Songs of Revolution (Emma Trevayne)

Lübbe one (August 2015)
übersetzt von Ulrike Nolte
Gebundene Ausgabe
445 Seiten, 15,99 EUR
ISBN: 978-3-8466-0018-4

Genre: Dystopie / Cyberpunk / Jugendbuch


Klappentext

Anthem ist 18 Jahre alt und er will eigentlich nur eins: echte Musik machen. Doch er lebt in einer Gesellschaft, in der genau das mit dem Tod bestraft wird. Menschen dürfen nur künstlich erstellte Musik hören, ausschließlich produziert, um süchtig zu machen.

Tagsüber dient Anthem dem System, doch abends folgt er seiner wahren Bestimmung: Er macht Musik mit seiner Band. Als die Repressalien der Machthaber unerträglich werden, beschließen Anthem und seine Freunde, sich zu erheben: Zusammen mit der schillernden Haven will er eine Revolution anzetteln – und mit der Kraft echter Musik möglichst viele Anhänger mobilisieren ...


Rezension

Anthem verkauft als “Akku” sein Leben, um seine Geschwister durchzubringen und die akustischen Medikamente für seinen dahinsiechenden Vater bezahlen zu können. Wie fast alle Erwachsenen ist auch Anthem süchtig – nach Musik, die ihn in einen Rauschzustand versetzt und das Alltagsgrau erstickt. Ursprünglich wurde die codierte Musik als Schmerzmittel verwendet, doch dann hat der Konzern, der die Regierung darstellt, entdeckt, wie er sich die Menschen mit Hilfe von Musik gefügig machen kann. Irgendwann enden fast alle wie Anthems Vater: Als suchtzerfressene, lebende Leichen. Anthem fügt sich öffentlich in diesen Kreislauf, doch er bewahrt ein Geheimnis: Mit seinem besten Freund und drei anderen jungen Menschen macht er mit selbst gebastelten Instrumenten richtige Musik. Ein Vergehen, für das er hart bestraft werden könnte, doch die Musik ist Anthems große Hoffnung – und bald auch Ausdruck seiner Wut auf den Konzern …

„Songs of Revolution“ ist erfrischend anders als die meisten Jugenddystopien und setzt die originelle Idee, Musik als bewusstseinsverändernde Droge und damit als Kontrollinstrument einzusetzen, gekonnt um. Im zukünftigen New York gehört es zur Bürgerpflicht, abends feiern zu gehen und sich dem Rausch zu ergeben, damit man das System auf keinen Fall in Frage stellt. Wer nicht regelmäßig Musik konsumiert, bekommt Besuch von den Sicherheitsbehörden. Um den Menschen zumindest ein bisschen Hoffnung zu geben (und sie damit noch besser zu kontrollieren) hat der Konzern Bibliotheken eingerichtet, in denen die Erinnerungs-Chips von Verstorbenen aufbewahrt werden und deren Aufzeichnungen man sich jederzeit ansehen kann (natürlich zensiert). Auch der Chip von Anthems Mutter liegt dort zur Ansicht aus.

Anthem ist zu Beginn des Romans stark musikabhängig und verbringt seine Abende im Club eines Kumpels, während er tagsüber seine Energie für das System opfert. Da nahezu alle Energiequellen weggebrochen sind, nutzt der Konzern Menschen wie Anthem zur Energiegewinnung. Mit jedem Tag an der Dränage verkürzt sich sein Leben, doch das nimmt Anthem in Kauf, um seinen jüngeren Geschwistern ein einigermaßen gutes Leben bieten zu können. Seine geheime Band ist einer der wenigen Lichtblicke in seinem Leben – ebenso wie Haven, ein Mädchen aus der Oberschicht, das den Konzern ebenfalls verachtet und Anthem offensichtlich Gefühle entgegenbringt. Doch er geht nicht darauf ein, da er sich als „Akku“ minderwertig vorkommt und Haven nicht damit belasten will, dass er jung sterben wird.

