Trügerische Nähe (Susanne Kliem)

Kliem S-Truegerische Naehe

Carl’S books Verlag, 1. Auflage, 2015
Taschenbuch, 350 Seiten,
14,99 Euro [D] | € 15,50 [A] |
ISBN-13: 978-3-570-58550-4

Genre: Psychodrama/ Krimi


Klappentext

Wenn die Idylle auf dem Land zum Albtraum wird
Ein liebevoll restaurierter Hof im Grünen. Zwei Paare, die von einem Neuanfang träumen. Ein Gast, der ein gefährliches Spiel beginnt – bis zum tödlichen Ende …


Die Autorin

Susanne Kliem, 1965 am Niederrhein geboren, arbeitete als Pressereferentin für Fernsehserien von ARD und ZDF und für das größte deutsche Theaterfestival > Theater der Welt <. Seit 2009 schreibt sie Krimis, für die sie mit dem Krefelder Kurzkrimipreis ausgezeichnet und für den Agatha-Christie-Preis nominiert wurde. Zuletzt erschien von ihr bei carl’s books >> Die Beschützerin << (2014).


Rezension

Das Dorf Seesendorf hat neue Einwohner. Stadtmenschen. Die Freunde Alexander und Johannes, die sich aus Studentenzeiten kennen, sind mit ihren Frauen auf das Land gezogen. Johannes und Marlis schätzen die Landidylle, während sich Alexander und Nora nach Ruhe sehnen. Die Ehe der beiden hat in den letzten Jahren gelitten, nicht nur, weil Alexander ein notorischer Schürzenjäger ist, sondern auch weil Nora aufgrund eines beruflichen Fiaskos und Stress an Depressionen erkrankt ist. Auf dem Land wollen die beiden nun wieder zueinander finden – wegen ihres Sohnes Lukas. In der Tat beginnt das Zusammenleben recht harmonisch, nur Lukas sorgt mit typischem Teenagerverhalten ab und an für Aufregung. Als die vier Freunde abends gemütlich beim Grillen zusammensitzen, taucht unvermittelt Marlis‘ Tochter aus erster Ehe auf. Livia studiert in München Schauspiel. Da das Semester noch nicht vorüber ist, sind Marlis und Johannes nicht ohne Grund irritiert. Livia behauptet zwar, sich Urlaub genommen zu haben, doch schnell wird deutlich, dass mehr hinter Livias Anwesenheit steckt. Zuerst versuchen die Vier, jeder auf seine Weise, mit dem unerwarteten Gast umzugehen. Aus Interesse wird allerdings rasch Eifersucht, Neid und Zwietracht, als die attraktive Livia Alexander eindeutige Avancen macht. Ein Laientheaterstück der ansässigen Dorfärztin wird schließlich zur Zerreißprobe für die Menschen auf dem Hof. Ehe wie Freundschaften sind in Gefahr. Am Ende findet sich nicht nur eine Leiche im Wald, sondern so manch zerbrochene Existenz.

Als ich den Klappentext zu Trügerische Nähe las, freute ich mich insbesondere über diesen Satz: Doch Livia verfolgt ihre ganz eigenen abgründigen Interessen und spielt die Bewohner gnadenlos gegeneinander aus, dachte ich mir. Endlich wieder einmal ein durchtriebener Charakter, der alle um seinen Finger wickelt. Ein dunkles Genie, das Menschen in ihre Abgründe führt. Wie, fragte ich mich, wird Suszanne Kliem es anstellen? Wird sie ihrer Lolita eine Stimme geben und dem Leser die Ränke nach und nach durch die Augen Anderer offenbaren? Gespannt haderte ich dem ersten Auftritt Livias entgegen, der auch nicht lange auf sich warten ließ. Da stand sie also, die schöne Studentin mit den „abgründigen Interessen“, und tatsächlich wählt Kliem Livia als Perspektivträgerin. Hier wartet die erste Enttäuschung, denn von einer schwarzen Witwe ist wenig zu erkennen. Im Gegenteil, Livia ist nicht intrigant, geschweige denn subtil in ihrem Tun. Zudem wird rasch deutlich, Livia ist eine gescheiterte Existenz, die nicht weiß, wohin. Sie ist ein Trotzkopf, der gegen die ignorante, herrische Mutter aufbegehrt und an falscher Stelle nach Zuwendung und Bestätigung sucht.

Dass das Psychodrama dennoch funktioniert, liegt an den anderen Charakteren. Denn so rosig istderen Beziehung nicht. Das Zusammenleben balanciert auch vor Livias Erscheinen auf dem Hof bereits auf dünnen Eis. Jeder hat seine Geheimnisse und Schwächen. Zudem ist keiner der Bewohner ein Sympathieträger. Nora ist chronisch eifersüchtig, dauererschöpft und mit der Situation und ihrer Familie überfordert. Alexander, ein unterkühlter, sehr rationaler Charakter, flieht beständig in die Stadt und lässt seine Familie allein. Dementsprechend erlebt der Leser Lukas als ständig mürrischen, kiffenden Teenager. Johannes hingegen ist eher introvertiert und kämpft beständig gegen den Neid und das Verlangen Alexander zu übertrumpfen, während Marlis unglaublich selbstbezogen, exzentrisch und perfektionistisch erscheint. Sie ist eine dieser typischen Mütter, die ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen in ihre Nachkommen projizieren. Nur das Beste ist gut genug. So kauft sich Marlis zum Beispiel trotz finanzieller Schwierigkeiten einfach ein Pferd.

Passend zu den einfach gestrickten Charakteren ist auch der Stil schlicht gehalten. Kurze, schnörkellose Sätze. So liest sich Trügerische Nähe zwar flüssig. Es mangelt aber an sprachlicher Eleganz. In kurzen Kapiteln, die aus der Perspektive unterschiedlicher Charakteren erzählt werden, erlebt der Leser, wie die Beziehungen auf dem Hof zu bröckeln beginnen. Bei den unerfreulichen Charakteren ist das durchaus amüsant. So hätte es der Leiche nicht wirklich bedurft. In der Tat wirkt diese am Ende etwas deplatziert und unnötig. Von da an wirkt die Handlung abgehackt und die Handlung, die zum Mord führt, konstruiert.


Fazit

Mit Trügerische Nähe führt Susanne Kliem den Leser in die malerische Idylle eines Bauernhofs. Vier Stadtmenschen suchen auf dem Land Ruhe, Entspannung und Erholung. Mit der attraktiven Studentin Livia bricht die Maske, die jede der Figuren trägt. Idylle wird zum Psychodrama, das in einem Mord endet. Die Charakterstudie bietet interessante Einblicke, leidet allerdings an unsympathischen, flachen Hauptcharakteren, fehlender Spannung und einem Ende, das nicht zu überzeugen weiß.


Pro/Contra

+ Grundidee
+ Anlage der Charaktere

- irreführender Klappentext
- unsympathische Charaktere
- konstruiertes, unnötiges Ende

Bewertung: stern2

Charaktere: 2/5
Handlung: 3/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 1/5