Cornelia und Dominic Franke (16.05.2015)

Interview mit Cornelia und Dominic Franke

cornelia franke1Literatopia: Hallo, Cornelia, hallo, Dominic! Kürzlich ist Euer Jugendfantasyroman „Tougard – Seelenseher“ erschienen. Würdet Ihr für unsere Leser kurz umreißen, worum es geht?

Cornelia Franke: Es geht um Charlie, der aufgrund seiner übermenschlichen Fähigkeit in Tougard landet, einem Ort, an dem er lernt damit umzugehen.

Zunächst scheint Tougard noch phantastisch, er trifft auf Pyros, Illusionisten, Gedankenleser ... bis einige Mädchen entführt werden und Charlie auf eine Prophezeiung stößt, die besagt, dass ein Seelenseher seine beste Freundin Ann töten wird.

Literatopia: Pyros, Illusionisten, Gedankenleser, das ist ja nur eine kleine Auswahl. Wie viele verschiedene Gaben gibt es in Tougard? Sind die Gaben in einem bestimmten Rahmen festgelegt oder könnte sich jederzeit eine völlig neue entwickeln?   

Cornelia Franke: Da gibt es keine Begrenzung, genauso wenig wie es eine Begrenzung bei den Wünschen der Menschen gibt. Es unterteilt sich jedoch passive Gaben (Gedankenlesen) sowie Angriffsgaben (Pyros) und jeder erhält die Möglichkeit, weitere zu entwickeln. Dies kann passieren muss aber nicht. Wie diese Möglichkeit eintritt, möchte ich aber nicht verraten, dafür sollte man schon die Geschichte lesen.

Literatopia: Welche Gabe hättet Ihr selbst gerne?

Cornelia Franke: Ich finde Psychokinese spannend, also per Gedankenkraft Gegenstände meinem Willen unterwerfen zu können, sie bewegen oder schweben zu lassen. Oder auch die Fähigkeit, Magnetfelder zu erzeugen und zu beeinflussen. So rein aus der Sicht einer Autorin würde ich mir wünschen, dass meine Gedanken sich selbst zu Papier bringen würden. Das wäre toll.

Dominic Franke: Teleportation. Alleine um in dem Moment, wenn ich Hunger auf die Spaghetti  meines Lieblingsitaliener am Broadway hätte und schwupp ... wäre ich da. Oder wenn ich die Comic Con in San Diego besuchen möchte, schwupp, bin ich da. Warum willst du Dinge schweben lassen?

Cornelia Franke: Damit ich nicht mehr gegen Sachen renne!

Dominic Franke: Du meinst, wenn die Sachen schweben, rennst du da nicht mehr mit dem Fuß dagegen, sondern mit dem Schienbein?

Cornelia Franke: Hmpf.

(Originaldialog Ende.)

Literatopia: Was ist Euer Protagonist Charlie für ein Typ? Findet er sich schnell in Tougard zurecht? Und wie geht er mit seiner Gabe um?

Cornelia Franke: Zu Beginn des Buchs ist Charlie eher ein in sich gekehrter Teenager, der seine Mitmenschen auf Abstand hält. Er wurde einmal zu oft reingelegt oder fertig gemacht, weil er ein klein wenig anders war. In Tougard ist allerdings jeder anders, einfach weil Menschen aus allen Altersstufen, Ländern und mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten aufeinander treffen, sodass Charlie sich schnell an diesem Ort wohl fühlt. Wäre da nicht ein Mädchen, das er schmerzlich vermisst: seine beste Freundin Ann.

Mit seiner Gabe hat Charlie dagegen mehr Probleme, so sehr er sich auch anstrengt, er bekommt sie nicht in den Griff.

Literatopia: Charlie findet unerwartet schnell neue Freunde in Tougard. Welche sind das? Und welcher der Nebencharaktere gefällt Euch am besten?

Cornelia Franke: Eher finden sie ihn unerwartet, er ist nicht der Typ, der aktiv neue Freunde sucht. Zum einem ist das Becca, deren Geplapper und lebendige Art praktisch von mir stammt. Tausend Fragen stellen kann ich sehr gut. Außerdem liebe ich die Figur des Assassinen, den ihr auf dem Cover seht. Es hat unglaublich Spaß gemacht, seinen Teil der Geschichte zu schreiben.

Dominic Franke: Ich mag dieses Schubladendenken nicht, ob mir jemand gut oder weniger gut gefällt. Freunde sollten so vielseitig sein wie möglich und während ich mir bestimmt interessante Gespräche mit Edward liefern würde, kann ich mir genauso vorstellen, dass Abende mit Holger sehr lustig verlaufen.  

Literatopia: Im Klappentext heißt es „In Tougard ist alles möglich“ – wie können wir uns diese Welt vorstellen? Was erwartet Charlie dort Phantastisches?

