ASH (François Debois und Krystel)

Splitter (Februar 2015)
Hardcover-Album
Übersetzt von Swantje Baumgart
96 Seiten, 19,80 EUR
ISBN: 978-3-95839-009-6

Genre: Phantastik / Gothic Novel / Steamfantasy


Klappentext

Anguis Seductor Hominum… ASH.
Ein recht mysteriöser Name für ein junges Mädchen, das seit fünf Jahrhunderten in einem Grab mitten in Böhmen eingesperrt ist.

Wer ist sie, und warum wurde sie auf diese Weise von der restlichen Welt isoliert? Das Einzige, was dieses Mädchen sicher weiß, ist, dass sein Ursprung eng verbunden ist mit einem sehr begehrten Geheimnis: Dem des ewigen Lebens …


Rezension

Der junge Faust lässt sich zum Grab eines einzigartigen Mädchens führen: Anguis Seductor Hominum – Ash – wurde vor vierhundert Jahren von der Kirche darin eingesperrt. Faust ist sich sicher, dass sie noch lebt und dass sie sein Leben verlängern kann. Sein mechanisches Herz tut seinen Dienst, doch bei großer Aufregung droht es zu versagen. Tatsächlich gelingt es Faust, Ash zu befreien – um sie in einen neuen Kerker zu stecken. Sie soll sein Versuchsobjekt werden und ihm ihre Geheimnisse offenbaren. Doch er hat nicht damit gerechnet, wie widerspenstig das Mädchen ohne Erinnerung ist. Ash gelingt die Flucht, allerdings findet sie sich nach Jahrhunderten der Isolation in der Welt nicht zurecht. Sie wird beinahe vergewaltigt, als ihr ein Straßenjunge zu Hilfe kommt. Alexej nimmt sie mit zu seinen Freunden und Ash wird Mitglied einer Diebesbande. Um den Jungs zu helfen, schleicht sie sich in eine Mädchenschule ein und entdeckt dort, wer sie wirklich ist.

„ASH“ ist ein Comic im Stile einer Gothic Novel und spielt im 19. Jahrhundert, wo Wissenschaft und düsterer Aberglauben parallel existieren. Faust glaubt fest daran, Ashs Geheimnis mit wissenschaftlichen Methoden auf die Spur zu kommen, wobei ihm die Rolle eines Steampunk-Erfinders zukommt. Beispielsweise hat er einen Automaten gebaut, der ihm bei der Suche nach Ash hilft, und später entwirft er noch andere groteske Dinge. Auch sein mechanisches Herz ist ein typisches Steampunkelement. Trotzdem liegt der Fokus der Geschichte auf der klassischen, düster angehauchten Phantastik. Ash entwickelt bald die Fähigkeit, den Tod anderer Menschen vorauszusehen. Dieser zeigt sich in Form eines Schattens, der neben den betroffenen Menschen steht, was ganz schön gruselig wirkt.

Ashs Zeit im Mädcheninternat erinnert ein wenig an „Die kleine Prinzessin Sara“: Die verwöhnten Schülerinnen machen Ash, die sich als Dienstmädchen ausgibt, das Leben schwer, allen voran die arrogante Kamila. Die rothaarige Schönheit teilt Gemeinheiten aus, wo sie nur kann, während sie sich nachts mit anderen Mädchen trifft, um all das zu ergründen, was sie in der Schule nicht lernen dürfen und was sich für anständige Damen nicht gehört. Ausgerechnet Kamila ist die erste, bei der sich Ashs Fähigkeit zeigt. Dabei kommt auch ihr dunkles Geheimnis ans Licht.

Ash fasziniert den Leser von der ersten Seite an: Allein ihre mysteriöse Herkunft wirft viele Fragen auf, zudem besitzt sie anfangs keinerlei Erinnerungen. Somit zieht der erste Teil seine Spannung vor allem aus der Frage, wer Ash ist und warum sie solch besondere Fähigkeiten besitzt. Das erste Kapitel (das dem ersten Originalband entspricht) endet mit einem Cliffhanger – aber da es sich um ein Splitter Double handelt, kann man zum Glück sofort weiterlesen. Die Geschichte nimmt im zweiten Kapitel eine dramatische Wendung. Die letzten Geheimnisse um die Zeit, bevor Ash in den Sarg gesperrt wurde, werden gelüftet und Faust, der immer noch versucht, Ash zurückzugewinnen, kommt seinem Ziel näher.

François Debois und Krystel ist es gelungen, den legendären Fauststoff auf eine ganz neue und kreative Weise zu interpretieren und mit Steampunk- und Gothic-Novel-Elementen zu einer ganz eigenen und äußerst charmanten Geschichte auszuschmücken. Die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts kommt wunderbar rüber und man kann die Handlungen der Charaktere gut nachvollziehen. Obwohl Faust Ash anfangs gefangen hält, ist er einem gar nicht unsympathisch, im Gegenteil. Man kann seine Beweggründe gut nachvollziehen und auch wenn er sich kaltherzig gibt, spürt man, dass Ash mehr für ihn ist als ein Versuchskaninchen. Auch Alexej und seine Jungenbande sind liebenswert gestaltete Figuren – ganz im Gegensatz zu Kamila und den verwöhnten Internatsmädchen.   

Der düstere Zeichenstil, der ein wenig an einen colorierten Manga erinnert, macht viel vom Charme dieser Geschichte aus: Krystel zeichnet mit satten, dunklen Farben und arbeitet besonders Mimik und Gestik der Charaktere gut heraus. Ash hat einen schön blassen Hautton und Haare in der Farbe dunkler Schokolade. Allein ihr Anblick erscheint einem übernatürlich. Die Panels sind meist klar voneinander abgegrenzt, nur in Schlüsselszenen überlagern mehrere kleine Panels ein ganzseitiges Bild. Der Seitenhintergrund ist meist weiß, was ganz gut mit den Zeichnungen harmoniert – zur düsteren Story hätten durchgehend schwarze Hintergründe jedoch wesentlich besser gepasst. Das großformatige Hardcoveralbum ist wieder einmal eine echte Freude für Sammler und der Preis ist für zwei Bände, die in diesem Splitter Double vereint wurden, recht günstig.


Fazit

„ASH“ ist eine kreative Gothic Novel mit Steampunkflair, die den legendären Faust-Stoff auf eine ganz neue Weise interpretiert. Der Charme des 19. Jahrhunderts springt durch die wunderschönen Zeichnungen von Krystel sofort über und die Protagonisten schließt man schnell ins Herz, auch wenn sie manch dunkles Geheimnis umgibt. Schön, dass in diesem Splitter Double gleich beide Bände vorliegen und man die Geschichte um Faust und Ash ohne Unterbrechung genießen kann.


Pro & Contra

+ Ashs geheimnisvolle Herkunft
+ ein junger Faust mit mechanischem Herz
+ Alexej und seine Diebensbande
+ gut ausgearbeitete Story
+ dramatische Wendung im zweiten Kapitel
+ beide Bände sind im Splitter Double vereint
+ traumhafte Zeichnungen

Wertung: sterne4.5

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


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