Ein Leben im Tode: Rayman (Galandon, Puchol)

Verlag: Panini; (September 2015)
Gebundene Ausgabe: 100 Seiten; 19,99
ISBN-13: 978-3957985576

Genre: Historik


Klappentext

Ursprünglich von den Nazis entworfen, wandelte sich das Rote Plakat im Lauf der Geschichte zum Symbol des Widerstands.

Ein Leben im Tode erzählt die wahre Geschichte von Marcel Rayman, einem polnischen Juden und Freiheitskämpfer. Während des zweiten Weltkrieges schloss er sich der FTP-MOI (francs-tireur et partisans – main d'oeuvre imigrée) an, einer Widerstandsgruppe ausländischer Kommunisten. Unter der Führung von Missak Manouchian wird der sanftmütige junge Mann zu einem hartgesottenen Kämpfer. Zwei Jahre lebt er im Untergrund und muss mit ansehen, wie seine Familie deportiert wird. Tod und Verrat sind allgegenwärtig und schließlich erscheint sein Gesicht auf dem Affiche Rouge, dem Roten Plakat.

Laurent Galandon erzählt gemeinsam mit der Zeichnerin Jeanne Puchol die Geschichte der Manouchian-Gruppe, die zwischen Juni 1942 und November 1943 in Paris gegen die Nazibesatzer kämpfte. Nach der Festnahme und Exekution der 23 Widerstandskämpfer der Gruppe wurde von den Nazis in einer groß angelegten Propagandakampagne ein rotes Plakat in ganz Frankreich verbreitet, das die Handlungen der Résistance-Kämpfer diskreditieren sollte, jedoch einen gegenteiligen Effekt erzielte und kurz darauf als berüchtigtes Affiche Rouge zu einem Symbol für den Widerstand wurde.


Rezension

Ein Leben im Tode erzählt die Geschichte von Marcel Rayman, einem der Widerstandskämpfer, die auf dem Roten Plakat zu sehen waren und die Graphic Novel beginnt gleich mit einer sehr eindrücklichen Szene. Zusammen mit seinen Mithäftlingen, die ebenso wie er den Tod erwarten, isst Marcel Rayman im Gefängnis Schokolade und Süßigkeiten, die aus einem Paket des Roten Kreuz stammen. Dazu sind Zeilen des letzten Briefes von Rayman zu lesen, den er an seine Familie schrieb. Bereits hier, sind seine Beweggründe zu handeln, zu erahnen. Danach gibt es einen Zeitsprung. Drei Jahre früher, 1941, ist Marcel Rayman ein relativ unbeschwerter 18-Jähriger. Er spürt zwar den Druck der Besatzer und es bedrückt ihn, was mit ihm und den restlichen Juden geschieht, dennoch beschränken sich er und sein Bruder auf passiven Widerstand, in dem sie Plakate der Nazis beschmieren und deren Sinn ändern. Sie gehen sogar weiterhin ins Schwimmbad und leben scheinbar das normale Leben eines Jugendlichen. Als Deutschland die Sowjetunion angreift, beschließt Marcel Rayman seinen Widerstand zu verschärfen. Statt nur Plakate zu beschreiben, veröffentlicht und verteilt er gemeinsam mit seinem Bruder Simon und guten Freunden Flugblätter mit politischen Botschaften. Ihre Gruppe ist relativ groß und besteht nicht nur aus Männern, sondern auch Frauen wie Lucienne, die am Ende eine entscheidende Rolle spielen sollte. Erst als Raymans Vater und weitere Bekannte deportiert werden, wächst sein Wut so weit an, dass er in den bewaffneten Widerstand eintritt, bei dem er schnell eine wichtige Rolle einnimmt.