Cornelia Franke: Hinter Tougard versteckt sich eine gotische Burg, umgeben von hohen Klippen und einem dichten Waldgebiet. Im Groben ist es wie eine Schule aufgebaut, nur dass es sprechende Statuen sowie andere magische Wesen gibt. Sowie einen Haufen pubertierender Begabter, die Gegenstände durch die Luft fliegen lassen können, das Wetter beeinflussen oder schneller rennen, als das menschliche Auge wahrnimmt. Und natürlich ist dieser Ort von einigen Geheimnissen durchwoben, die es zu ergründen gilt.

Literatopia: Wie können wir uns Eure Zusammenarbeit konkret vorstellen? Habt Ihr beide an „Tougard“ geschrieben oder ist einer eher der Ideengeber, während der andere diese dann ausbaut?

Cornelia Franke: Wir arbeiten Ideen gemeinsam aus und diskutieren zusammen den Plot eines Manuskripts. Den Großteil der Schreibarbeit übernehme ich, wobei Dominics Stärken definitiv bei Dialogen liegen, während ich besser beschreiben kann. Überarbeitet wird dann im Wechsel, Dominic ist unschlagbar, wenn es darum geht, eine Geschichte zu polieren, während mein Bereich wieder mehr die Sprache ist.

Die Grundidee zu „Tougard“, dass ein starker Herzenswunsch eine Art Superkraft hervorrufen kann, stammt von Dominic, die Figuren, die sich um Charlie sammeln, stammen aus meiner Feder. Da es eines unser älteren Manuskripte ist, haben wir oft daran gearbeitet, sodass ich gar nicht mehr bestimmen kann, wer welchen Einfluss darauf genau hatte.

Literatopia: Ist „Seelenseher“ das erste Buch, an dem Dominic mitgewirkt hat, oder war er auch bei früheren Veröffentlichungen im Hintergrund dabei?

jamie questCornelia Franke: Im Hintergrund war er schon immer mit dabei, von meinen Schreibanfängen an war Dominic derjenige, der mich ermutigt hat oder als Erstleser auftrat. Mit der Zeit sind Austausch und Zusammenarbeit immer intensiver geworden, ich kann z.B. am besten plotten, wenn ich ihm meine Gedanken erzähle. Bis ich ihm irgendwann angeboten habe, mit mir auf dem Cover zu stehen, immerhin schreiben und arbeiten wir auch immer zusammen.

Literatopia: Cornelia, Du hast im Rahmen der Leipziger Buchmesse 2010 Deine Romane mit T-Shirts mit der Aufschrift „Autorin sucht Verlag“ beworben – wie war das Feedback darauf? Mit dem Verlag scheint es ja geklappt zu haben – oder hatte das letztlich nichts mit den Shirts zu tun?

Cornelia Franke: Erst einmal ist es witzig, dass sich die Leute nach fünf Jahren immer noch an diese Aktion erinnern! Damit habe ich wohl etwas losgetreten. Das Feedback war im Rahmen der Veranstaltung gut und es hält immer noch an. Direkt haben mir die T-Shirts nicht geholfen, einen Verlag zu finden, jedoch für ordentlichen Wirbel gesorgt.

Literatopia: Was gefällt Euch persönlich bei Jugendbüchern? Und worauf muss man als Autor achten, wenn man für junge Leser schreibt?

Cornelia Franke: Humor ist wichtig. Gerade im Jugendbuchbereich lese ich gerne Abenteuergeschichten, also Bücher mit einer rasanten Handlung, die dafür sorgt, dass die Seiten nur so vorbeifliegen. Ich mag es nicht, wenn ein Jugendbuch versucht zu belehren, dennoch sollte eine Aussage darin verwoben sein, etwas, das ich nach dem Lesen mitnehmen kann und ich mich gern daran erinnere.

Worauf man als Autor achten muss, ist zunächst abhängig vom jeweiligen Manuskript. Wichtig ist es, die Figuren authentisch wirken zu lassen, also wie sie sprechen oder welche Probleme sie beschäftigen. Kaum ein Teenager würde sich mit „Guten Tag, es ist mir eine Freude Sie kennen zu lernen“ beim ersten Treffen sagen, und wenn doch, dann sollte die Figur einen sehr guten Grund dafür haben.

Dominic Franke: Für mich muss ein Jugendbuch originell sein und mich vor allem überraschen. Sobald ich schon auf den ersten Seiten erahnen kann, worauf es hinausläuft, reizt es mich nicht mehr so wirklich. Dazu sollte es eine Prise Humor beinhalten.

Literatopia: Wie hat das bei Euch mit dem Schreiben angefangen? Wie sahen Eure ersten Versuche aus?

Cornelia Franke: Mein erster Versuch war ein tausend Seiten langer High-Fantasy-Roman, den ich während der Mittel- und Oberstufe geschrieben habe. Mit Magie, Schwertkämpfern, Elfen und allen Drum und Dran, was man von diesem Genre erwartet. Ich liebe diese Geschichte, obwohl ich sie in der damaligen Form niemals an die Öffentlichkeit geben werde. Konkret angefangen habe ich nach dem Lesen von Christopher Paolinis „Eragon“, wohl bemerkt auf Englisch, da er im Deutschen noch nicht übersetzt war. Als ich entdeckte, dass er mit vierzehn Jahren das Buch veröffentlichte und es bis nach Random House schaffte, wollte ich ihm nacheifern, da ich im gleichen Alter war. Es hat über zehn Jahre gedauert, aber im Sommer 2014 habe ich eines meiner Projekte bei Random House untergebracht.

