Mit uns der Wind (Bettina Belitz)

Script 5 (März 2015)
Hardcover mit Schutzumschlag
400 Seiten, 17,95 EUR
ISBN 978-3-8390-0160-8

Genre: Jugendbelletristik / Romantik / Drama


Klappentext

Mona kennt ihn nur von den Videos auf YouTube. Es berührt sie tief, wenn er sich mit seinem Power-Kite der Willkür des Windes überlässt. Als sie herausfindet, dass ihr „Drachenreiter“ ein populäres Rockmusikfestival besuchen will, überredet Mona ihren Bruder Manuel, sie dorthin mitzunehmen. Keine Selbstverständlichkeit für Mona, denn sie leidet unter einer seltenen Form von Narkolepsie: Sie schläft bei aufregenden Gefühlen regelmäßig ein.
Eigentlich fährt Adrian nur zu dem Festival, weil er endlich bei der schönen Helen landen will. Doch dann läuft ihm dieses zierliche Mädchen mit dem Drachentatoo über den Weg. Ziemlich hübsch die Kleine, aber als sie endlich in seinen Armen liegt, schläft sie plötzlich ein. Wie merkwürdig ist das denn?


Rezension

Mona hat es geschafft: Sie darf mit ihrem Bruder zu Rock am Ring fahren. Obwohl sie schon 18 ist, musste sie für diesen Ausflug kämpfen, denn Mona leidet unter einer starken Form der Narkolepsie, auch Schlafkrankheit genannt. Bei eintönigen Tätigkeiten oder auch bei großer Aufregung schläft sie einfach ein. An sich nichts Schlimmes, aber sie könnte mit dem Kopf irgendwo aufschlagen und sich schwer verletzen. Oder jemand könnte ihre Hilflosigkeit ausnutzen. Deswegen wird sie von ihrer Familie auch ständig bewacht und selbst auf dem Festival weicht ihr ihr Bruder Manuel nicht von der Seite. Dabei plant Mona bereits, sich abzuseilen. Sie hat bei Youtube einen faszinierenden jungen Mann entdeckt, der Videos über seine Leidenschaft, das Kiten, dreht. Mit seinem selbst gebastelten Drachen gelingt es Han-Ryu, sich für kurze Augenblicke in die Luft zu erheben. Mona möchte mit ihm fliegen. Sie weiß, dass er auf dem Festival ist – sie muss ihn nur noch unter zehntausenden Besuchern finden …

„Mit uns der Wind“ spielt fast ausschließlich im Rahmen von Rock am Ring, wo Mona in kurzer Zeit mehr erlebt als in all den Jahren zuvor. Der Roman wird zur Hälfte aus ihrer Sicht erzählt und so erlebt man hautnah mit, wie sie sich das erste Mal unter so vielen Menschen bewegt und von der Atmosphäre des Festivals und der Musik überwältigt wird. Ihre Suche nach Adrian schickt ihren Bruder geradewegs in die Hölle, er kommt beinahe um vor Sorge, doch Mona muss diesen Schritt tun. Sie muss sich wenigstens ein einziges Mal befreien und ihren überfürsorglichen Bruder aus ihren Gedanken verdrängen. Auf ihrer „Flucht“ entdeckt sie sich selbst, schließt neue Freundschaften und kommt zum ersten Mal einem jungen Mann richtig nah. Dabei kann man jeden ihrer Schritte nachvollziehen und ihre Sehnsucht nach Freiheit fühlen. Ihre Krankheit hat Mona stark eingeschränkt, doch jetzt will sie endlich leben und nicht weiter vor Angst erstarren.

Die Kapitel mit Mona wechseln sich mit denen aus Adrians Sicht ab: Er ist auf Youtube Han-Ryu und hat es dank seinem Sport geschafft, in eine Clique aufgenommen zu werden. Dort hält man ihn für einen Frauenheld und eines der hübschesten Mädchen der Schule will mit ihm zusammen sein. Eigentlich könnte alles perfekt sein, doch erst bekommt Adrian Migräne und dann vermasselt er es sich auch noch mit seiner Flamme. Es wird immer deutlicher, dass sich Adrian in seiner coolen Rolle nicht wohlfühlt und im Herzen immer noch ein Außenseiter mit liebenswerten Eigenheiten ist. Das Festival droht zu einem Reinfall zu verkommen, da begegnet er einem geheimnisvollen Mädchen, das ganz anders ist als alle, die er bisher kannte. Sie verdreht ihm den Kopf und entführt ihn ihre ganz eigene Welt.