Laurent Galadon und Jeanne Puchol nähern sich ihrem Thema des Widerstandes in Frankreich recht behutsam. Sehr leicht können Bücher, Filme und Graphic Novels in reiner Heldenverehrung enden. Glücklicherweise tappen sie nicht vollkommen in diese Falle. Das bisschen Heldenverehrung, welches durchaus vorhanden ist, muss ihnen zugestanden werden und lässt sich vermutlich auch nicht vermeiden, wenn man die Geschichte Marcel Raymans nicht gerade in einem Sachbuch erzählt.
Galadon hat Ein Leben im Tode geschrieben und dafür offensichtlich gut recherchiert. Unter anderem sprach er mit Raymans Cousine Élise, die zunächst skeptisch war, da er aus ihrer Sicht in einem früheren Film falsch dargestellt worden war. Laurent Galadon zeigt folgerichtig Marcel Rayman nicht als Überhelden ohne Skrupel und ohne schlechtes Gewissen. Er bemüht sich ihn als Menschen darzustellen, der ebenso wie alle anderen Träume und Ängste besaß und der vor allem eine sehr starke Bindung zu seiner Familie hatte. Das Augenmerk von Ein Leben im Tode liegt auch nicht allzu sehr auf den Attentaten, sondern vielmehr auf den Menschen, die sie durchgeführt haben und mit denen Marcel Rayman befreundet war. Sie sind nicht über jeden Zweifel erhaben, sondern stellen sich ebenso Fragen, wie sie ihr Handeln begründen können. Soldaten zu töten, ist noch relativ leicht für sie, aber einen Privatmann ist etwas anderes. Es wird klar, welche Folgen die Attentate auch auf sie haben und sie werden dadurch zu Menschen und nicht übergroßen Helden. Dabei bleibt die Graphic Novel größtenteils wertfrei. Die Beurteilung bleibt dem Leser überlassen, selbst der Verrat durch eine der ihren wird nicht verteufelt, sondern so dargestellt, wie er vermutlich war, als Notwendigkeit zu Überleben. Einzig, dass die Opfer kaum gezeigt werden, stört etwas, denn so bleiben sie gesichtslos und schnell ist die Tendenz da, jedes der Attentate gut zu heißen, da sie alle „böse“ waren. Ein Blick auf deren Familien, und wenn auch nur ein kurzer exemplarischer, hätte vielleicht gut getan, da so die Graphic Novel noch viel besser die Ereignisse und die Zwänge der Handelnden hätte darstellen können. Das Fehlen wertet Ein Leben im Tode nicht wirklich ab, aber es wäre das I-Tüpfelchen gewesen und hätte die Heldenverehrung vollkommen unterbunden und alles in einen Kontext gestellt, der klar gemacht hätte, dass vieles aus den Zwängen der Zeit entstand und zwar auf beiden Seiten. Trotzdem ist Ein Leben im Tode ein wichtiger Blick auf einen Zeitabschnitt, der Frankreich geprägt hat, der sehr informativ ist und dem Leser die Zeit und die Umstände näherbringt. Nach Die Sternbande und Jerusalem eine weitere wichtige und sehr gute historische Graphic Novel von Panini.

Visuelle Glanzpunkte und Kunststückchen sucht man vergebens bei Ein Leben im Tode. Das würde aber auch nicht passen, sowohl zu der Erzählung als auch zum Inhalt. Die Zeichnung sind nüchtern gehalten, auf das Wesentliche konzentriert, um weder die eine noch die andere Seite zu überhöhen. Die Hintergründe sind teilweise sehr einfach und detailarm, wodurch der Fokus automatisch auf die Charaktere gelegt wird, auf ihre Einsamkeit und auch Hilflosigkeit. Rayman und seine Mitkämpfer werden so in ihrer selbstgewählten Isolation gezeigt. Sie werden dadurch nicht zu Überhelden, sondern bleiben Menschen, die für ihr Ziel bereit sind vieles zu opfern. Trotz des reduzierten Stils zeigen sich die Emotionen der Charaktere auf ihren Gesichtern recht gut. So wie der Erzählton sind die Zeichnungen ruhig und illustrieren die Ereignisse ziemlich unaufgeregt. Nur in den entscheidenden Momenten wird das Tempo etwas angezogen.


Fazit

Wer war im Widerstand? Was ließ die Menschen zu den Waffen greifen? Und wie gingen sie damit um? Ein Leben im Tode wirft einen Blick auf all diese Fragen und zeigt die Ereignisse in Frankreich zur Zeit der Besatzung recht nüchtern. Damit wird Ein Leben im Tode eine der wichtigsten Veröffentlichung diesen Jahres, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt.


Pro & Contra

+ keine plumpe Heldenverehrung
+ Marcel Rayman und seine Mitkämpfer werden als Menschen gezeigt
+ nüchterner Erzählstil und ebensolche Zeichnungen

Bewertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 4/5
Informationsgehalt: 4/5
Aktualität: 4/5
Verständlichkeit: 5/5
Preis/Leistung: 5/5