Konrad Hansen (30.09.2009)

Interview mit Konrad Hansen

Literatopia: Guten Tag, Herr Hansen! Vielen Dank, dass wir Sie interviewen dürfen.
Im Juli 2009 erschien Ihr neues Buch "Die Kinder der Meerfrau". Können Sie uns einen kurzen Abriss zum Inhalt geben? Was erwartet den geneigten Leser?

Konrad Hansen: Wie verfaßt man einen kurzen Abriß von einem 560 Seiten starken Roman, ohne Wesentliches wegzulassen? Aber gut, ich will es trotzdem versuchen. Es handelt sich um eine drei Generationen umfassende Familiensaga, die ihren Ursprung in einem für die moralischen Maßstäbe des 18. Jahrhunderts anrüchigen Dreiecksverhältnis hat: Zwei Brüder lieben eine Frau, zeugen mit ihr Kinder und leben, was diese Konstellation noch ungewöhnlicher macht, bis an ihr Ende in einer von Eifersucht ungetrübten Harmonie zusammen. Den Kindern gelingt es, jedem auf seine Weise, eine höhere Sprosse auf der sozialen Stufenleiter zu erklimmen, ein Enkel verkehrt sogar in Adelskreisen. Parallel dazu dehnt sich die Handlung von der Dorschbucht an der holsteinischen Ostseeküste immer weiter in die Welt aus, hinauf ins Eis der Grönlandsee, in die Höllenhitze Westafrikas und der Karibik.
Die verschiedenen Schauplätze meines Romans sind wiederum eng mit historischen Fakten verknüpft, unter anderem mit dem Walfang und dem Sklavenhandel.

Literatopia: Walfangflotten erinnern unvermeidlich an "Moby Dick". Haben Sie dieses Buch gelesen? Oder gar ein ähnliches? – Wurden Sie unter anderem von solchen Büchern inspiriert den Roman zu verfassen? Oder war es etwas gänzlich anderes?

Konrad Hansen: Natürlich habe ich „Moby Dick“ gelesen, sogar mehrfach, zuletzt in der wunderbaren Übertragung von Matthias Jendis. Ich bewundere Melvilles Roman als eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur, aber inspiriert worden bin ich durch Logbücher, die spärlichen Aufzeichnungen der Grönlandfahrer und die Schiffahrtsmuseen von Glückstadt, Flensburg, Hamburg und Liverpool. Sie liefern den authentischen Hintergrund für die weitgehend fiktive Handlung.

Literatopia: "Die Kinder der Meerfrau" ist durchwoben mit geschichtlichen Ereignissen. Wie groß ist das ungefähre Verhältnis von Fiktion und Tatsachen? War viel Recherchearbeit nötig?

Konrad Hansen: Falls es sich überhaupt quantitativ bemessen läßt, würde ich das Verhältnis von Fiktion und Tatsachen mit drei zu eins beziffern.
Die Recherchearbeit für „Die Kinder der Meerfrau“ hat ungefähr ein Jahr gedauert; das Schreiben dann zwei weitere.

Literatopia: Das Thema der Sklavenverfolgung nimmt einen großen Raum des Buches ein. Man bekommt den Eindruck, dass Ihnen dieses Thema sehr am Herzen liegt. Ist das so?

Konrad Hansen:
Letztlich geht es mir um die Frage, was Menschen dazu bringt, sich zu Herren über Leben und Tod anderer Menschen aufzuschwingen. Im Falle der Sklaven war es die weder durch moralische Skrupel noch Gesetze eingeschränkte Macht der Sklavenhändler und Plantagenbesitzer, die zu den von mir geschilderten Grausamkeiten führte. Man rechtfertigte sich damit, daß Schwarze eben nicht „Menschen wie wir“ seien, sondern Angehörige einer minderwertigen Rasse. Parallelen zur Ideologie der Nationalsozialisten sind unübersehbar.