Sowohl Mona als auch Adrian sind für den Leser greifbar und ihre Handlungen kann man gut nachvollziehen. Anfangs ist man erstaunt, wie gefestigt Mona in ihrem Plan, Adrian zu suchen, ist, doch nach und nach zeigt sich, dass sie doch zweifelt und ihren Weg erst finden muss. Aber sie vertraut darauf, dass das Schicksal ihr die Richtung zeigt. Adrian hingegen erkennt erst später, dass alles, was passiert, einen Sinn hat und er einfach er selbst sein muss, um glücklich zu werden. Beide Protagonisten sind einzigartige Charaktere, die genau die richtige Mischung aus Unterschieden und Gemeinsamkeiten haben, damit Funken sprühen. Bereits die Beinahe-Begegnungen zwischen Adrian und Mona sind magisch, doch als sie sich richtig kennenlernen, geht die Sonne im Herzen der Leser auf.

Leider bleibt das nicht so. Nach grandiosen und schwer romantischen zwei Dritteln folgt ein ziemlich düsteres. Eigentlich hätte man bei Bettina Belitz damit rechnen müssen, schließlich hat sie einen Hang zur Dramatik und dunklen Gefühlen. Doch es fühlt sich an, als hätte sie einen Eimer Eiswasser über die Köpfe ihrer Leser geschüttet. Der Zauber verpufft. Ein riesengroßes Missverständnis reißt die schillernde Liebesgeschichte in den Abgrund. Es wird auf beiden Seiten zu viel gegrübelt, zu viel missinterpretiert und zu viel schwarzgemalt. Auch wenn man sowohl Monas als auch Adrians Gedanken nachvollziehen kann, wäre die dramatische Entwicklung in den letzten Kapiteln nicht nötig gewesen. Es gab genug andere Konfliktherde, die Dramatik in die Geschichte hätten bringen und sie gleichzeitig weiter erstrahlen lassen können. Stattdessen werden die Protagonisten von Zweifeln zerfressen, denken alles kaputt und kriegen gerade nochmal so die Kurve.

„Mit uns der Wind“ hat damit einen dunklen Makel, der nicht zur positiven Geschichte passen will. Denn auch, wenn es kitschig klingt und irgendwie auch ist: Dass Mona auf einem so großen Festival einen ganz bestimmten Menschen sucht, ist wahnsinnig romantisch und da stören auch die phantastischen Zeichen, die die beiden zusammenführen, nicht. Interessant ist auch, dass Mona im Schlaf ihre Mitmenschen als Energiewesen in Tiergestalt sieht, ihren Bruder beispielsweise als wachsamen Wolf oder Han-Ryu als majestätischem Drachen, der nach ihr zu rufen scheint. So erhält man schöne Einblicke in ihre Innenwelt. „Mit uns der Wind“ lädt zum Träumen ein, während man liebenswerten Nebencharakteren begegnet und alles erlebt, als wäre man Mona und Adrian und wirklich bei Rock am Ring. Denn Bettina Belitz hat ihn, diesen ganz speziellen Zauber, der die Seiten dahinfliegen und kleine Schwächen vergessen lässt. Umso bedauerlicher ist es, dass sie auch dieses Mal den negativen Emotionen zu viel Raum gibt.


Fazit

„Mit uns der Wind“ ist ein zauberhafter Jugendroman, der mit einer ganz besonderen Protagonistin und einer herrlich verträumten Liebesgeschichte begeistert. Sobald Mona und Andrian sich begegnen, geht die Sonne auf und die beiden werden von der Magie des Windes getragen. Doch auch dieses Mal fällt ein Schatten auf die ansonsten wunderschöne Geschichte und die Protagonisten stehen sich wieder einmal selbst im Weg. Bis zu diesem Punkt ist „Mit uns der Wind“ jedoch wunderbar lebensbejahend und einfühlsam geschrieben.


Pro & Contra

+ Monas Freiheitsdrang
+ als Leser ist man den Protagonisten ganz nah
+ magische Verbindung zwischen Mona und Adrian
+ glaubwürdige Darstellung der Narkolepsie
+ Konflikte aufgrund von Monas Krankheit
+ wahnsinnig romantisch und erfrischend anders
+ liebenswerte Nebencharaktere
+ wunderschönes Hardcover

- dunkler Bruch im letzten Drittel
- Charaktere stehen sich selbst im Weg

Wertung: sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5


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