Ein Sandkorn am Himmel (Isaac Asimov)

Asimov Sandkorn

Heyne, 14.4.2015
Originaltitel: Pebble in the Sky (1950)
Übersetzung von Irene Holicki
Taschenbuch, 287 Seiten
€ 8,99 [D] | € 9,30 [A] | 12,50 CHF
ISBN: 978-3-453-52841-3

Genre: Science Fiction


Inhalt

Joseph Schwartz, Schneider im Ruhestand, findet sich nach einem nuklearen Unfall in Chicago aus dem Jahr 1949 um mehrere tausend Jahre in die Zukunft versetzt an einem ihm unbekannten Ort wieder, umgeben von Menschen, deren Sprache er nicht versteht. Ein Farmer nimmt ihn auf, der ihn für geisteskrank aber arbeitsfähig hält. Er bietet ihn einer wissenschaftlichen Einrichtung für ein Experiment an. Schwartz wird mit einem Synapsifikator behandelt, einem Gerät, das bisher nicht an Menschen getestet wurde und die Lernfähigkeit verbessern soll. Er entwickelt telepathische Fähigkeiten, kann mithilfe seiner Gedanken töten und erlernt die Sprache der Fremden in kürzester Zeit.

Schwartz befindet sich im Jahr 827 der Galaktischen Ära, die Erde ist ein Ort der Rebellion gegen das Galaktische Imperium, ein Kaiserreich, ihre Bewohner werden diskriminiert. Die knappen Ressourcen werden als Begründung genommen, Menschen mit Erreichen des sechzigsten Geburtstages zu töten, was jedoch nicht für alle gilt. Herrscher sind Fanatiker, die die Erdlinge für die überlegene Rasse halten und ein Virus entwickelt haben, mit dem sie den Rest des Imperiums angreifen wollen. Joseph Schwartz, der Wissenschaftler Affret Shekt und seine Tochter Pola sowie der Archäologe Bel Arvardan sind die einzige Hoffnung für das Galaktische Imperium.


Rezension

Ein Sandkorn am Himmel ist der erste Roman Isaac Asimovs, keine Space Opera, sondern die Geschichte eines älteren und einfachen Menschen, der in die Zukunft und in eine politische Verschwörung gerät. Sein Ausgangspunkt ist eine Novelle Asimovs, Grow Old Along With Me, die enthalten ist in der Entwürfesammlung The Alternate Asimovs (1986). Der Roman wurde zuvor 1960 in der Übersetzung von Iris und Rolf H. Foerster unter dem Titel Radioaktiv…! veröffentlicht.

Die Handlung hat Asimov später in seinem Foundation-Kosmos verortet, der sich in diesem frühen Werk jedoch allenfalls andeutet. Wiederholt wird Trantor erwähnt, der Handlungsort, an dem Hari Seldon die Psychohistorik entwickelt. Die Erde ist radioaktiv verseucht, wird zwar noch bewohnt, aber die Menschheit hat sich neuen Lebensraum auf anderen Planeten gesucht. Gemeinsam mit den beiden Titeln Sterne wie Staub und Ströme im All bildet Ein Sandkorn am Himmel die Gruppe der nur lose miteinander verbundenen Imperium-Romane und die frühe Foundation-Trilogie.

Das Thema Radioaktivität ist, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in Asimovs Debütroman wichtiger als in den meisten anderen seiner Werke. Es spielt auch eine Rolle in The Stars, Like Dust (Sterne wie Staub), The Currents of Space (Der fiebernde Planet/Ströme im All) und Foundation and Earth (Die Rückkehr zur Erde). Am intensivsten beschäftigt sich Asimov damit in seinem Roboterroman Robots and Empire (Das galaktische Imperium).

Asimovs Gesellschaft nach dem Holocaust und nach Hiroshima ist in besonderer Weise charakterisiert durch zwei Phänomene: Vorstellungen von unwertem Leben, nahezu alle Menschen werden mit sechzig Jahren getötet, Euthanasie-Opfer sind auch diejenigen, die keinen produktiven Beitrag mehr für die Gemeinschaft leisten können, Wissenschaftler machen wieder oder weiterhin Menschenversuche, und die naive Behandlung der Radioaktivität, die den zeitgenössischen Vorstellungen entspricht - ein Problem, auf das Asimov in einer kurzen Nachbemerkung hinweist.

Asimov erzählt die Handlung in zwei Strängen (beschreibbar als "Schwartz" und "Arvardan") abwechselnd und unabhängig voneinander, bis sie irgendwann zusammenlaufen. Schwartz, der erste Protagonist, ist vermutlich ein Holocaust-Überlebender. In der ihm fremden und in manchen Details doch vertrauten Welt ist die Angst vor dem Tod allgegenwärtig, der Tod eine politisch bestimmte Größe. Schwartz kommt mit und in dieser Zeit ebenso wenig zurecht, wie er mit seinen übernatürlichen Fähigkeiten Probleme hat. Er ist anfangs im übertragenen Sinne sprachlos, spricht nur die Ursprache, aus welcher die der erzählten Gegenwart sich ableitet, wie Bel Arvardan, der Archäologe der Universität von Arcturus, erkennt.

Der zweite Erzählstrang folgt Arvardan, der die kontroverse Sicht vertritt, die Erde sei der Ursprungsort der Menschheit. Arvardan ist ein junger, liebenswerter, attraktiver und überaus intelligenter Traum von Mann, der im übertragenen Sinn einer Großmutter über die Straße hilft und sich beim ersten Blickkontakt in die schöne und junge Tochter des Wissenschaftlers verliebt. Ob er unter kritischen Bedingungen auch seinen Idealen zu entsprechen in der Lage ist, wird im Verlauf der Ereignisse geklärt.

Die Charaktere sind traditionellen Zuschnitts: Wissenschaftler, die nicht für die Folgen ihres Handelns verantwortlich sind (nach der A-Bombe), Politikertypen, die trotz der Erfahrungen der Bürger mit ihnen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts noch immer auf der Bühne stehen, hinterhältige Schurken, die ihre Vorstellungen von Untermenschen pflegen, ein naiver einfacher Mann, der über sich hinauswächst, eine naive Romanze. Asimovs Erde ist nicht nur radioaktiv verseucht, sie ist auch im galaktischen Machtspiel bedeutungslos. Das Galaktische Imperium verhält sich imperialistisch, betreibt Kolonialpolitik, die Menschen sind Patrioten und freuen sich über Ehrenbürgerurkunden. Schwartz ist zwar eine der Hauptfiguren, betätigt sich jedoch – notgedrungen – zumeist als Zuschauer und Beobachter.


Fazit

In Isaac Asimovs Zukunftsvision lernt unsere Spezies nichts aus der Geschichte, abgesehen von wenigen Menschen, die sich dadurch weit von der Menschheit entfernen. Die Erde ist nur ein Sandkorn am Himmel, aber auf ihr geschehen die schlimmsten Dinge.


Pro und Kontra

+ Dystopie mit einer Idee von Happy End, eher auf dessen Möglichkeit verweisend als tatsächlich eins erzeugend
+ gute Struktur, ohne Redundanzen erzählt
+ eine Szene bietet eine gute Verbindung aus Dialog und Schachspiel

- naiver Blick auf Radioaktivität

Wertungsterne4

Inhalt: 4/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu Die Rettung des Imperiums

Rezension zu Das Foundation-Projekt

Rezension zu Foundation-Trilogie

Rezension zu Die Suche nach der Erde

Rezension zu Die Rückkehr zur Erde

Tags: Space Opera, SF-Klassiker, Isaac Asimov