Emma Trevayne ist es wunderbar gelungen, Musik in ihrem Roman effektvoll und emotional zu beschreiben, sodass man das Gefühl hat, sie tatsächlich zu hören. Man spürt durchweg die unbändige Liebe zur Musik, gleichzeitig ist sie in „Songs of Revolution“ etwas Gefährliches. Eine Droge oder sogar ein Tötungsmittel. Es gibt zudem akustische Sequenzen, die das Gehör eines Menschen auslöschen können – ein beliebtes Strafverfahren. Die sogenannten „Ex-Sonics“ sind damit gebrandmarkt und können nicht mehr am normalen gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Die Kontrolle durch den Konzern ist allgegenwärtig und scheinbar perfekt. Und genau diese scheinbare Unverwundbarkeit machen sich Anthem und seine Band zu Nutze, als sie beschließen, illegale Konzerte zu geben.

Die Charaktere in „Songs of Revolution“ sind im Rahmen ihrer Welt sehr authentisch, allen voran Anthem, der zwischen Erschöpfung, verzweifelter Liebe und aggressivem Zorn schwankt. Er macht sich viele Gedanken um seine Familie und Haven, ist durch sie erpressbar, doch es fällt ihm im Laufe des Romans immer schwerer, ruhig zu bleiben und den braven, süchtigen Bürger zu mimen. Was seine Liebe zu Haven betrifft, legt er sich selbst Steine in den Weg. Sie eröffnet ihm genug Chancen, doch Anthem zweifelt und glaubt, nicht gut genug für sie zu sein. Mit seinem besten Freund Scope hatte Anthem früher eine Beziehung, deren Feuer noch nicht ganz erloschen ist. Dabei erscheint es ganz selbstverständlich, dass Anthem mit einem Mann zusammen war und nun in eine Frau verliebt ist. Zu beiden Menschen kann man seine Gefühle gut nachvollziehen und es ist schade, dass einer der beiden enttäuscht wird.

„Songs of Revolution“ mutet zudem ein bisschen wie ein Cyberpunk-Jugendbuch an, da Emma Trevayne das derbe Grundgefühl des Genres sowie die starken Kontraste verinnerlicht hat. Viele kreative Ideen wie beispielsweise Implantate in der Haut, die bei Musik leuchten und ihre Farbe wechseln, oder auch Chrome-Tätowierungen und Glasfaserhaarschmuck machen Anthems triste Welt bunt und exzentrisch. Der Konzern dient als Feindbild und seine Führung ist leider recht eindimensional geraten. Obwohl die Autorin mit vielen Überraschungen aufwartet, trüben Jugendbuchklischees das Lesevergnügen ein klein wenig, ebenso wie die sehr traurigen Entwicklungen in der zweiten Hälfte. Nichtsdestotrotz bleibt der Roman mitreißend und einmalig.

Das Cover sieht phantastisch aus und passt perfekt zur Story, allerdings ist es verwirrend, da eine Frau abgebildet ist und der Roman aus Sicht eines Mannes in Ich-Perspektive geschrieben ist. Passend zu den Coverfarben gibt es ein türkises Lesebändchen und bei einem so schönen Hardcover zu einem so guten Preis kann man nicht meckern.


Fazit

„Songs of Revolution“ ist eine wahnsinnig leidenschaftliche und kreative Dystopie, in der (codierte) Musik als Droge und Kontrollinstrument eingesetzt wird. Emma Trevayne begeistert ihre Leser vor allem mit ihrem authentischen Protagonisten Anthem, der viel ertragen muss, Fehler macht und aus ihnen lernt. Viele originelle Ideen machen die düstere Zukunftsvision zu einem erfrischenden Leseerlebnis, das mitreißt und hungrig auf mehr macht.


Pro & Contra

+ Musik als Droge und Kontrollinstrument
+ Anthem ist durchweg sympathisch und authentisch
+ natürlicher Umgang mit Anthems Bisexualität
+ mitreißender Erzählstil
+ viele kreative Ideen
+ traumhaftes Cover

- zum Ende hin etwas klischeehaft

Wertung: sterne4.5

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu "Voices of Freedom"

Tags: Cyberpunk, Dystopie, Emma Trevayne, SF-Autorinnen, queere Figuren