Literatopia: In dem Buch wurden Sklaven verkrüppelt, die flüchten wollten oder eine Untat begingen. War es wirklich so? Ist das historisch belegt?

Konrad Hansen: Wie Sklaven im Fall des „Maronlaufens“, also unerlaubten Entfernens von der Plantage, zu bestrafen seien, ist detailliert in einem Erlaß des Gouverneurs Gardelin aus dem Jahr 1733 festgelegt. Ein Beispiel aus dem Originaltext: „Wer 6 Monate wegbleibt, soll das Leben verlieren, es sei denn, sein Herr verzeiht ihm und begnügt sich mit dem Verlust eines Beines.“

Allgemeine Fragen


Literatopia: Welchen Stellenwert hat das Schreiben für Sie? Ist es mehr Hobby oder immer noch der Broterwerb?

Konrad Hansen: Von allen Tätigkeiten, die ich im Lauf meines Lebens ausgeübt habe, war und ist mir der Beruf des Schriftstellers der liebste.

Literatopia: An Ihren Büchern merkt man, dass Sie mit Leib und Seele Holsteiner sind und Ihnen die Geschichten und Sagen des Landes wichtig sind. Ist das Schreiben – auch im Hinblick auf frühere Werke - für Sie eine Methode, Altes nicht vergessen zu lassen und es auch den Menschen näher zu bringen?

Konrad Hansen: Wenn ich überhaupt eine didaktische Absicht mit meinen Romanen verfolge, ist es die, am Beispiel historischer Begebenheiten etwas über die Gegenwart auszusagen, sie durchschaubarer zu machen. So läßt sich etwa das Phänomen der Globalisierung am Handels-Imperium des Heinrich Carl Schimmelmann – einer der realen Figuren meines Romans - in einer auch für Laien verständlichen Weise beschreiben.

12.jpgLiteratopia: Jahrelang waren Sie als "freier Schriftsteller" auf sich allein gestellt. Schreiben, um den Lebensunterhalt zu verdienen. – Wie „einfach“ ist das und gab es Momente, wo Sie es am liebsten hätten hinschmeißen wollen?

Konrad Hansen: Immer mal wieder, wenn auch in späteren Jahren nicht mehr so häufig. Über manche Klippe hinweggeholfen hat mir, stets mehrere Eisen im Feuer zu haben, also sowohl Hörspiele und Fernsehfilme, als auch Romane und Theaterstücke zu verfassen. Außerdem hat es sich als Vorteil erwiesen, daß ich in zwei Sprachen schreibe, in Hochdeutsch und Plattdeutsch.

Literatopia: Eine allseits beliebte Frage, die in einem Interview nicht fehlen darf: Wann und warum haben Sie mit dem Schreiben begonnen? Gab es eine Art „Auslöser“?

Konrad Hansen:
In den ersten Jahren meines Studiums verfaßte ich ein Jugendbuch und einen Kriminalroman im Groschenheftformat. Von den Honoraren konnte ich ein ganzes Semester finanzieren. Vielleicht wurden damals die Weichen in Richtung Schriftststellerei gestellt.

Literatopia: Wo und wann schreiben Sie am liebsten? Sitzen Sie eher am Schreibtisch oder schreiben gerne unterwegs, z.B. auf Reisen?

Konrad Hansen: Die besten Einfälle habe ich beim Radfahren. Damit sie nicht verlorengehen, trage ich immer ein Diktaphon oder ein Notizbuch bei mir. Der Rest des schöpferischen Prozesses - und der nimmt weitaus mehr Zeit in Anspruch - vollzieht sich an meinem Schreibtisch in vertrauter Umgebung. Seit Jahren korrigiere ich vormittags das am Vortag Geschriebene, nachmittags lasse ich meiner Phantasie die Zügel schießen.

Literatopia:
Vielen Dank für das Interview!



Dieses Interview wurde von Patricia Twellmann für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.