Dominic Franke: Ich bin schon immer begeistert von Filmen gewesen und habe schon früh angefangen, mich mit anderen darüber auszutauschen. Was hätte man anders machen können, warum wurden bestimmte Sachen so und nicht anders geschrieben. Wirklich angefangen zu schreiben, habe ich in meiner Ausbildung. Ich war oft zu früh mit meiner Arbeit fertig, und machte Notizen zu Ideen, die immer umfangreicher wurden. Allerdings waren dies Gedankenspiele zu Drehbüchern. An Romane habe ich mich erst gewagt, nachdem Cornelia mit mir zusammengezogen ist.

Literatopia: Was lest Ihr persönlich gerne? Habt Ihr vielleicht ein Lieblingsbuch oder einen Lieblingsautor?

jimmy allergomoerderCornelia Franke: Ein bestimmtes Lieblingsbuch habe ich nicht, dafür lese ich zu viel und zu gerne. „Ab die Post“ von Terry Pratchett gehört zu meinen Favoriten, ebenso „Das mechanische Herz“ von Matthias Malzieu oder die Mara-Reihe von Tommy Krappweis. Ansonsten sind die neuen Werke von Cecelia Ahern oder Derek Landy Pflichtprogramm.

Dominic Franke: Früher habe ich viel Agatha Christie gelesen und ich mag die Werke von Walter Moers und Royce Buckingham. Durch Cornelia habe ich auch angefangen, Terry Pratchett zu lesen, dessen Bücher über die Wache von Ankh Morpork meine Favoriten sind.

Literatopia: Cornelia, Du bietest für Schulen kostenlose Autorenlesungen an. Wie ist es, vor so jungem Publikum zu lesen? Hören die Kinder brav zu oder wird es auch mal laut und turbulent?

Cornelia Franke: Ich freue mich immer, wenn Lesungen über den Fördertopf für Berliner Schulen laufen, nur leider sind die Mittel meist knapp, sodass ich die Möglichkeit für kostenlose Autorenlesungen anbiete.

Es ist schade, dass viele Schüler mit dem Begriff des Autors kaum etwas anfangen können, weil das nötige Geld fehlt. Ein junges Publikum ist auf jeden Fall immer eine Herausforderung, ein Lehrer meinte einmal zu mir: „Kinder spüren Unsicherheit.“ Daher versuche ich bei Lesungen in Schulen immer die Kinder sofort mit einzubeziehen, ich besuche die Klassen, um mit ihnen eine gute Zeit zu verbringen.

Dazu sind Lesungen mit Schulklassen meist turbulent und unvorhersehbar, aber das macht auch den Reiz aus. Kinder reagieren ganz unverfälscht, wenn sie etwas überrascht, sie eine Stelle im Buch lustig finden oder nicht ganz verstehen. Bzw. wenn man über das Buch mit ihnen spricht, kann es schon mal sein, dass alle wild durcheinander rufen.

Literatopia: Du engagierst Dich auch für die kreative Schreibförderung an Grundschulen. Was für Geschichten kommen dabei raus?  

Cornelia Franke: Da diese Projekte meist in den fünften und sechsten Klassen stattfinden, stehen oft Märchen oder Abenteuergeschichten auf dem Plan, schließlich lässt sich dies mit dem Deutschunterricht verbinden. Das sind  dann meist zwei oder drei Seiten lange Texte, bei denen die Schüler ihre Kreativität ausleben können. Abseits von Klassenarbeiten, Übungen und Hausaufgaben ist wenig Platz für das Geschichtenschreiben im Lehrplan. Daher habe ich schon viele Texte über mutige Prinzessinnen, gewiefte Ritter, aber auch Luftpiraten, Tierschützer, Raumschiffpiloten, Superhelden und kleine Detektive vorgelesen bekommen.

Literatopia: Dominic, könntest Du Dir vorstellen, eine Deiner Ideen ohne Cornelia zu verwirklichen?

Dominic Franke: Wohl eher nicht, da meine Stärken einfach im Drehbuchbereich liegen. Dialoge, Aufbau, alles kein Problem, doch Beschreibungen sind bei mir teilweise nur Überschriften wie „im Innern des Hauses“  und das darf dann Cornelia ausbauen, weil ich mich um den nachfolgenden Dialog kümmere.

Literatopia: Könnt Ihr uns schon etwas über zukünftige Projekte verraten?

Cornelia Franke: Richtung Herbst / Winter erscheint der zweite Band unserer Reihe „Jamies Quest“, sowie im Frühjahr 2016 das Jugendbuch „Wär mein Leben ein Film, würd ich eine andere Rolle verlangen“ bei cbt. Und wenn alles gut läuft, geht noch ein phantastischer Krimi an den Start.

Literatopia: Vielen Dank für das schöne Interview!

 cornelia franke2

 


Autorenfotos: Copyright by Cornelia Franke

Autorenhomepage: www.corneliafranke.org


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.