie alle realisiert, auch wenn es anders geplant war. Als Mutter von zwei Kindern ist täglich psychologisches Know How gefordert, sie arbeitet für die örtliche Pfarrbücherei und ihrem Kater hat sie schon so manches Mal das Pfötchen gehalten. Nur das mit dem Hotel hatte sie sich irgendwie anders vorgestellt!


Rezension

Ein wunderschöner Tag im Frühling, genau passend für einen Familienausflug an den Bodensee. So hatte sich Maxi eigentlich den perfekten Tag vorgestellt, doch als sie gerade losdüsen wollten, passiert etwas völlig Unvorhergesehenes - ihre ältere Schwester Sybille steht vor der Tür mit einer lebenden Handtasche. Die entpuppt sich als Filou, ein Accessoirehund, mit dem man leider nicht Spielen kann - sehr zum Leidwesen ihrer beiden Söhne. Aber was will Sybille nur bei ihr? Ausgerechnet Sybille, die Großstadtpflanze, die bisher eher naserümpfend auf ihr Familienidyll und das Dorfleben heruntergeschaut hat. Nun sitzt aber genau diese herablassende Kosmopolitin in Maxis Küche und heult sich aus. Ihr langjähriger Lebensgefährte hat sie mal eben gegen ein jüngeres Modell eingetauscht und sie kurzerhand aus der Wohnung geschmissen - ohne Geld und Zukunftsperspektiven. Denn gelernt hat Sybille nichts, sie hat nur für Stefans Wohlergehen gesorgt und ein luxuriöses Leben geführt. Natürlich kann Maxi sie nicht vor die Tür setzen, wo soll sie auch hin. Also beißt sie notgedrungen in den sauren Apfel und stellt sich innerlich auf viel Kritik ein, obwohl es gerade bei beruflich wieder aufwärts geht. Zusammen mit ihrer Freundin schreibt sie eine kleine Kolumne auf deren Blog, in dem sie sich realistisch und mit Sachverstand über Banalitäten des Alltags auslässt, speziell aber über die Rolle der Frau im Spagat zwischen Beruf und Muttersein. Dazu passt, dass sie von ihrer früheren Firma keine adäquate Stelle mehr bekam und sich genötigt sah, zu kündigen. Nebenher plant sie aber wieder bei einem Freund in seinem Cafe kleine Events, die sehr beliebt sind und viel Anklang finden. Als aber nun ihre alte Firma die Auszeichnung als besonders familienfreundlicher Betrieb bekommen soll, zieht Maxi alle Register, um dies zu beanstanden.

Wer nun einen vergnüglichen Chick-Lit erwartet, in dem die tollpatschige Heldin dämlich von einem Fettnäpfchen ins Nächste hüpft, der irrt ganz gewaltig. Hinter der zugegebenen etwas kitschigen Fassade verbirgt sich ein flammender Appell an alle, sich mit der Rolle der Frau auseinanderzusetzen. Sonja Liebsch zeigt mit viel Fingerspitzengefühl und Sachverstand, dass sie weiß, wovon sie schreibt. Maxis Kolumnen treffen ins Herz der Sache, sie bringt auf den Punkt, woran das heutige System krankt. Besonders, als sie dann selber Geschäftstermine wahrnimmt und die eigentlich zuverlässige Kinderbetreuung kläglich versagt. Maxi war anfangs sehr selbstkritisch, ihre Schwester drängt sich einfach so in ihr Leben, benimmt sich wie eine Diva und sie lässt es einfach zu, wobei sie innerlich stark anfängt zu kochen. Zum Glück gibt es dann noch ihre Freundin Andrea, die jederzeit mit gutem Rat und Tat ihr zur Seite steht. Man merkt an Charakteren wie Maxi sehr gut, wie die Gesellschaft Druck aufbaut und anstatt ihre Leistung - Kindererziehung und Haushalt - anzuerkennen, wird immer nur kritisiert, dass man ja praktisch keine eigene Leistung erbringt. Sie ist auch nicht die Einzige, die sich nach der Elternzeit beruflich neu finden muss, denn fortschrittlich in Bezug auf Familienfreundlichkeit sind die wenigsten Firmen.

Atemlos hastet man anfangs durch die Geschichte, der Stil erinnert eher an ein Grundschulkind. Subjekt, Prädikat, Objekt - mehr traut Sonja Liebsch dem Leser erst einmal nicht zu, was aber eine unglaubliche Geschwindigkeit ergibt, aber keinen angenehmen Lesefluss. Entweder werden ihre Sätze hinterher länger, oder man hat sich daran gewöhnt, denn mit der Zeit wird es besser und es ist nicht mehr die Kürze, die die Seiten dahinfliegen lässt. Um die Geschichte zu verstehen muss man auch nicht zwingend den ersten Band - Muttertier @n Rabenmutter - gelesen haben, man hat nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Wie sich die Ereignisse dann auflösen ist vergnüglich zu lesen, der Humor kommt auch hier nicht zu kurz, aber hinter dem harmlosen Genre versteckt sich ein hintergründiger Roman.


Fazit

Hinter dem niedlichen Hündchen vom Cover, welches aber keine große Rolle in der Geschichte spielt, versteckt sich eine tiefgründige Geschichte mit einem ernsten, aktuellen Thema. Sonja Liebsch versteht es vorzüglich, in Wadenbeißer pointiert auf ein Thema hinzuweisen, welches vielen Müttern oft große Kopfschmerzen bereitet.


Pro und Contra

+ ernstes Thema
+ sympathische Charaktere
+ humorvolle Alltagssituationen

- sehr einfacher Erzählstil
- Plot nicht neu

Wertung sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5